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[ 29. Jul 2005 ]

charter.deportation.class

Aktion am Flughafen Wien-Schwechat, 6. April 2000.

Nachdem Deportationen mittels Linienflugzeugen in den letzten Jahren immer wieder thematisiert und in einzelnen Fällen verhindert wurden, haben die EU-Staaten nun begonnen, ihre Deportationen "effizienter" zu gestalten. In Zukunft sollen mehr und mehr Leute mittels gemeinsamer Charterflugzeuge außer Landes geschafft werden.

 

Am 26. Juli 2005 startete die EU Charterabschiebungen mit den sogenannten :: "Asylum Airways". Dabei handelt es sich um Charterabschiebungen, bei denen die Maschinen Leute aus verschiedenen ländern der EU zusammensammeln und dann gemeinsam in das Zielland (bzw. die Zielländer) transportieren. Begleitet werden diese Flüge von einem großen Polizeiaufgebot und einem Arzt.

In Zukunft soll es zu mehreren dieser Abschiebungen kommen, die derzeit von den G5, den fünf größten EU-Staaten Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und England durchgeführt werden. Im Jänner 2004 wurde für die gemeinsame Koordination von Deportationen mit Chartermaschinen ein Budget von 30 Millionen Euro beschlossen.

Die Chartermaschine, mit der die Sammeldeportation am 26. Juli 2005 durchgeführt wurde, stellte die Fluglinie Blue Line zur Verfügung. Diese Firma hat ihren Sitz in Frankreich, aber auch einige aussenstellen in Deutschland.

Protestschreiben können u.a. an die Marketingabteilung in Deutschland geschickt werden:
Commercial - Airline development - Marketing
German Desk
Wolf Jaura
+49 172 867 6702
w.jaura (at) flyblueline.com

Die Blue Line ist jedoch nicht das einzige Unternehmen, das Charterdeportationen durchführt. Die Behörden versuchen mehr und mehr die von jeder Öffentlichkeit ausgeschlossenen Charterabschiebungen zu etablieren, also kleine oder auch größere Flugzeuge zu mieten, in denen dann nur die Abzuschiebenden, PolizistInnen und meist ein Arzt mitfliegen (und in Österreich "unabhängige" MenschenrechtsbeobachterInnen).

Dass es überlegungen zu einer neuen Form von Abschiebungen gibt, hat wohl auch mit den Entwicklungen der letzten Jahre zu tun. Immer wieder kam es zu :: "Zwischenfällen" im Zuge von Zwangsdeportationen, bei denen Leute unter den Augen zahlreicher ZeugInnen :: getötet wurden.

Mehrere Deportationen mit Linienflugzeugen konnten :: erfolgreich verhindert werden und verschiedene :: deportation.class Kampagnen kratzten erfolgreich am :: Image der Fluglinien. Bei Abschiebungen mit Linienflügen ist außerdem die Möglichkeit des Aufsehens und der :: Solidarisierung von PassagierInnen gegeben. Die Öffentlichkeit wurde in den letzten Jahren mittels diverser Aktionen sensibilisiert, weshalb es immer wieder zu Ärger und Skandalen kam.

Mit der Neuausrichtung von Deportationen entsteht auch ein neuer Geschäftszweig, den die EuropäischeKommission bis 2006 mit 30 Millionen Euro finanzieren will. Dies wurde bei einem :: Treffen der EU-InnenministerInnen in Irland im Jänner 2004 festgelegt, bei dem auch massive Einschnitte im Asylrecht auf EU-Ebene beschlossen wurden.


Geschäfte mit Charterdeportationen


Verschiedene Fluglinien haben erkannt, dass mit Deportationen gute Geschäfte gemacht werden können und vermieten ihre Flieger an die abschiebenden Behörden.

