Mit dem Protest- marsch am 21. November 2012 und dem anschl. Protestcamp in Wien fordern Flüchtlinge menschenwürdige Lebens- bedingungen. Presse- aussendung vom 21. November 2012.
In den letzten Wochen und Monaten finden immer mehr Kämpfe im Bereich europäischer Flüchtlingspolitik statt. Im letzten Sommer erreichten Proteste auch Zentraleuropa. In Deutschland, aber auch in anderen Ländern wie Österreich fanden viele Aktionen und Flüchtlingsproteste gegen Abschiebungen und für Bewegungsfreiheit statt. Betroffene dieser menschenunwürdigen Asylpolitik organisieren sich vermehrt selbst und gehen in die Öffentlichkeit.
Seit den :: Aktionen der Flüchtlinge aus Somalia und der :: Demonstration am 10. November 2012 in Wien wachsen die Proteste der Flüchtlinge und die Solidarität mit ihnen stetig an. Die Flüchtlinge stellten bereits ihre Forderungen über vielen Themen wie Gesundheit, Sprachbarrieren, Asylverfahren, Abschiebungen und Lebens- und Wohnbedingungen in Lagern.
24.11 um 07:00 - Flüchtlingsmarsch von Traiskirchen nach Wien
Am Samstag, den 24. November 2012, werden Flüchtlinge zu Fuß vom Flüchtlingslager Traiskirchen nach Wien marschieren. Es wird erwartet, dass mehrere hundert Flüchtlinge an der Demonstration teilnehmen werden. Auch von anderen Bundesländern werden Flüchtlinge erwartet.
Der Aufmarsch wird von Traiskirchen über Guntramsdorf - Mödling - Wr. Neudorf Wien erreichen. In diesen Orten wird es jeweils Zwischenstopps und Kundgebungen mit Redebeiträgen geben, wo die lokale Bevölkerung die Gründe der Aktion erfahren. Weiters besteht so die Möglichkeit, Informationen über die österreichische Asylpolitik im Allgemeinen und über die konkrete aktuelle Lage der Flüchtlinge zu erhalten. Der Aufmarsch wird von Ärzt_innen begleitet und es wird warmes Essen und Trinken in Pausen verteilt.
Die Demonstrant_innen werden zum Asylgerichtshof in der Laxenburger Straße marschieren, wo um ca. 17:00 eine Empfangskundgebung mit breiterer Beteiligung abgehalten wird. Die Demonstration wird weiter zur Innenstadt Richtung Parlament geführt. Im Votivpark wird die Demonstrationsroute enden. Um die Anliegen und Forderungen in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen, wird im Anschluss an die Demonstration als Zeichen ein Camp in der Innenstadt errichtet. Es ist geplant, dieses solange aufrecht zu erhalten, bis die Verantwortlichen den Forderungen der Flüchtlinge im Bezug auf der österreichischen Asylpolitik und speziell auf den schlechten Lagerbedingungen in Traiskirchen nachgehen. Die unten angeführten Forderungen wurden von den Flüchtlingen selbst formuliert und werden im Camp vor Ort weiter diskutiert und erweitert. Die Aktion wird von vielen migrantischen und nicht-migrantischen Communities und Organisationen aktiv unterstützt.
Für Fragen und Interviews zu aktuellen Flüchtlingsprotesten und zur Situation in Traiskirchen stehen wir unter unten stehendem Kontakt gerne zur Verfügung.
Forderungen der protestierenden Flüchtlinge
Wir sind Flüchtlinge, in Österreich angekommen um Asyl zu suchen und hier ein neues Leben aufzubauen. Unsere Länder sind zerstört, durch Krieg, Militärgewalt und Armut aufgrund kolonialistischer Politik. Wir kommen aus Pakistan, Afghanistan, Somalia, Nigeria, Gambia, Syria, Kurdistan, Iran und anderen Ländern und sind nun hier im Flüchtlingscamp Traiskirchen. Wir dachten, dass wir in diesem Camp Hilfe und Unterstützung von Österreich bekommen, aber was wir hier gesehen und erfahren haben, ist, dass der österreichische Staat bisher nicht gezeigt hat, dass wir willkommen sind. Wir verharren im Flüchtlingscamp unter sehr schlechten Bedingungen.
