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[ 02. Mar 2009 ]

Bleiberechtsentwurf: Stellungnahme der Plattform der BürgerInneninitiativen

Sesselmeer am Ballhausplatz, 10. Oktober 2008

Offizielle Stellung- nahme der Plattform der BürgerInnen- initiativen vom 27. Februar 2009 zur Regierungsvorlage der Neuregelung des humanitären Aufenthalts in Österreich.

 

Altfälle
Es gibt gegenüber dem Erstentwurf einige wichtige Verbesserungen - Hauptpunkte: Verschiebung der Stichtagsregelung auf 1.5.2004, Patenschaften nur subsidiär, Beirat auf Bundesebene, Arbeitsgruppe Asylanträge. Demgegenüber hat das Innenministerium aber eine Reihe von sehr restriktiven Detailregelungen bzw. Verschärfungen gegenüber dem Erstentwurf eingearbeitet. Wenn es nicht gelingt, bei diesen Details noch Veränderungen bzw. Präzisierungen herbeizuführen gibt es am 1.4. zwar ein Gesetz, das aber nur für eine "Handvoll" wie es Caritas Direktor Landau bezeichnet eine positive Lösung bringt aber das Thema nicht vom Tisch, weil es viele Härtefälle geben wird.

Detailprobleme:

  • Es braucht einen Abschiebeschutz vom 1. Tag der Antragstellung! Eine Regelung, dass für die Dauer des Altfallverfahrens keine fremdenrechtlichen Schritte gesetzt werden einschließlich dem Gang zum Verwaltungsgerichtshof. Ansonsten wird der VwGH mit Anträgen auf aufschiebende Wirkung überschüttet! Derzeit werden während der Antrag auf humanitären Aufenthalt läuft Ausweisungen vorgenommen!!!
  • Das Kriterium der Selbsterhaltungsfähigkeit sollte mit einer Einstellzusage bzw. Aussicht auf selbständige Tätigkeit erfüllbar ist, sonst ist die Patenschaft zwar formell subsidiär, aber faktisch zwingend, weil ein Großteil der Betroffenen ihre Arbeitsbewilligungen mittlerweile bereits verloren haben bzw. keine Chance auf eine Arbeit hat, weil der Arbeitsmarktzugang fehlt!
  • Es braucht eine Regelung, wenn aus gesundheitlichen Gründen eine Arbeitsaufnahme nicht möglich ist, dann darf keine Patenschaft erforderlich sein. Es kann nicht nur Selbsterhalt im Vordergrund stehen, es muss auch andere humanitäre Gründe geben: Es gibt in OÖ einen Betroffenen, der ist seit 19 Jahren da, hat immer noch keine formelle Aufenthaltsbewilligung, ist aus psychischen Gründen nicht arbeitsfähig. Der bekäme ohne Patenschaft keine Aufenthaltsbewilligung!!
  • Jetzt kann eine Patenschaft Unterkunft, Unterhalt und Krankenversicherung ersetzen. Im Gesetz ist jetzt ziemlich eindeutig definiert , woran der Integrationsgrad zu messen ist. Wird der nicht ausreichend erfüllt, kommt auch keine Patenschaft in Frage. Beim Integrationsgrad werden auch die Deutschkenntnisse angeführt. Diese sollten nachholbar sein, denn es wird ohnehin nur die Aufenthaltserlaubnis beschränkt erteilt. Laut Gesetzesentwurf sind entsprechende Deutschkenntnisse, die ja über die Integrationsprüfung nachgewiesen werden, Voraussetzung für eine unbeschränkte Aufenthaltsbewilligung. AsylwerberInnen, die keine Arbeit bekommen konnten, konnten einfach Deutschkurse nicht finanzieren, weil nicht förderungsfähig und hatten auch keinen uneingeschränkten Arbeitsmarktzugang!!
  • Bei der Patenschaftserklärung ist nicht nur für Unterkunft, Unterhalt und Krankenversicherung zu haften sondern für alle Eventualitäten, die dem Staat entstehen könnten - z.B. Abschiebungskosten, Schubhaft etc. - das kann sich niemand leisten. Zudem wird man straffällig, wenn man eine Haftungserklärung abgegeben hat und wissen mußte, dass man sie nicht erfüllen kann, obwohl der Beirat zu prüfen hat, ob sie ausreichend ist.
  • Völlig neu eingefügt und eine wesentliche Verschärfung gegenüber dem Erstentwurf ist das Erfordernis, dass mindestens die Hälfte des bisherigen Aufenthalts rechtmäßig gewesen sein muss. Duldung durch die Fremdenbehörden, langjährige VwGH oder VfGH Verfahren ohne aufschiebende Wirkung und die Zeit der Prüfung bei den sogenannten Dublin Fällen gelten aber als unrechtmäßiger Aufenthalt! Es müßte sichergestellt werden, dass Verfahren bei VWGH oder VfGH ohne aufschiebende Wirkung sowie langjährige Duldung durch die Fremdenpolizei, die keine Ausweisungen vorgenommen hat bzw. die Zeit der Dublin Prüfung nicht als unrechtmäßiger Aufenthalt gewertet werden
  • Aufenthalts- und Rückkehrverbot ist nach wie vor absoluter Versagungsgrund (auch für Altfälle!!) unabhängig davon aus welchem Grund sie verhängt wurden. Das kann oft schon wegen rechtswidriger Einreise verhängt worden sein oder wegen zweier geringfügiger Verwaltungsstrafen! Es sollte auf jeden Fall präzisiert werden, dass es nach Verhältnismäßigkeit zu werten ist.
  • Instanzenzug: Lt. Entwurf ist Zustimmung des BMI nötig. Das wird zu enormem zusätzlichem Aufwand führen, da die Bezirksverwaltungsbehörde (Landesregierung) den Fall ohnehin mit Empfehlung vorbereiten muss. Wenn die positiv ist, muss trotzdem das BMI noch zustimmen und der Beirat zusammentreten - und das bei womöglich ein paar tausend Fällen!
  • Mit dem jetzigen Vorschlag gäbe es keine Berufungsinstanz sondern im Anschluss nur die Möglichkeit zum VwGH. - Was enorme Kosten verursacht, womöglich wieder jahrelange Verfahren bzw. wenn der Gang zum VwGH ohne aufschiebende Wirkung ist, die sofortige Abschiebung! Aufschiebende Wirkung müßte auf jeden Fall eingebaut werden.
  • Sinnvoll und schlank in der Verwaltung wäre 1. Instanz Bezirksverwaltungsbehörde (über Landesregierung), 2. Instanz BMI oder UVS mit Beirat!

