Am 7. November 2012 kündigte die vorstitzende Richterin Claudia Methling ein baldiges Ende des Revisions- verfahrens vor dem Magdeburger Landgericht an.
Sie wies die Prozessbeteiligten darauf hin, dass am nächsten Verhandlungstag (Dienstag, 13. November 2012) zum letzten Mal Beweisanträge gestellt werden können, bevor die Kammer das Verfahren nach knapp 2 Jahren im Dezember 2012 zum Abschluss bringen wird. Nach wie vor beharren Gericht, Staatsanwalt und Verteidigung auf der fragwürdigen These, Oury Jalloh habe sich selbst angezündet.
Dabei haben gerade in den letzten Verhandlungstagen die Indizien, die für eine Ermordung von Oury Jalloh durch Dessauer Polizeibeamte sprechen, zugenommen. Alles deutet darauf hin, dass das Feuerzeug am 7. Januar 2005 gar nicht in der Zelle war und nachträglich in den Brandschutt gelegt wurde. Außerdem verdichten sich die Anhaltspunkte hinsichtlich der Verwendung eines Brandbeschleunigers:
- Im Juni 2012 wird das Feuerzeug untersucht, welches sich angeblich im Brandschutt befunden haben soll. Das Feuerzeug enthält keine DNA und keine Faserreste von Oury Jalloh oder der Matratze, auf der er verbrannt ist. Allerdings wurden Faserreste unbekannter Herkunft gefunden, die mit dem Feuerzeug verschmolzen sind. Das Gericht weigert sich, diese Spuren untersuchen zu lassen. Einen entsprechenden Antrag der Nebenklagevertretung (Anwälte der Familie Jalloh) lehnte die Kammer ab.
- Die Todesursache von Oury Jalloh ist immer noch absolut ungeklärt. Bisher hatte der medizinische Gutachter einen "inhalativen Hitzeschock" vermutet, an dem Oury angeblich gestorben sein soll. Der beisitzende Richter Caspari hatte aber kürzlich selbst feststellen müssen, dass die Lage des Leichnams dieser Behauptung eindeutig widerspricht. Wenn Oury Jalloh aber nicht in wenigen Sekunden nach Ausbruch des Feuers an einem tödlich heissen Atemzug gestorben ist, müsste er langsam und sehr schmerzvoll verbrannt sein. Dagegen spricht, dass kein Zeuge von Todesschreien berichtet hat. Warum war Oury Jallohs Nase gebrochen?
- Ein Feuerzeugrest war drei Tage später in einem Brandschuttbeutel aufgetaucht. Der eingetütete Brandschutt soll sich, den Aussagen der zuständigen Tatortgruppe zufolge, unter dem Körper von Oury Jalloh befunden haben. Am letzten Verhandlungstag wurde dieser Brandschutt erneut begutachtet. Er besteht hauptsächlich aus relativ gut erhaltenen Matratzenteilen und ist ohne Umstände leicht zu überblicken. Daher ist es für die Nebenklagevertretung nur schwer vorstellbar, dass dieser Feuerzeugrest, zwischen den grossen, teils gut erhaltenen Matratzenteilen nicht direkt entdeckt worden ist.
Ein Video zur Dokumentation der Tatortarbeit bricht ab, bevor der Leichnam von Oury vom Podest gehoben wird. An dieser Stelle hätte man sehen können, was tatsächlich unter seinem Körper gelegen hat. Der für die Aufzeichnung zuständige Beamte erklärte dem Gericht, das Video wäre abgebrochen, weil es einen Stromausfall gegeben hätte. Er hätte die Kamera aufgrund eines leeren Akkus aufladen wollen und dann vergessen, sie wieder einzuschalten. Kein anderer Zeuge konnte diesen Stromausfall jedoch bestätigen.
- Der Polizeizeuge Möbes hatte im April 2011 vor dem Magedeburger Landgericht ausgesagt, dass er, nachdem er die Zellentür geöffnet hatte, sehen konnte wie Oury Jalloh auf der Matratze liegend verbrannte. Er beschrieb eine 20-30 Zentimeter hohe, großflächige Flamme, die unten ganz blau war und oben ins rötliche überging. Auf mehrmaliges Nachfragen der Nebenklagevertretung hin, räumte der anwesende Brandsachverständige Portz ein, dass u.a. Brandbeschleuniger eine blaue Flammenfarbe erzeugen. Als möglicher Brandbeschleuniger könnte reiner Alkohol in Frage kommen. Dieser befand sich leicht zugänglich in Form von Desinfektionsmitteln im Arztzimmer des Gewarsamstraktes.
Es ist unübersehbar, dass das Magdeburger Landgericht nicht gewillt ist, die Todesursache von Oury Jalloh aufzuklären. Stattdessen beschäftigen sich die Richter ausschließlich mit der Frage, ob der angeklagte Dienstgruppenleiter Andreas Schubert als "idealer Beamter" in der Lage gewesen wäre, Oury Jalloh das Leben retten zu können.
