Artikel aus dem Standard zur Entscheidung des VfGH über Ansprüche der Hinterbliebenen und Menschenrechtsverletzungen
Causa Omofuma: Machtwort des Höchstgerichts
Wien - Eine topaktuelle Grundsatzentscheidung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) bringt frischen Wind in die Causa Marcus Omofuma: Konkret geht es um eine Beschwerde, die im Namen von Omofumas Tochter bei den Unabhängigen Verwaltungssenaten (UVS) in Wien und NiederÖsterreich eingebracht wurde - DER STANDARD berichtete. Doch anstatt zu prüfen, ob Omofuma möglicherweise durch eine Verletzung der Menschenrechte zu Tode gekommen sei, hatten die Senate kategorisch abgelehnt: Nur Betroffene selbst könnten Beschwerde erheben - Tote haben keine Rechte.
Das Höchstgericht sieht es anders: Omofumas Hinterbliebene wurde in ihrem Recht auf ein gesetzliches Verfahren verletzt. In diesem Fall hätten auch Angehörige Parteienstellung. Der UVS muss nun - unabhängig vom anhängigen Strafverfahren - entscheiden, ob Omofuma einer Menschenrechtsverletzung zum Opfer gefallen ist.
Wie berichtet, war der nigerianische Schubhäftling am 1. Mai 1999 während seiner Abschiebung via Flugzeug gestorben. Drei Polizisten hatten ihn zuvor gefesselt und geknebelt und ihm dabei nicht nur den Mund sondern wahrscheinlich auch teilweise die Nasenlücher verklebt. Gegen die drei Beamten, deren Suspendierung vor kurzem aufgehoben wurde, wird wegen "Quälens eines Gefangenen mit Todesfolge" ermittelt. Die Voruntersuchung zieht sich deswegen schon so lange hin, weil zwei Gerichtsgutachten über die Todesursache zu gegensätzlichen Ergebnissen kommen. Die entscheidende Expertise, die über Anklage oder Nichtanklage der Beamten entscheiden wird, soll Ende April fertig sein.
zurück zur VfGH-Entscheidung: Rechtsanwalt Georg Zanger, der die Hinterbliebenen Omofumas vertritt, ist überzeugt, dass "das eine Grundsatzentscheidung ist, was die Frage von Ansprüchen von Hinterbliebenen betrifft, deren Angehörige durch rechtswidrige Handlungen von Beamten zu Tode gekommen sind". Letzteres ist freilich nicht erwiesen, für die Polizisten gilt die Unschuldsvermutung.
Prozess gegen Haider
Bedeutung habe der VfGH-Spruch auch im Zivilgerichtsverfahren gegen den Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider (FPÖ), so Zanger. Der Politiker soll Omofuma als Drogenhändler bezeichnet haben und wurde deswegen namens Omofumas Tochter geklagt. Der Erstrichter habe das Zivilverfahren laut Zanger bereits geschlossen, das Urteil wird dieser Tage erwartet. (simo)
Verfassungsgerichtshof
Judenplatz 11, 1010 Wien
B 159/00-17
I M N A M E N D E R R E P U B L I K !
Der Verfassungsgerichtshof hat unter dem Vorsitz des
präsidenten Dr. A d a m o v i c h ,
in der Beschwerdesache der mj. Franziska M a h o u , vertreten
durch die Kindesmutter Ines Mahou, diese zuletzt vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Georg Zanger, Neuer Markt 1, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 22. Oktober 1999, Zl. UVS-02/P/32/28/1999/1, in seiner heutigen nichtÖffentlichen Sitzung gemäß Art. 144 B-VG zu Recht erkannt:
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden. Der Bescheid wird aufgehoben. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 27.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
E n t s c h e i d u n g s g r Ì n d e :
I. 1. Die Beschwerdeführerin ist - ihren eigenen Angaben
zufolge - deutsche Staatsangehörige und "leibliche Tochter und gesetzliche Erbin von M. O.".