So ist z.B. die Fluggesellschaft :: Aero Flight GmbH & Co KG überwiegend im Charterbereich tätig. Der Hauptsitz befindet sich in Oberursel bei Frankfurt am Main. Das Unternehmen hat am 13. September 2004 eine :: europaweit koordinierte Sammelabschiebung von 40 Flüchtlingen durchgeführt, an der sich Behörden aus Deutschland, Belgiens und der :: Schweiz beteiligten. für die Deportation nach Coutounou (Benin) und nach Togo bezahlte die Hamburger Innenbehörde Aero Flight sage und schreibe 140.000 Euro! Als Zubringerflugzeug war weiters eine Maschine der schweizerischen Lions Air beteiligt.

Es ist zu befürchten, dass sich Aeroflight in Zukunft verstärkt den Sammelabschiebungen widmet und versucht, sich mit "maßgeschneiderten Flügen" Anteile im AbschiebeGeschäft zu sichern. Zumal schon mit dem Flug vom 13. September 2004 auch Abzuschiebende aus der Schweiz und aus Belgien transportiert wurden und die EU-Behörden sich die logistische Weiterentwicklung von Abschiebechartern auf europäischer Ebene einiges kosten lassen.

Die Hamburger Behörden betonten damals nicht zufällig, dass sich einige der Abgeschobenen zuvor bis zu vier mal ihrer Abschiebung per Linienflug erfolgreich widersetzt hatten. Charterabschiebungen dienen vor allem auch dazu, den Widerstand der Flüchtlinge und MigrantInnen zu brechen.

:: Tarom, eine rumänische Airline, war vor einigen Jahren das bekannteste Beispiel für Charterabschiebungen in die Türkei. Doch schon nach einigen Aktionen und Protesten der Deportation-Class-Kampagne hat Tarom diese :: Abschiebecharter eingestellt.

Mittlerweile ist LTU, vielen Leuten in Europa bekannt von Flügen in den Urlaub, in die Bresche gesprungen und trotz einiger Proteste bis heute im Abschiebechartergeschäft aktiv. Begründet wird dies damit, dass Gewinne aus Abschiebungen Arbeitsplätze sichern würden! Mit Fliegern der LTU wird vor allem nach Istanbul und Belgrad abgeschoben. Weitere Informationen zu den Charterabschiebungen von LTU und Protesten dagegen finden sich auf der Kampagnenseite :: deportation-airlines.tk.

Es gibt auch zahlreiche kleine, zum Teil sogar auf Abschiebungen spezialisierte Charterfluggesellschaften, wie die Firma Silverbird in Bremen. Sie bietet auch "KleincharterRückführungen" in den Kongo an und ist offensichtlich im Stande, entsprechende Verbote des kongolesischen aussenministeriums zu umgehen.

In Österreich werden drei bis vier Mal jährlich sogenannte "Problemabschiebungen" mit gecharterten Flugzeugen des Internationalen Flugrettungsdienstes Austria (IFRA) unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt. Dabei werden Leute abgeschoben, bei denen Widerstand zu erwarten ist - oder bereits eine Abschiebung abgebrochen werden musste. Begleitet werden diese Flüge in der Regel von PolizistInnen, einem Arzt und einem Menschenrechtsbeobachter (siehe dazu :: Informationen zur Abschiebung von Anthony O. nach Nigeria und die :: Parlamentarische Anfragebeantwortung vom Feb. 2001). Erst vor wenigen Wochen fand eine derartige Deportation von vier Personen aus Österreich nach Nigeria statt, deren Kosten sich auf ca. EUR 45.000,- beliefen.


Abschiebegeschäft stören!


Auch Charterabschiebungen finden nicht ohne Proteste statt. So wurde schon im Vorfeld der :: Charterabschiebung vom 26. Mai 2004 in Hamburg :: gegen die Abschiebung nach Togo protestiert. Bekannt wurden die Abschiebepläne, nachdem einige Leute Abschiebebescheide erhalten hatten, während die Hamburger AusländerInnenbehörde behauptete, nichts von einem Abschiebecharterflug in die :: Militärdiktatur Togo zu wissen.

