Ein junger Mann ertrank am 30. Mai 2008, weil er vor der Polizei in den Rhein geflohen war. Die Polizei ist sich keiner Schuld bewusst, und der Sprecher der Staatsanwaltschaft erzählt fröhlich Details aus einem laufenden Verfahren.
Andy Bestman konnte nicht schwimmen. Trotzdem sprang er am Abend des 30. Mai 2008 in den Rhein, auf der Flucht vor der Polizei - und ertrank.
Tage später wurde die Leiche des 25-jährigen Nigerianers im elsässischen Kembs angeschwemmt. Sowohl über das Verschwinden des Flüchtigen als auch über den Fund der Wasserleiche hätte die Polizei wohl nie berichtet, wenn sich nicht mehrere Zeugen der Verfolgungsjagd am Rheinufer bei augenauf und dem Lokalfernsehen «Telebasel» gemeldet hätten.
Die genauen Umstände von Andy Bestmans Flucht und Tod sind nach wie vor unbekannt, obwohl der Fall in der Öffentlichkeit kurzzeitig für einiges Aufsehen sorgte. Den Aussagen der AugenzeugInnen zufolge hatten die Polizisten, die an der Verfolgung beteiligt waren, lange gezögert, bis sie Andy Bestman einen Rettungsring zuwarfen. Erst nach einer beträchtlichen Zeit sei auch das Polizeiboot aufgetaucht, um die Suche nach dem Vermissten aufzunehmen. Die Polizei hingegen behauptet, die Polizisten hätten alles richtig gemacht, aber Bestman habe die Rettungsringe nicht ergreifen wollen. Unklar ist auch, wie genau die Kontrolle ablief, die zu Andys Flucht führte. Zeugenaussagen legen die Vermutung nahe, dass es zu einer regelrechten Verfolgungsjagd gekommen sein muss, die den Flüchtenden in Panik versetzte.
Der Polizeisprecher plaudert munter über ein laufendes Verfahren Die Basler Polizei streitet nicht nur jegliches Mitverschulden am Tod des jungen Mannes ab, sondern die Staatsanwaltschaft macht sich auch über die Aufklärungsbemühungen von augenauf und den Freunden und Freundinnen Andy Bestmans lustig: In einem Artikel in der «Basler Zeitung» wird Markus Melzl, Sprecher der Basler Staatsanwaltschaft, mit der Aussage zitiert, die Gruppe augenauf hätte in ihrer mit einem Zeugenaufruf verbundenen Todesanzeige auch darauf hinweisen sollen, dass im Verdauungstrakt des Verstorbenen Drogenpäckchen gefunden worden seien.
Abgesehen davon, dass Melzl hier während eines laufenden Verfahrens ganz unbekümmert Details aus dem vertraulichen Obduktionsbericht ausplaudert, steht auch zu befürchten, dass es ihm dabei gar nicht in erster Linie um die Herabwürdigung der Arbeit von augenauf ging; der Hinweis auf die Drogenpäckchen hatte die Funktion, von der Tatsache abzulenken, dass hier ein Mensch möglicherweise aufgrund von unterlassener Hilfeleistung zu Tode gekommen ist. Mit dem doch sehr untypischen Nähkästchen-Geplauder aus einem laufenden Verfahren suggeriert Melzl, dass es um einen potenziellen Drogenhändler sowieso nicht schade
sei und es sich nicht lohne, darüber weitere Nachforschungen anzustellen.
Die LeserInnenbriefe, die nach Erscheinen dieses Artikels in der «Basler Zeitung» veröffentlicht wurden, zeigen, dass Melzl dieses Ziel bei vielen Leserinnen und Lesern erreicht hatte: Allenthalben herrschte Empörung darüber, dass von der Polizei überhaupt verlangt wird, einen Menschen vor dem Ertrinken zu retten, der unter dem Verdacht steht, Drogendealer zu sein. Die Vorverurteilung eines Verstorbenen in der Öffentlichkeit durch die Staatsanwaltschaft trug seltsame Früchte bis hin zur Meinung, es sei gerechtfertigt, dass man Andy Bestman habe ertrinken lassen.
Den toten Bruder entgegennehmen: Ja; Akteneinsicht: Nein
Zwar hatte die Basler Staatsanwaltschaft über den Vorfall eine Untersuchung eingeleitet; doch diese ist inzwischen wegen «Fehlens des Tatbestandes» wieder eingestellt worden. Im Einstellungsbeschluss wird der Hergang so geschildert, dass nur Minuten, nachdem Andy Bestman in den Rhein gesprungen war, schon zwei Boote gekommen sein sollen, welche nach ihm suchten. Auch hätten ihm die Beamten von Anfang an Rettungsringe zugeworfen, die Andy Bestman aber nicht benutzt habe. Die Staatsanwaltschaft beruft sich dabei auf «übereinstimmende Zeugenaussagen» - wahrscheinlich handelt es sich dabei um Aussagen der Polizisten selbst, denn die augenauf Basel vorliegenden Zeugenaussagen beschreiben, wie eingangs erwähnt, die Szene ganz anders.
augenauf Basel will den genauen Hergang des Todes von Andy Bestman aufklären. Im Auftrag von augenauf und bevollmächtigt durch Andys Bruder, hat die Anwältin Susanne Bertschi Rekurs gegen die Einstellung eingelegt und um Akteneinsicht ersucht. Dadurch könnte geklärt werden, auf welche Zeugenaussagen sich die Staatsanwaltschaft im Einstellungsbeschluss beruft. Das Gesuch um Akteneinsicht wurde von der Staatsanwaltschaft jedoch abgelehnt - es sei nicht sicher, dass es sich beim Vollmachtgeber wirklich um Bestmans Bruder handelt. Dies müsse erst bewiesen werden.
Was für eine Schikane: Nur kurz zuvor hatte die Staatsanwaltschaft Andys Leichnam freigegeben, damit er genau demselben Bruder zur Bestattung übergeben werden konnte, dessen Verwandtschaft sie jetzt selber anzweifelt.
Artikel von augenauf Basel, zuerst erschienen im :: augenauf-Bulletin Nr. 58; September 2008 (pdf), zu finden auf www.augenauf.ch