Nach dem Beschwerdevorbringen reiste der nigerianische
StaatsAngehörige M. O. aus Deutschland am 16. September 1998 nach österreich ein und brachte am selben Tag beim Bundesasylamt einen Asylantrag ein. Der Asylantrag sei mit Bescheid vom 11. Februar 1999 rechtskräftig abgewiesen worden. Bereits am 15. Dezember 1998 sei M. O. in Schubhaft genommen worden. Am 31. März 1999 sei ein Antrag auf Abschiebungsaufschub gem. § 56 FremdenG mit der Begründung gestellt worden, daß gegen den abweisenden Asylbescheid eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht werde. Am 21. April 1999 wurde laut Beschwerdevorbringen Parteiengehör im Hinblick auf die beabsichtigte Ablehnung des Abschiebungsaufschubantrages gewährt und dazu zur Abgabe einer Stellungnahme eine Frist bis 6. Mai 1999 eingeräumt.
Ungeachtet des Umstandes, daß M. O. bis zum 1. Mai 1999 von der Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme noch nicht
Gebrauch gemacht hatte, sei am 1. Mai 1999 die Abschiebung des M. O. vorgenommen worden. Die Abschiebung sei mit Zwangsgewalt durchgesetzt worden. Nach der Landung des Flugzeuges, mit dem die Abschiebung erfolgte, in Sofia, wurde der Tod des M. O. festgestellt.
2. Die Beschwerdeführerin wandte sich in der Folge mit einer Beschwerde nach Art. 129a Abs.1 Z 2B-VG und § 67c AVG an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (im folgenden: UVS) und stellte den Antrag, "der Unabhängige Verwaltungssenat Wien möge [...] feststellen, daß durch die Knebelung und Fesselung von M. O.[...] bzw. aufgrund der mangelhaften Planung und DurchFührung der gesamten Abschiebung M. O. in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten gemäß Art. 2 und 3 EMRK sowie die BF in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art. 8 EMRK bzw. die BF selbst als leibliche Tochter, nächste Verwandte und gesetzliche Erbin des M. O. durch die erwähnten Amtshandlungen in ihren Rechten gemäß Art. 2 und 3 EMRK verletzt worden sind und diese Amtshandlungen in AusÃŒbung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklären".
3. Der UVS wies die Beschwerde mit Bescheid vom 22. Oktober 1999 als unzulässig zurück, weil die Tochter des unmittelbar betroffenen M. O. nicht beschwerdelegitimiert sei, weiters aber auch, weil der UVS Wien örtlich unzuständig sei und letztlich auch, weil (an Bord des Flugzeuges) keine unmittelbare verwaltungsbehördliche Befehls- und Zwangsgewalt ausgeübt worden sei.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende auf Art. 144 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte u.a. auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art. 83 Abs. 2 B-VG, Art. 13 EMRK) sowie auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) bzw. "ein Verstoß" gegen die dem Vater der Beschwerdeführerin verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Leben (Art. 2 EMRK) und gem. Art. 3 EMRK keiner unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung bzw. Folter unterzogen zu werden, in eventu die Verletzung in diesen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten "wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich § 67a Abs.1 Z 2AVG," behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9.696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10.374/1985, 11.405/1987, 13.280/1992).
2.1. Die belangte behörde hat ihre Beschwerdezurückweisung zum ersten damit begründet, daß die Beschwerdeführerin nicht beschwerdelegitimiert sei, zumal sie nicht "an Stelle ihres tragisch verstorbenen Vaters die gegenständliche Beschwerde gegen AusÃŒbung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt einzubringen" berechtigt sei. Auch komme es darauf, "ob die gegen ihren Vater gerichteten maßnahmen möglicherweise auch Auswirkungen auf die Beschwerdeführerin haben", nicht an.
Das Gesetz legitimiere nur den, den die maßnahme unmittelbar betroffen hat, zur Erhebung einer Beschwerde; wenn der unmittelbar Betroffene stirbt, könne daher niemand anderer statt ihm die Beschwerde einbringen, selbst wenn diese andere Person behauptet, die maßnahme hätte auch bei ihr Auswirkungen. Die belangte behörde begründet dies im Detail wie folgt: "Die im vorliegenden Beschwerdefall angefochtenen Verwaltungsakte betrafen die höchstpersönliche RechtssphÀre des Vaters der Beschwerdeführerin und griffen daher ausschließlich in die ihm gewährleisteten Rechte ein. In Ansehung dieser Rechte kommt eine Rechtsnachfolge durch die Beschwerdeführerin nicht in Betracht. ... Nach Ansicht des UVS Wien kommt der Beschwerdeführerin daher keine Parteistellung und damit keine Beschwerdelegitimation im Verfahren betreffend die Knebelung und Fesselung ihres Vaters am Flughafen Wien-Schwechat und in der Balkan-Air-Maschine sowie die Planung und DurchFührung seiner Abschiebung zu, unabhängig davon, ob und welche Auswirkungen dies auf die Beschwerdeführerin hat oder in Zukunft auch haben mag. Denn die in Beschwerde gezogenen maßnahmen waren ausschließlich gegen den Vater der Beschwerdeführerin gerichtet. Die Beschwerde war daher mangels Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin zurückzuweisen."
