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[ 07. Sep 2007 ]

Büren: Demonstration und Hungerstreik

Büren, 02. Sep 2007

Neben zahlreichen Protesten als Zeichen der Solidarität mit dem Widerstand hinter Gittern findet jährlich eine breit mobilisierte Demo vor dem größten Abschiebegefängnis in Deutschland, der JVA Büren, statt. Als sich am 02. Sep 2007 mehr als 350 GegenerInnen von Abschiebehaft und -lagern versammelten, probten die Gefangenen drinnen den Aufstand: 60 Häftlinge verweigerten als Akt zivilen Ungehorsams das Essen.

 

60 Gefangene im Hungerstreik!


Auf der Demonstration vor der JVA Büren wurde eine Rede eines Häftlings aus dem Lautsprecherwagen verlesen. Er wendet sich gegen die unhaltbaren Zustände der Inhaftierung und Abschiebung. Zum Schluss heißt es: "Wir rufen für den heutigen Tag den lang erwarteten Hungerstreik der Gefangenen aus und rufen auf zum zivilen Ungehorsam mit dem Ziel der unmittelbaren Freilassung aller Opfer die in deutschen Abschiebegefängnissen einsitzen und welche nicht wegen krimineller Vergehen angeklagt sind." (Den vollständigen Redebeitrag gibt es :: hier.

60 Gefangene begannen zeitgleich mit der Demo am 2. September 2007 einen Hungerstreik gegen die Zustände in der JVA und gegen ihr Inhaftierung und drohende Abschiebung.

Am 4. September, also einen Tag nach Beginn des Hungerstreiks wurden der Wortführer der Hungerstreikenden und zwei weitere Häftlingen entlassen. Angeblich gab es einen Formfehler beim Antrag auf Haftverlängerung, vieles weist jedoch darauf hin, dass dahinter politisches Kalkül steckt, um den unbequemen Kritiker "loszuwerden". (Siehe die offenen Briefe von Noel Asanda :: hier und :: hier). Die Gefangenen kritisieren die schlechte Versorgung, das miese Essen - bereitgestellt durch die Firma :: European Homecare (EHC), die u.a. auf Knastfraß spezialisiert ist -, die mangelhafte medizinische Versorgung, zu wenig Freigang und greifen die Abschiebehaft als illegal und korrupt an. Jedenfalls ist diese Reaktion der Behörden ein erster Erfolg der Proteste.


Hungerstreik unterbrochen - Nahrungsverweigerung


Nach drei Tagen Hungerstreik wechselten die Abschiebehäftlinge der JVA Büren am 05. Sep 2007 ihre Streikform. Sechs Gefangene verweigern weiterhin die Annahme von Nahrung, die von der JVA gestellt wird. Sie nehmen nur selbst zubereitete Speisen zu sich, die sie einmal am Tag kochen dürfen und wollen lediglich von dieser einen Mahlzeit am Tag leben.

Für die Gefangenen ist es schwierig, ihre Forderungen nach außen hin darzustellen. Sie mussten feststellen, dass die Leitung der JVA Büren der Öffentlichkeit systematisch falsche Informationen weiter gegeben hat, um die Sache herunterzuspielen. So behauptete die JVA, dass nie 60 Gefangenen in Hungerstreik gewesen seien und am 05. Sep 2007 sich nur noch eine Person in Streik befunden hätte. Ein Gefangener bezeichnete diese Falschdarstellungen der Proteste als "unverschämt".

Die anderen Häftlinge halten weiter durch und hoffen auf breite Unterstützung und Solidarität von außen!
Insbesondere kritisieren sie:
- die illegale Inhaftierung bis zu 18 Monate, ohne eine Straftat begangen zu haben;
- die Ausbeutung im Knast: Häftlinge arbeiten für 50 Cent pro Stunde, private Firmen zahlen bis zu 20 Euro pro Stunde an die Gefängnisleitung; Gleichzeitig müssen die Häftlinge überteuerte Lebensmittel im Kiosk kaufen. Schließlich sollen sie auch noch für die Inhaftierung und die Abschiebung bezahlen - bis zu 14.000 EURO!
- die psychische, spirituelle und mentale Zerstörung der Eingesperrten durch die rassistische Behandlung, durch die Unsicherheit, was nach der Haft passieren wird und durch die "alltäglichen" Menschenrechtsverletzungen im Knast;
- die schlechte und lächerlich wirkende Häftlingskleidung zur Belustigung des Schließpersonals;
- den Zwang, Dokumente unterschreiben zu müssen, deren Sinn und Auswirkungen sie nicht verstehen; Anwälte/innen und DolmetscherInnen können sie sich nicht leisten.
- die Bestrafung von Häftlingen durch Einzelhaft im Keller der JVA in sog. Arrestzellen.