Solange nicht bewiesen ist, wie Oury Jalloh gestorben ist, ist die Frage nach der Schuldigkeit des Angeklagten jedoch gar nicht zu klären. Der Einsatz von Brandbeschleunigern würde einen ganz anderen Brandverlauf bewirken, als der, der bisher in den Gutachten unterstellt worden war. Demnach würden sich die Zeiten, die Schubert eine Rettung möglich oder unmöglich gemacht hätten, gravierend ändern. Deshalb darf sich das Gericht nicht auf den bisherigen Versuchsergebnissen ausruhen.
In Magdeburg zeigt sich nur einmal mehr, dass die Justiz in Sachsen -Anhalt bewusst eine Aufklärung verschleiert. Dies ist nicht verwunderlich, denn seit Jahren wird in Sachsen-Anhalt gelogen und vertuscht und dass nicht nur, wenn es um den Tod von Oury Jalloh geht.
Dessauer Polizisten haben Oury Jalloh ermordet, aber Polizeiführung, Innenministerium, Staatsanwaltschaft und Gerichte deckeln diese Tat. Hier wird deutlich, in welch pervertierter Form staatliche Institutionen die rassistisch motivierten Handlungsweisen der Polizisten legitimieren, die auch vor Mord nicht zurückschrecken.
Es reicht! Das, was wir im Revisionsverfahren erleben müssen, gleicht dem Desaster der ersten Verhandlung in Dessau. Staatsanwalt und Gericht dürfen nicht ein zweites Mal über all die Ungereimtheiten des 7. Januars 2005 hinweggehen!
Kämpfen wir gemeinsam auf der Straße und vor Gericht! Fordern wir vom Staatsanwalt die Mordanklage! Schauen wir nicht ruhig zu, wie sie uns ein zweites Mal verarschen wollen!
Oury Jalloh - Das war Mord!
Für OURY JALLOH: Demonstration vor dem Landgericht in Magdeburg
Dienstag 13. November 2012
vor dem Landgericht in Magdeburg
Prozesstermin 9:30 Uhr - Saal A23
Seit Januar 2011 werden die Todesumstände von Oury Jalloh vor dem Magdeburger Landgericht im Revisionsverfahren erneut verhandelt. Doch die ständigen Prozessbeobachter_innen der "Initiative in Gedenken an Oury Jalloh e.V." sehen, wie sich im Gerichtssaal Staat, Justiz und Polizeibeamt_innen gegenseitig Deckung geben.
Die Kammer des Magdeburger Landgerichtes will den "Prozess" im Todesfall Oury Jalloh erneut beenden, ohne dass die Todesumstände überhaupt Thema der gerichtlichen Ermittlungen gewesen wären. Am Dienstag den 13.11.2012 soll es die letzte Möglichkeit geben Beweisanträge zu stellen - zuletzt wurden jedoch alle abgelehnt!
Angesichts dieser unverändert anhaltenden Vertuschungsmentalität von Polizei, Staatsanwaltschaft und den Gerichten Sachsen-Anhalts fordern wir:
- die Änderung der Anklage auf Beihilfe zur Körperverletzung und Mord seitens aller diensthabender Polizeibeamten vom 07.01.2005
- die Durchführung des Verfahrens unter Beiordnung internationaler unabhängiger Prozessbeobachter
- die Anerkennung aller Beweisanträge, die geeignet sind die bestehenden Auffälligkeiten und "Ungereimtheiten" im Todesfall Oury Jalloh zu erhellen um die tatsächlichen Todesumstände zu ermitteln
- die Schaffung einer unabhängigen Kommission zur Untersuchung der Ursachen für den Tod Oury Jallohs, für seine Haft und für die Kettung seines Körpers am Tag des 7. Januar 2005 wie auch das Gerichtsverfahren unabhängig untersucht
- die Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen gegen MigrantInnen in Deutschland, die bereits zu vielen Todesfällen geführt haben, sowie die sich daran anschließende rassistische Kollaboration innerhalb der Exekutive, der Legislative und der Judikative in der Bundesrepublik Deutschland
The VOICE Refugee Forum
Die kommenden Prozesstermine
Di., 13. November 2012, 9:30 Uhr
Di., 4. Dezember 2012, 9:30 Uhr
Di., 11. Dezember 2012, 9:30 Uhr
Di., 18. Dezember 2012, 9:30 Uhr
Immer am Landgericht Magdeburg, Saal A23.
Jeweils Kundgebung vor dem Landgericht.
Artikel übernommen von :: de.indymedia.org, 09. Nov 2012 und
:: thevoiceforum.org, 10. Nov 2012.