2.2. Mit diesen ErwÀgungen ist die belangte behörde nicht im Recht. Der Verfassungsgesetzgeber hat mit der B-VG-Novelle 1988 durch Art. 129a B-VG eine eigene Rechtsschutzinstanz eingeführt, die unter anderem gemäß Abs.1 Z 2"über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die AusÃŒbung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein", zu erkennen hat. Der Verfassungsgesetzgeber ist bei der Ausgestaltung der Kompetenzen des UVS ersichtlich von der Zielsetzung ausgegangen, die UVS als Organe einzurichten, die die Verwaltung kontrollieren (vgl. VfSlg. 14.891/1997). Zweck eines maßnahmenbeschwerdeverfahrens vor dem UVS ist die - nachträgliche - Feststellung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines Akts unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Wenngleich der Wortlaut des Art. 129a B-VG auch in Zusammenhalt mit § 67a AVG den Schluß nahelegt, daß nur eine von der maßnahme selbst betroffene Person zur Erhebung der Beschwerde berechtigt sei, so wird vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles deutlich, daß diese reine Wortinterpretation dem spezifischen Charakter der Kontrolle von Rechten - insbesondere des Rechts auf Leben - nicht ausreichend Rechnung trägt. Art. 129a B-VG wurde zu einem Zeitpunkt in die Verfassung eingefügt, als die - damalige - EuropäischeKommission für Menschenrechte insbesondere in fällen der behaupteten Verletzung des Rechts auf Leben eine Beschwerdelegitimation von nahen Angehörigen des Verstorbenen in ständiger Rechtsprechung bejaht hat, sofern die betreffenden Angehörigen durch die behauptete Rechtsverletzung mittelbar betroffen sind, also aufgrund ihrer engen Beziehung zu dem unmittelbar Betroffenen und/oder der gerÃŒgten Handlung oder Unterlassung ein schutzwürdiges Interesse an der Rechtsverfolgung haben (z.B. EKMR 8416/79, DR 19, 244; 9348/81, DR 32, 190; 9833/82, DR 42, 53).
Auch der EuropäischeGerichtshof für Menschenrechte geht von der Legitimation der Hinterbliebenen des Getöteten zur Geltendmachung von behaupteten Verletzungen des Art. 2 EMRK aus (vgl. etwa EGMR 17/1994/464/545, McCann, öJZ 1996, 233; 86/1996/705/897, Andronicou und Constantinou, öJZ 1998, 34) Ausdrücklich wies er hierauf in seiner Entscheidung 33646/96, hin:
"The Court notes that the term "victim" in Article 34 of the Convention denotes the person directly affected by the act or omission which is at issue (cf. Eur. Court H.R., Eckle judgment of 15 July 1982, Series A no. 51, p. 30, § 66). The Court further notes that it has examined applications brought by applicants who claimed to be victims of violations of Article 2 of the Convention (cf. Yasa v. Turkey judgment of 2 September 1998, Reports 1998-VI, p. 2431, § 7; Kaya v. Turkey judgment of 19 February 1998, § 7; "akici v. Turkey judgment of 8 July 1999, § 8). In those applications the applicants had indicated their intention of bringing their applications on their own behalf and on behalf of their deceased close relatives."
["Der Gerichtshof bemerkt, daß der Ausdruck "victim" in Artikel 34 der Konvention eine Person bezeichnet, welche durch die strittige Handlung oder Unterlassung unmittelbar betroffen wurde (vgl. Urteil des EGMR vom 15. Juli 1982 im Fall Eckle, Serie A Nr. 51, Seite 30, RZ 66). Der Gerichtshof bemerkt weiters, daß er Menschenrechtsbeschwerden geprüft hat, welche von Beschwerdeführern eingebracht wurden, die behauptet haben, Opfer von Verletzungen des Artikels 2 der MRK geworden zu sein (vgl. Urteil vom 2. September 1998 im Fall Yasa gegen die Türkei, Berichte 1998-VI, Seite 2431, RZ 7; Urteil vom 19. Februar 1998 im Fall Kaya gegen die Türkei, RZ 7; Urteil vom 8. Juli 1999 im Fall Cakici gegen die Türkei, RZ 8).
