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[ 10. Oct 2008 ]

Redebeitrag von der Demonstration für Bewegungs- und Bleibefreiheit

Nein zu

Am 10. Oktober 2008 fand in Wien eine Demonstration für Bewegungs- und Bleibefreiheit mit mehr als 600 Menschen statt. In folgenden Redebeitrag wird der rassistische Alltag anhand der Zustände in Kärnten kritisiert.

 

Vorweg


Wenn in diesem Redebeitrag des Öfteren der Name "Haider" fällt, so nicht, um mobilisierend zu wirken, indem eine Feindperson geschaffen wird, die hohen Bekanntheitsgrad hat. Aufgrund seines autoritären Führungsstils, und dadurch, dass sich die Mitglieder des BZÖ vor allem durch Treue auszeichnen müssen, konzentriert sich viel Macht in seiner Person. Zustimmung zur Politik der Partei, die in Kärnten den Landeshauptmann stellt, kann auch an den Ergebnissen der jüngsten Nationalratswahlen abgelesen werden, bei der das BZÖ in manchen Kärntner Gemeinden knapp an der Absolute vorbeischrammte. Eine Beschreibung der rassistischen Politik in Kärnten kommt also nicht ohne die Nennung von Haider aus, weil er sie als Entscheidungsträger exekutiert.

Rassismus geht von der Bevölkerung aus, das muss an der Stelle klar gesagt werden, sei es in Kärnten in Form von Ablehnung gegenüber der slowenischen Minderheit, oder Befürwortung einer rigorosen Abschiebepraxis. Auch Begriffe wie "Fremde" werden in dem Beitrag nicht verwendet, weil diese Einteilung akzeptiert wird, sondern weil den Menschen, die juristisch als "fremd" gelten, gesetzliche Nachteile entwachsen.


Eine kurze Chronologie zur Auffrischung:


Am 7. Januar 2008 wurde parallel zu einer Pressekonferenz unter dem Motto 'Gewalttätige tschetschenische Asylwerber werden aus Kärnten abgeschoben' tschetschenische Familien aus Villach (insgesamt 18 Personen) überfallsartig in Busse verfrachtet und ins niederösterreichische Flüchtlingslager Traiskirchen abtransportiert.

Begründet wurde diese Maßnahme damit, dass Mitglieder dieser Familien an einer Silvesterschlägerei in Villach teilgenommen hätten. Am 22. Juli folgte der Versuch sechs Personen, einen Tag darauf weitere drei, nach Traiskirchen abzuschieben. Bei all diesen Fällen konnte Haider als Grundlage keine gerichtliche Verurteilung heranziehen, die die Betroffenen hätte belasten können. Die Unschuldsvermutung als Grundprinzip eines Rechtsstaats besagt, dass jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig gilt. Dieses Prinzip scheint für "Fremde" nicht zu gelten.

Nicht, dass der Rechtsstaat aus emanzipatorischer Sicht verteidigenswert wäre- er garantiert vordergründig den Schutz des Eigentums, verhindert also durch das Gewaltmonopol des Staates die freie Zugänglichkeit zum gesellschaftlichen Reichtum. Festgehalten werden muss an dieser Stelle, dass es noch viel Schlimmeres
gibt, als eine demokratische Staatsordnung, nämlich eine autoritär geführte Volksgemeinschaft.


Sonderanstalten


In Kärnten wurde nun Anfang Oktober auf Wirken des Landeshauptmannes Haider eine Sonderanstalt eingerichtet, in die mutmaßlich "kriminelle" AsylwerberInnen unter polizeilicher 24 Stunden Überwachung, gesperrt werden sollen.

Wie lange an dieser Idee nun schon gebrütet wurde, ist unklar, angekündigt hat Haider das Vorhaben schon im Juli 2008, zu einem Zeitpunkt wo er sich mit Innenministerin Fekter eine Kraftprobe punkto Wegweisungen von Menschen, lieferte.

