Übersicht über die wichtigsten Änderungen der geplanten Novellierung: Information zu den neuen Gefahren und Diskriminierungen.
Aufenthaltsverbot wegen Verwaltungsübertretungen
Bisher konnte laut § 60 Fremdenpolizeigesetz ein Aufenthaltsverbot
erlassen werden, wenn eine Verwaltungsübertretung mehr als einmal
begangen wurde oder schwerwiegend war. Mit der neuen Regelung können nun auch normale Verwaltungsübertretungen, die nur einmal begangen werden, zu einem Aufenthaltsverbot führen. Auch hier hat eine Abwägung gegenüber anderen Rechtsgütern (insb. Recht auf Privat- und Familienleben gem. Art. 8 EMRK) zu erfolgen. In der Praxis gefährlich werden kann es bei Übertretungen der Straßenverkehrsordnung in Verbindung mit dem Führerscheingesetz (gefährliches Verhalten im Straßenverkehr), bei Prostitution sowie bei einmaligen Übertretungen des Fremdenpolizeigesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsrechts sowie bei einem einfachen Verstoß gegen das Meldegesetz (§ 53 FPG der Regierungsvorlage).
Keine aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen die
Rückkehrentscheidung
Bisher hatte die Berufung gegen den Entzug der Ausweisung aufschiebende Wirkung, dh. die Person konnte im Land bleiben, während das Verfahren in der zweiten Instanz bzw. danach noch beim Verwaltungs- und/oder Verfassungsgerichtshof gelaufen ist. Nun wird statt der Ausweisung für jene Drittstaatsangehörigen, die sich nicht (mehr) rechtmäßig in Österreich aufhalten (z. B. weil die Frist für die Verlängerung des Aufenthaltstitels versäumt wurde), die sogenannte Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot eingeführt. Die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung kann aberkannt werden, wenn
1. die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung oder
Sicherheit erforderlich ist;
2. der_die Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider nach
Österreich zurückgekehrt ist oder
3. die Gefahr des Untertauchens besteht.
Derzeit wird in der Praxis die häufige Verhängung der Schubhaft v.a. mit der Gefahr des Untertauchens begründet. Es ist zu erwarten, dass auch die aufschiebende Wirkung oft aberkannt werden wird, weil die Behörde eine Gefahr des Untertauchens als gegeben annimmt.
18 Monate Einreiseverbot
Die neue Rückkehrentscheidung (teilweise neu statt Ausweisung, betrifft Menschen, die nicht (mehr) legal in Österreich aufhältig sind, z. B. wegen Versäumen der Frist für den Verlängerungsantrag) bringt ein mindestens 18 Monate dauerndes Einreiseverbot mit sich. (Früher konnte mensch der Ausweisung durch Ausreise und baldige Wiedereinreise genüge tun). Das neue Einreiseverbot wird Familien auseinanderreissen, z.B. wenn ein Teil eingebürgert ist und ein anderer Teil nicht.
Deutsch vor Zuzug: Schikane beim Familiennachzug
Der Nachzug von Familienangehörigen wird extrem erschwert: Verlangt wird das Niveau A1 bei Erstantragstellung, dh meist vor der Einreise, sofern die Erstantragsstellung nicht ausnahmsweise im Inland erfolgen kann. A1 entspricht durchschnittlich 100 Stunden Deutschkurs. Ausgenommen sind nur Angehörige von Spitzenverdiener_innen.
Verkürzung der Sprachlernfrist
Wer neu nach Österreich zuwandert, muss die Integrationsvereinbarung
unterzeichnen. Früher ließ die Integrationsvereinbarung 5 Jahre Zeit, um das Sprach-Niveau A2 zu erreichen. Nun soll diese (Lern)Zeit auf 2 Jahre verkürzt werden. Das betrifft insbesondere Familienangehörige. Wenn die Prüfung nicht innerhalb der 2 Jahre bestanden wird, wird im Verlängerungsverfahren ein weiterer Aufenthaltstitel nicht erteilt, was dann zur Ausweisung führt.
(Ausgenommen sind Höchstqualifizierten und ihre Angehörigen (Blue
Card-Inhaber_innen; in der Praxis werden das Forscher_innen und höhere Manager_innen sein) und bei anderen Angehörigen von Qualifizierten, wenn sie Unireife (= Matura) nachweisen).
