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[ 20. Jan 2011 ]

Abschiebung per Sammelcharter - Informationen aus Wien

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46 Personen wurden in der Nacht von 19. auf den 20. Jänner bei einer Frontex-Sammel- abschiebung nach Nigeria abgeschoben. - Protestaktionen und Polizeikessel.

 

Laut Innenministerium waren 11 EU-Staaten an der Aktion beteiligt, zwölf Menschen wurden aus Österreich abgeschoben, sagt BMI-Sprecher Rudolf Gollia. Der Flieger "sammelte" an mehreren Flughäfen die abzuschiebenden Personen ein, bevor er von Wien mit Zwischenstopp in Malta nach Lagos, Nigeria flog.

Der Charterflug hob um 1:00 in der Nacht vom Flughafen Wien Schwechat ab. Die zuvor in Wien in Schubhaft gefangenen Personen wurden bereits um 15:00 Uhr abgeholt. Die Rechtberaterin betreut zwei Spieler des FC Sans Papiers, die sich unter den Abgeschobenen befanden.

Durch das Vorgehen der Polizei konnten ihre Klienten den für diesen Tag anberaunten Rechtsberatungs-Termin nicht wahrnehmen, um einen Antrag auf humanitären Aufenthalt zu stellen. Wollte die Polizei dadurch verhindern, dass es im Zuge einer ausgerufenen Spontandemonstration wieder zu Blockaden kommt, wie bei der versuchten Abschiebung eines Spielers des :: FC Sans Papiers am 29. April 2010?


Menschenhandelsopfer, Brandanschlagsopfer, Fußballspieler


Mit an Bord der Sammelabschiebung waren auch jene Personen, deren Schicksale in den letzten Tagen über zahlreiche Berichte in Medien bekannt wurden:

Zum Beispiel wurde eine von Menschenhändler_innen in Österreich zu nicht freiwilliger Sexarbeit gezwungene 27-jährige Frau nach Nigeria abgeschoben. Sie hatte es nach Jahren der Ausbeutung und Peinigung gewagt, sich allen Drohungen zum Trotz hilfesuchend an die Polizei zu wenden. Die Behörden reagierten prompt - und schoben die Frau nach Nigeria ab. Ein Verfahren über humanitäres Bleiberecht bei der zuständigen Magistratsabteilung 35 ist im Laufen. Das Ergebnis wird die Frau nicht mehr erfahren, womöglich nicht mehr erleben. Die Fremdenpolizei wartete auf keine Entscheidung, die Frau flog in der Nacht auf den 20. Jänner einer ungewissen Zukunft entgegen und hat aufgrund der vor den österreichischen Behörden getätigten Aussagen das Schlimmste zu befürchten. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Behörden offiziell vorgeben, gegen Zwangsarbeit vorzugehen und Opfern von Menschenhandel Opferschutz gewähren. Doch wie dieses Beispiel einmal mehr zeigt, dient der politische Diskurs über Menschen- bzw. Frauenhandel vor allem der weiteren Entrechtung von Migrant_innen.

Ein Mittelfeldspieler und ein Stürmer des FC Sans Papiers, Tshika und Carlos, konnten sich am Mittwoch gerade noch telefonisch von Di-Tutu Bukasa, dem Obmann des Fußballklubs, verabschieden, als sie nach fast zehn Jahren Aufenthalt in Österreich Hals über Kopf zum Abschiebeflieger nach Nigeria gebracht wurden. Mittwoch wollte der Verein Purple Sheep Anträge auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung stellen. Kurz davor wurden die beiden in Schubhaft genommen. Der Antrag wurde von Purple Sheep in deren Abwesenheit dennoch gestellt. Auswirkung hat er keine mehr. Beide wurden nach Nigeria geflogen.

In einer Wohnung des Vereins Ute Bock im Meidlinger Kabelwerk konnte sich ein Mann im letzten Moment durch einen Sprung aus dem Fenster der polizeilichen Inschubhaftnahme entziehen. Er liegt nun mit Wirbelsäulenverletzungen im Krankenhaus. Die Fremdenpolizei ging aber nicht mit leeren Händen wieder fort, sondern nahm seinen Freund mit. Der wurde in der Nacht auf den 20. Jänner abgeschoben. Beide hatten österreichischen Rassismus schon einmal hautnah erleben dürfen, als 2008 das Flüchtlingsheim in Klagenfurt/Celovec, in dem sie wohnten, in Brand gesteckt worden war. Damals konnten sich beide durch einen Sprung aus dem Fenster retten, berichtete Bernhard Jenny. An den Folgen litten beide immer noch. Nun musste einer von ihnen nach Nigeria.


Spontandemonstration gegen Abschiebungen - von Polizei eingekesselt


Gegen diese und überhaupt alle Abschiebungen wurde Mittwoch am Abend nach mehreren über Twitter und ähnliche Kanäle kursierten Aufrufen in Wien demonstriert. Nur zirka 65 Personen waren gekommen. Als sie sich nach einer Kundgebung vor dem Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände auf die Fahrbahn begaben, erklärte die Polizei die Versammlung für aufgelöst, weil sie den Verkehr behindere. Nach weiteren zehn Minuten wurde die Demonstration Ecke Hörlgasse/Liechtensteinstraße eingekesselt. Mehr als eine Stunde dauerte es, bis die Polizei die Personalien aller Beteiligten und zufällig in den Kessel geratener Passant_innen aufgenommen hatte. Dazu wurden beide Straßen von der Polizei für den gesamten Verkehr gesperrt. Festgenommen wurde keine_r.

Quellen :: nochrichten.net, 20. Jan 2011, derstandard.at, 20. Jan 2010 u.a.