Weitere wichtige Punkte zum Gesetzesentwurf generell:
  • Kriterien für humanitären Aufenthalt werden nicht gewichtet - die als negativ zu wertenden haben eine große Dominanz, daher wäre hier Präzisierung wichtig.
  • Nichtigkeitserklärung durch BMI ist unverhältnismäßig
  • Übergangsmöglichkeit von Aufenthaltsbewilligung beschränkt auf unbeschränkt wird nur für "besonders Schutzwürdige" (Opfer) vorgesehen - sollte für alle ermöglicht werden, wenn die Kriterien erfüllt sind!
  • Nicht fristgerechte Verlängerungsanträge wieder zu Erstanträgen zu machen ist eine unverhältnismäßige Härte. Die jetzige Regelung sollte auch aus verwaltungstechnischen Gründen beibehalten werden, denn in der Praxis ist es derzeit kein besonderes Problem eine Änderung würde auch den Verwaltungsaufwand beträchtlich erhöhen

Zu den Kriterien:
Unter humanitären Gesichtspunkten sind u.E. die Kriterien des §10 Abs.2 Z 2 a,g und h wesentlich geringer zu gewichten als die übrigen bzw. genauer zu definieren

aus dem Gesetzesentwurf:
  • a) "....ob der bisherige Aufenthalt ..rechtswidrig war : Faktisch alle AsylwerberInnen kommen "illegal" nach Österreich, da unsere Nachbarstaaten alles sichere Drittstaaten sind und die Zeit zwischen negativem Asylbescheid und Ausreise/Abschiebung darf den Betroffenen ebenfalls nicht als rechtswidriger Aufenthalt angelastet werden
  • g) "Verstöße gegen das Asyl- und Fremdenrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung" : welche Art, welches Ausmaß, welche Schwere des Vergehens wird herangezogen?
  • h) "Die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren": Der Aufenthaltsstatus eines/r Asylwerbers/in ist in jedem Zeitpunkt unsicher und jungen Leuten, die seit Jahren im Land sind zu untersagen, dass sie Kinder bekommen ist unmenschlich!

Zum Kriterium der strafgerichtlichen Unbescholtenheit:
Hier sollte - im Zusammenhang mit dem Kriterium g)" .. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung" sichergestellt werden, dass Verwaltungsstrafen weitgehend unerheblich sind und im Strafrechtsfall die Definition des § 60 Abs.1 Fremdenpolizeigesetz gilt.

Wir haben derzeit einen betroffenen Familienvater, dem im Ausweisungsverfahren vorgeworfen wird, er wäre zweimal straffällig! Es handelt sich um eine Verwaltungsstrafe von 20,-- Euro wegen Radfahrens ohne Licht und eine Radarstrafe von 36,-- Euro


Plattform der BürgerInneninitiativen für gut integrierte AsylwerberInnen zur Regierungsvorlage der Neuregelung des humanitären Aufenthalts, Linz, 27. Februar 2009

Quelle :: bleiberecht.at