Unbefristeter Aufenthalt nur mit B1-Sprachkenntnis
Unbefristete Aufenthaltstitel sind ab Inkrafttreten der Novelle deutlich schwieriger (für Lernungewohnte wohl kaum mehr) zu bekommen, weil Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1 verlangt werden. Dafür sind je nach Vorkenntnissen durchschnittlich 600 Stunden Deutschkurs erforderlich.
Für Menschen, die das Lernen nicht mehr gewohnt sind, ist die B1-Prüfung (knapp unter Maturaniveau) normalerweise nicht zu schaffen. Das wird dazu führen, dass wesentlich mehr Menschen auf ewig im Stadium des befristeten Aufenthalts verharren und ihren Aufenthaltstitel regelmäßig verlängern müssen. Diese Verlängerung kann jeweils für ein Jahr beantragt werden und kostet derzeit 110.- EUR. Wer das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (Sprachprüfung auf Niveau A2) absolviert hat, braucht nur alle 3 Jahre um Verlängerung ansuchen. Die bedarfsorientierte Mindestsicherung gibt es nur für Personen mit langfristiger Niederlassung. Die Schwelle in das soziale Netz wird somit erhöht.
Österreichische Staatsbürgerschaft: Einbürgerung fast unmöglich
Österreichische Staatsbürgerschaft ist für nicht-lerngewohnte Personen praktisch nicht mehr zu bekommen, weil Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1 (knapp unter Maturaniveau) verlangt werden. (B1 = je nach Lerngewohnheit durchschnittlich 600 Kursstunden; im Vergleich zu
durchschnittlich 300 Kursstunden für A2, die bisher verlangt wurden).
Die Deutschprüfung für die Staatsbürgerschaft wird somit doppelt so schwer wie bisher. Dies bringt erhebliche Mehrkosten und mehr Zeitaufwand mit sich und benachteiligt besonders die faktisch mehrfachbelasteten Frauen.
Sprach-Zeugnisse nicht älter als ein Jahr
Zeugnisse zum Nachweis der Sprachkenntnis dürfen bei Antragstellung nicht älter als ein Jahr sein, sind daher gegebenenfalls zu erneuern, was wiederum Kursbesuchsaufwand, Lernzeit, Prüfungsstress und Kurskosten verursacht.
Nur in Ausnahmefällen Kostenersatz für Deutschkurse
Die Kosten werden nur für das erste Modul (Deutsch auf A2 Niveau) nur zum Teil (50 %, per Verordnung gedeckelt) rückerstattet und nur dann, wenn Kurs UND Prüfung im ersten Jahr absolviert und bestanden werden (obwohl die Frist für das erste Modul 2 Jahre beträgt). Für die weiterführenden B1-Kurse, die für längeren Aufenthalt erforderlich sind, und auch für die A1-Kurse gibt es keinen Kostenersatz.
Fazit: Welche Gruppen von 'Drittstaatsangehörigen' haben durch die Novelle die meisten Nachteile zu befürchten:
- Menschen, die Sprachkurse 'besuchen' und zahlen müssen und weder den Zeitaufwand noch die Kurskosten rückerstattet bekommen (betrifft
praktisch alle, egal ob A1 Deutsch vor Erstantrag, A2 nach Zuzug und B1 bei Antrag auf unbefristeten Aufenthaltstitel oder Staatsbürgerschaft).
- Menschen, die das Lernen nicht mehr gewohnt sind und daher die B1-Sprachprüfung (knapp unter Maturaniveau) wahrscheinlich nicht bestehen können, haben entsprechend wenig Chance auf Daueraufenthalt in Österreich. Damit ist ihnen der Zugang zu wesentlichen Sozialleistungen (neue Mindestsicherung) verwehrt.
- Menschen, denen aus bestimmten Gründen der Führerschein entzogen wird (z. B. wegen Übertretung der Höchstgeschwindigkeit, Alkohol am Steuer) oder die eine ähnlich markante Verkehrsstrafe bekommen (z. B. Fahren trotz entzogenem Führerschein)
- Menschen, die das Fremdenpolizeigesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht oder Meldegesetz übertreten (z. B. sich 4 Tage ohne Meldung irgendwo aufhalten, die Gebietsbeschränkung missachten).
Die Erläuterungen zu den verschiedenen Sprachkenntnis-Niveaus (A1, A2, B1, B2, C1, C2) sind nachzulesen auf
http://europass.cedefop.europa.eu/LanguageSelfAssessmentGrid/de
Flugblatt von ENARA, Zollergasse 15, 1070 Wien, http://www.enara.at