Wir, die Flüchtlinge aus Traiskirchen erheben nun unsere Stimmen und fordern unsere Rechte. Wir verlangen von den Verantwortlichen folgende Verbesserungen:
1) Die Dolmetscher*innen, die während der Asylverfahren im Einsatz sind, müssen alle durch neue ersetzt werden. Diese Dolmetscher_innen arbeiten hier seit sehr langer Zeit, machen Witze über Betroffene. Es bestehen gravierende Kommunikationsprobleme. Die Dolmetscher_innen übersetzen teilweise absichtlich falsch - dies hat negative Auswirkungen auf die Gerichtsverfahren sowie die Interviews mit Behörden/Beamten. Die Folge sind oftmals negative Bescheide sowie schnelle Abschiebungen. Es gibt mehrere Fälle, in welchen in diesem Zusammenhang bereits innerhalb 2 Wochen der zweite negative Bescheid ausgehändigt wurde.
2) Nachdem Erhalt eines zweiten negativen Bescheides verlangt das Gericht von uns Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren in der Höhe von 220 Euro zu zahlen. Im Falle einer Nicht-Erbringung kam es in mehreren Fällen zu Haftstrafen. Das ist inakzeptabel weil wir keine Kriminellen sind, uns ist es als Asylsuchende lediglich nicht erlaubt zu arbeiten. Wir fordern, diese Gebühren nicht mehr zahlen zu müssen.
3) Alle Abschiebungen müssen gestoppt werden. Es muss den Menschen möglich sein, hier zu bleiben oder in ein weiteres Land zu gehen.
4) Wir fordern mehr Dolmetscher_innen für Arztbesuche, insbesondere Übersetzer_innen der Urdu Sprache.
5) Wir fordern generell mehr Ärzte und Ärztinnen für Flüchtlinge.
6) Es gibt viele Überstellungen in abgeschiedene, ländliche Gegenden. Das muss gestoppt werden da vor Ort benötigte Infrastruktur nicht gewährleistet wird. Die Menschen haben keinen Zugang zu Rechtsanwält_innen oder Möglichkeiten zum Einkaufen. Das bedeutet für Flüchtlinge faktisch Isolation, da sie derzeit nicht zu benötigter Hilfe kommen.
7) Im Camp selbst müssen Deutschkurse und Berufsvorbereitungskurse mit Praxis-Schwerpunkt z.B. im handwerklichen Bereich eingeführt und abgehalten werden. Auch für die Deutschschule brauchen wir Übersetzer_innen.
8) Kinder von Familien, die im Camp leben, müssen in reguläre lokale Schulen mit ortsansässigen Kindern gehen können.
9) Das Essen muss gesünder und nahrhafter sein. Die Flüchtlinge müssen die Möglichkeit haben, sowohl selbst zu kochen als auch das Essen in ihre Zimmer mitzunehmen.
10) Saubere und gute Kleidung und Schuhe für alle Jahreszeiten muss zur Verfügung stehen.
11) Die Arbeitsbedingungen im Camp müssen verbessert werden und der Betrag, der für Reinigen und Kochen bezahlt wird ist nicht ausreichen.
12) Tickets für den Öffentlichen Verkehr müssen unentgeltlich angeboten werden, zumindest für 3 Tage, so das jede und jeder die Möglichkeit hat, das Land, die Menschen, deren Leben kennen zu lernen. So ist es auch möglich, zu Rechtsinformationen zu kommen und sich um den eigenen Fall rechtlich zu kümmern.
13) Wir benötigen einen Friseur für Männer und Frauen.
14) Das Taschengeld in der Höhe von 40 Euro monatlich ist absolut nicht ausreichend und muss erhöht werden.
15) Wir benötigen dringend diverse Sanitärartikel. Artikel wie Nagelscheren, Spiegel,.. - es sind nicht einmal Spiegel in den Badezimmern vorhanden(!).
16) Im Flüchtlingscamp sind wir vom Rest der Welt isoliert, weil wir keinen Internetzugang und kein Fernsehen haben. Wir benötigen beides, um Kontakt mit unseren Familien und Freund_innen zu haben. Obwohl wir im 21sten Jahrhundert leben haben wir keinen Zugang zu modernen Medien sowie modernen Formen der Kommunikation. Wir fordern freien Internetzugang in den Camps und TV mit Sat-Empfang um Informationen von der Welt zu erhalten.
Wir fordern diese grundlegenden Rechte von der österreichischen Regierung, der Europäischen Union, für Flüchtlinge weltweit. Wir ersuchen die österreichische Regierung, ihrer Verantwortung gegenüber den Flüchtlingen nachzukommen.
Wir werden unsere Aktionen solange fortsetzen, bis unsere Stimmen gehört, und unsere Forderungen erfüllt sind.
Bewegungsfreiheit für alle Flüchtlinge!
We will rise!
Traiskirchen, 21. November 2012
Kontakt: Pressestelle Refugee Protest
E-Mail: press.refugee.protest (at) riseup.net
Tel.: 0680 441 71 74