Außerdem fordern sie die Freilassung aller Häftlinge aus Abschiebegefängnissen und ein Ende der Abschiebehaft.


Die Häftlinge brauchen unsere Solidarität!


Es ist wichtig, die Anliegen der protestierenden Gefangenen in die Öffentlichkeit zu tragen und sie in ihrem Kampf zu unterstützen. Derzeit gibt es von Gruppen vor Ort den Plan, die Hungerstreikenden regelmäßig zu besuchen. Menschen aus der Umgebung von Paderborn/Bielefeld, die sich daran beteiligen möchten, bitte an ak-asyl (at) gegenAbschiebehaft.de mailen. Wenn ihr Hilfe braucht, Ideen für Aktionen oder Fragen habt, dann meldet euch bei info (at) aha-bueren.de oder info (at) gegenabschiebehaft.de


In dem 1994 errichteten und für ca. 600 Inhaftierte konzipierten Gefängnis sind derzeit ca. 200 Menschen eingesperrt. Seit damals gibt es Proteste gegen die JVA Büren/Stöckerbusch. Die Demonstration am 02. Sep 2007 war nur ein kleiner Teil zur Unterstützung der Inhaftierten. Speziell thematisiert wurde dieses mal der Zusammenhang zwischen Krieg und Flucht. Im folgenden ein bearbeiteter Auszug auf den Aufruf: "Kriege beenden - Abschiebung abschaffen - Menschenrechte durchsetzen"

Das weltweit Menschen vor Kriegen flüchten und es nur wenige bis nach Europa schaffen, ist eine Tatsache, von der keineR sagen kann, sie/er habe es nicht gewusst. Bei der Demonstration gegen das Abschiebegefängnis in Büren anlässlich des Antikriegstages 2007 soll die Verbindung der Themen Abschiebung, Festung Europa mit den Themen Krieg als Fluchtursache und Krieg gegen die Flüchtlinge in den Mittelpunkt gerückt werden.

Das Abschiebegefängnis in Büren ist Symbol und praktische Umsetzung rassistischer und kriegerischer Politiken. Es ist der Zeigefinger, der allen drohend entgegen gehalten wird, die nach Europa kommen wollen. Die JVA Büren ist ein tatsächliches Gefangenenlager, in dem mit polizeilichen und juristischen Mitteln die Flüchtlingsabwehr flankiert wird, die im Norden Afrikas und im Osten Europas zunehmend durch Militärs übernommen wird.

Zu schlechterletzt ist immer häufiger für viele in Büren die Endstation in Deutschland. Sie haben oft über Jahre in Deutschland gelebt und werden nun von der Bürokratie als überflüssig angesehen. Von Büren aus werden jedes Jahr ca. 2.500 Menschen abgeschoben, ihre Arbeitskraft ist hier nicht (mehr) nachgefragt und sie sollen dort, wohin sie abgeschoben werden erzählen, dass Flüchtlinge in Deutschland im Gefängnis landen.

Wer nach Deutschland kommen darf und für wie lange wird von Gesetzen und Erlassen geregelt. Von Seite der KapitalistInnen wird eingefordert, dass die Rationalität der herrschenden Ökonomie zur 100 Prozent diese Regelungen bestimmt. Diese Ökonomie beurteilt die Menschen nach der Arbeitskraft, die sie in die Wirtschaft einbringen können. Der Rassismus der weiterhin bei der Gesetzgebung ein erhebliches Wort mitredet schreckt vor keinen Kosten zurück. So werden für die Abschiebung Mittel aufgewandt, die mehrere zehntausend Euro betragen können.

Die Schließung des Abschiebegefängnisses in Büren ist eine Forderung, die eingebettet ist in einen Forderungskatalog, der die Beendigung des Krieges gegen die Flüchtlinge genau so umfasst, wie die Beendigung aller Kriege. Dazu gehört ebenso die Durchsetzung sozialer Rechte, wie das auf die freie Wahl des Wohnortes. Für Deutschland bedeutet die konkret: Abschaffung der Abschiebehaft, Schluss mit den Abschiebungen, Rückberufung aller im Ausland stationierten Bundeswehrsoldaten und Auflösung des Militärs.





Quellen und weitere Informationen zur Essensverweigerung, den Solidaritätsprotesten usw. auf :: aha-bueren.de, :: bueren-demo.de und :: de.indymedia.org (Siehe auch Links in der linken Spalte).