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[ 10. Sep 2009 ]

Deutschland: Abschiebung aufgrund Dublin II gerichtlich gestoppt

Ein Iraker hatte in einem Eilantrag Einspruch gegen seine Abschieung nach Griechenland erhoben: In diesem Fall hätte er praktisch keine Möglichkeit mehr hatten, einen Asylantrag zu stellen.

 

Das von Bundesverfassungsgericht setzte die Abschiebung vorläufig aus und will nun die Praxis der systematischen Abschiebung von Asylbewerber_innen in einen EU-Drittstaat prüfen.

Die Abschiebung des Asylsuchenden wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angeordnet. Als Rechtsgrundlage wurde die sogenannte Dublin-II-Verordnung angeführt. Diese sieht vor, dass Flüchtlinge innerhalb der EU in den Staat abgeschoben werden können, über den sie in die Gemeinschaft einreisten. Allein im ersten Halbjahr 2009 wurden etwa 100 Asylsuchende von Deutschland nach Griechenland "überstellt". Diese Praxis geht davon aus, dass in allen Staaten der EU Rechtsschutz für Flüchtlinge besteht und sie einen Zugang zum Asylverfahren haben. Doch gerade aus Griechenland ist bekannt, dass es dort für viele Menschen nicht einmal möglich ist, einen Asylantrag einzubringen.

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hatte den geforderten Zugang zum Asylverfahren in Deutschland und die Aussetzung der Abschiebung mit Verweis auf das Asylverfahrensgesetz abgelehnt. In vorliegendem Fall sei die Aussetzung der "Dublin-II-Abschiebung" trotz vom Bundesverfassungsgericht 1996 festgelegten Ausnahmen ausgeschlossen, da diese hier nicht vorlägen. Smoit wurde die Beschwerde als "offensichtlich unbegründet" abgewiesen und die griechischen Behörden als zuständig für das Asylverfahren erklärt. Im Amtsdeutsch wird diese gesetzliche Handhabe als "Verbot des vorläufigen Rechtsschutzes bei Dublin-II-Abschiebungen" bezeichnet.

Der abgewiesene Antragsteller gab jedoch nicht und bestand auf seinen Rechtsschutz. Er reichte eine Verfassungsbeschwerde ein, in der er die Aufnahme eines Asylverfahrens in Deutschland und die die Aussetzung seiner Abschiebung nach Griechenland beantragte. Die Richter_innen in Karlsruhe setzten die Abschiebung per einstweiliger Anordnung vorläufig aus, da die Verfassungsbeschwerde weder offensichtlich unzulässig noch unbegründet sei.

Das höchste deutsche Gericht will nun anhand dieses Falls prüfen, ob und wann die Abschiebung eines Asylbewerbers in einen EU-Drittstaat ausgesetzt werden kann; gegebenenfalls seeien die "Ausnahmen vom Verbot des vorläufigen Rechtsschutzes bei Dublin-II-Abschiebungen" zu präzisieren. In der Begründung wird die Frage aufgeworden, ob "eine erhebliche Überlastung des Asylsystems eines EU-Drittstaates" zu berücksichtigen sei. Was dieser Bezug in der Folge bedeutet, bleibt abzuwarten. Allzu hohe Erwartungen auf eine grudsätzliche Änderungen sollten jedoch nicht gestellt werden, da ein Bezug auf die "Überlastung des Asylsystems" meist dazu dient, sich vor grundsätzlichen Fragen von persönlichen und Menschenrechten zu drücken. Jedoch bleibt zu hoffen, dass es zumindest in disem Fall zu einer Lösung im Sinne des Antragstellers kommen wird - und dies in der Folge mehreren Menschen zumindest einen formalen Zugang zu Rechtschutz bietet.


Pro Asyl Presseerklärung, 09.09.2009


Bundesverfassungsgericht stoppt erstmalig Abschiebung nach Griechenland

Mangelnder Rechtsschutz auf dem Prüfstein

PRO ASYL begrüßt Hinweis auf den Grundsatz der europäischen Solidarität

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Eilantrag eines irakischen Flüchtlings stattgegeben und erstmalig eine Abschiebung nach Griechenland gestoppt. PRO ASYL begrüßt diesen Beschluss. Der betroffene Flüchtling ist damit vorerst vor der drohenden Rechtlosigkeit und Obdachlosigkeit in Griechenland geschützt.

Nachdem bereits über 70 deutsche Verwaltungsgerichte aufgrund der eklatanten Missstände im griechischen Asylsystem Überstellungen nach Griechenland gestoppt haben, eröffnet der aktuelle Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes die Möglichkeit, dass im Hauptverfahren endlich der Ausschluss des vorläufigen Rechtsschutzes bei drohenden Abschiebungen im Dublinverfahren auf den Prüfstand kommt. Bemerkenswert ist auch, dass das Bundesverfassungsgericht dem "europarechtliche(n) Grundsatz der Solidarität ... bei einer erheblichen Überlastung des Asylsystems eines Mitgliedstaates" große Bedeutung beimisst.

gez. Karl Kopp, Europareferent von PRO ASYL

Hinweis:

Die Presseerklärung und den Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichtes finden Sie auf der :: Homepage des Bundesverfassungsgerichtes unter der Rubrik "Presseerklärungen"

Dokumente zur Situaton von Flüchtlingen in Griechenland finden Sie auf unserer :: Homepage