Am 29. Juni 2004 besetzten Mitglieder der antirassistischen Initiative :: "LTU - deportation class" die Geschäftsräume des LTU-Reisebüros auf der Tonhallenstr. 16 in Düsseldorf. Ungeachtet der Proteste von antirassistischen Gruppen erweitert LTU das schmutzige Geschäft mit den Abschiebungen: Neben monatlichen Charterabschiebungen nach Istanbul begann die LTU Anfang 2004 mit Sammelabschiebungen von Düsseldorf nach Belgrad, die alle zwei Wochen Dienstags stattfanden. Auch aus Hamburg wird mit LTU-Maschinen abgeschoben.

Am 14. September 2004 kam es anlässlich einer europaweit koordinierte Sammeldeportation (der BRD, der Schweiz und Belgiens) nach Benin, Burkina Faso und Togo zu :: Protesten am Flughafen in Hamburg.

Der Widerstand gegen diese Form der Deportation ist aber noch relativ schwach und es ist auch schwierig, gegen die meist geheim stattfindenden Abschiebungen wirkungsvoll vorzugehen. Deshalb verfassten der :: Flüchtlingsrat Hamburg und die :: Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen einen Aufruf gegen EU-Charterdeportationen. Über verstärkte Thematisierung soll die Wichtigkeit des Protests gegen die gemeinsamen Deportationspraxis aufgezeigt werden - in der Hoffnung, dass sich wirkungsvoller Widerstand entwickelt.

Vor diesem Hintergrund bekam die Zentrale von :: Aeroflight in Oberursel, Deutschland, anlässlich des :: europaweiten Aktionstages für Bewegungsfreiheit und Bleiberecht und die Schließung aller Abschiebezentren ungebetenen Besuch. Am 1. April 2005 wurden im Rahmen einer Demonstration die Silberfassade und den Eingangsbereich mit Dutzenden von roten Farbbeuteln verziert und Aeroflight aufgefordert, ihre Beteiligung am Abschiebegeschäft einzustellen.

Zu einer weiteren Demonstration in Oberursel kam es am 13. Juni 2005. Diese Demonstration fand u.a. wegen des Prozessbeginns gegen Libertad! statt, die auf grund von einer :: Online-Demonstration gegen Lufthansa im Jahr 2001 angeklagt wurden. Das Amtsgericht Frankfurt verurteilte im ersten Prozess wegen einer Online-Demo in Deutschland am 1. Juli 2005 einen der InitiatorInnen zur Zahlung einer Geldstrafe von 900 Euro. Gegen das Urteil wurden Rechtsmittel eingelegt.

Mittlerweile haben sich Kampagnen gegen verschiedene Charterunternehmen wie :: Aero Flight und :: LTU gebildet. Einige Fluggesellschaften wie z.B. Tarom (Rumänien) oder die Swissair (Schweiz) konnten mit erfolgreichen Kampagnen bewegt werden, ihr Engagement im AbschiebeGeschäft - zumindest vorübergehend - einzustellen.

Auch gegen die :: Charterdeportation am 26. Juli 2005 kam es zu Protesten. Am 25. Juli fand eine :: Kundgebung in Paris statt. Eine Reihe von Organisationen unterzeichnete einen :: Protestbrief an den derzeitigen EU-Präsidenten Tony Blair. Auch :: amnesty international kritisierte die Charterdeportation.


Deportationen sind ein Verbrechen!


Wie wichtig Widerstand ist, wird angesichts der nun durchgeführten Sammeldeportation im Rahmen der "Asylum Airways" deutlich. Wie schon in den letzten Jahren mit Kampagnen gegen Abschiebungen mit Linienflugzeuge vorgegangen wurde, werden in Zukunft auch die Charterunternehmen kritisiert werden, um sie zum Ausstieg aus dem Abschiebegeschäft zu bewegen.

Denn: "Deportations are a crime" - Abschiebungen sind ein Verbrechen! So formulierten es Flüchtlinge und MigrantInnen schon lange und zu recht. Der Widerstand gegen Deportationen muss weitergehen und weiterentwickelt werden. Wenngleich die Proteste in den letzten Jahren nur in Einzelfällen erfolgreich waren, sind es genau diese Einzelfälle, an die es anzuknüpfen gilt. In diesem Sinne: Streuen wir weiter Sand in die Abschiebemaschinerie - No Deportations!