Die Argumentation des BZÖ lässt sich anhand einer Presseaussendung nachvollziehen, in der Haider erklärt: "Die Errichtung einer solchen Sonderanstalt ist eine effektive Maßnahme, um die Sicherheit der Kärntnerinnen und Kärntner zu gewährleisten." Ausgangsposition hierfür ist die Einteilung der Bevölkerung in einen
schützenswerten und einen bedrohlichen Teil. "Fremde", denen aufgrund eines nicht weiter definierten Fehlverhaltens ihre Rechte aberkannt werden sollen, werden generell mit Kriminalität assoziiert. In die völlige Isolation auf 1200 m auf der Saualm verbannt, stehen sie dort unter permanenter Kontrolle; freie Entscheidungen über die Gestaltung der eigenen Zeit zu treffen, soziale Kontakte zu pflegen, kulturelle wie politische Teilhabe bleiben ihnen verwährt.

Haider, der als Vaterfigur auftritt, protegiert die DeutschkärntnerInnen, die eine ständige Angst vor Menschen plagt, die bei der ethnisch definierten Wir-Gruppe nicht dabei sein dürfen- weil Rassismus nun mal verblendet, denken sie tatsächlich, es würde ihnen besser gehen, wenn sie "unter sich" blieben. AsylwerberInnen, das sind Personen die aus den verschiedensten Gründen aus ihrem Heimatstaat geflohen sind und in Österreich Schutz suchen, bieten dabei Angriffsflächen, an denen angesetzt werden kann.

Vorgeworfen wird ihnen wahlweise Ausnutzung der Sozialleistungen, Faulheit, überdurchschnittlich hohe Kriminalitätsrate oder auch das Wegnehmen der Arbeitsplätze von InländerInnen, denen sie eigentlich zustehen müssten. Der rassistische Gehalt dieser Anschuldigungen kann in dem "mehr" gemessen werden, das DeutschkärntnerInnen AsylwerberInnen an "schlechtem Verhalten" attestieren, mit bewusster Ausblendung der sozialen Lage. AsylwerberInnen werden demnach nicht straffällig, weil sie arm sind (z.B), sondern weil es - Unterschiede in der Wortwahl, jedoch nicht in der Bedeutung - ihrer Kultur oder Rasse entspricht, oder genetisch bedingt ist.

Diese Bewertung setzt auch eine Zustimmung zu herrschenden Normen und Werte voraus: Dass Faulheit etwas Schlechtes sei und Arbeitsmoral gut, Privateigentum unangetastet bleiben muss, der Staat für Ordnung zu sorgen hat und jeder Verstoß gegen diese Regeln bestraft werden muss.

In diese Sondereinrichtung für die laut Petzner, Pressesprecher und Generalsekretär des BZÖ "Eine rechtsgültige Verurteilung keine Voraussetzung für die Unterbringung" ist, sollen bereits in der vergangenen Woche zehn Menschen gebracht worden sein. Gegenüber Medien wurden von Haider historisch belastete Begriffe wie "Zwischenlösung" und "Endziel" ins Spiel gebracht. Zwischenlösung sei die Sonderunterbringung, Endziel die Abschiebung. Als Petzner meinte: "Man wird in Lagern Menschen konzentrieren", war das eine kalkulierte Anspielung auf die nationalsozialistische Vernichtungspolitik. Deutlicher kann eins nicht werden.


Was zu sagen bleibt:


Jedem Nationalstaat wesensimmanent ist Ausgrenzung, die Ausgrenzung kann aber durch politische Entscheidungen auf institutioneller Ebene durchaus verschärft werden. Die Schaffung der Möglichkeit einer Sonderunterbringung für "Kranke und straffällige" AsylwerberInnen steigert den Grad an Unzumutbarkeit weiter.
Den Rufen bürgerlicher antira Organisationen nach einem staatlich gesicherten, halbwegs erträglichen Ordnungsrahmen, in dem Migration stattfinden soll, schließt sich dieser Text nicht an. Es gibt keine
menschliche Abschiebung.

Die Forderung nach Bewegungs- und Bleibefreiheit setzt dem Gefasel von Integration und Benehmen als Vorraussetzung für ein Bleiberecht Uneingeschränktheit entgegen. Die diskutierte Einführung einer EU weit geltenden Green Card für hoch qualifizierte Arbeitskräfte, sieht zwar theoretisch von der Herkunft eines Menschen ab, misst dessen Anspruch auf Bleiberecht jedoch an der Nützlichkeit für den hiesigen Arbeitsmarkt. Bewegungs- und Bleibefreiheit ist ein Konzept das ohne Nationalstaaten und Kapitalismus auskommt, das sich nicht an der Verwertbarkeit von Menschen als Humankapital orientiert.