In diesen Menschenrechtsbeschwerden hatten die Beschwerdeführer ihrer Absicht Ausdruck gegeben, ihre Beschwerde in ihrem eigenen Namen sowie im Namen ihrer verstorbenen engen Verwandten einzubringen." (übersetzung des übersetzungsdienstes des Bundes-kanzleramtes)]
Als nahe Angehörige, die zur BeschwerdeFührung legitimiert sind, wurden in der Judikatur der EKMR und des EGMR jedenfalls der Ehepartner (z.B. EGMR 27602/95, Ekinci), die Eltern (z.B. EKMR 9833/82, DR 42, 53), die Kinder (z.B. EKMR 35981/97, Toluk; zuletzt EGMR 31725/96, KÃŒksal, vom 19.9.2000) sowie die Geschwister (z.B. EGMR 27693/95, ÃÂelikbilek) des Verstorbenen angesehen.
Die Beschwerdelegitimation der Hinterbliebenen zur Geltendmachung von Verletzungen des Rechts auf Leben im Falle der Tötung eines Menschen ergibt sich aus dem spezifischen Charakter des durch Art. 2 EMRK Geschützten Rechts; anders könnte eine Verletzung des Rechts auf Leben im Falle des Ablebens überhaupt nicht releviert werden. Unter Bedachtnahme auf die historische Zielsetzung der Rechtsschutz- und Kontrolleinrichtung im Sinne des Art. 129a B-VG kann dem Verfassungsgesetzgeber nicht zugesonnen werden, daß er eine eigene Beschwerdeinstanz für Rechtsverletzungen, die aus Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt resultieren, geschaffen hat, und davon aber die Geltendmachung der Verletzung des Rechts auf Leben durch Angehörige im Fall des während der Amtshandlung eingetretenen Todes des von der Amtshandlung unmittelbar Betroffenen generell ausschließen wollte. Wenn also der durch die AusÃŒbung unmittelbarer Befehls-und Zwangsgewalt Betroffene während der Amtshandlung verstorben ist, so ist gemäß Art. 129a B-VG der UVS auch zuständig, über von nahen Angehörigen diesbezüglich behauptete, den Verstorbenen betreffende Rechtsverletzungen (Art. 2 und Art. 3 EMRK) zu erkennen.
Die Beschwerdeführerin ist unbestritten die leibliche Tochter des M. O.. Sie erfüllt daher im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die notwendigen Kriterien, um an Stelle des verstorbenen Vaters Beschwerde gemäß Art. 129a B-VG zu erheben.
3. Dieses Ergebnis führt allerdings nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, wenn dessen zurückweisender Spruch nicht zumindest durch einen der beiden weiteren Gründe, die der UVS seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, gerechtfertigt wäre.
3.1. Die belangte Behörde begründete die zurückweisung der maßnahmenbeschwerde auch damit, daß - wenn auch die (als solche nicht bekämpfte) Abschiebung von Wien aus ihren Ausgang genommen habe - die in Beschwerde gezogene und möglicherweise tödliche Fesselung und Knebelung des Vaters der Beschwerdeführerin, die im Zuge der Abschiebung erfolgt sei, in Schwechat stattgefunden habe, weshalb der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes NiederÖsterreich zuständig sei. Bei gehöriger WÃŒrdigung des an den UVS gerichteten Beschwerdeschriftsatzes ergibt sich jedoch, daß die Beschwerdeführerin nicht bloß die "Knebelung und Fesselung" ihres Vaters an sich, sondern diese Zwangsakte als Teil eines Geschehensablaufes, der letztlich zum Tod ihres Vaters geführt habe, angefochten hat. Die bekämpfte Fesselung und Knebelung des Vaters der Beschwerdeführerin stehen mit dessen Abschiebung in einem so engen Zusammenhang, daß sie nicht unabhängig von dieser beurteilt werden können; dies insbesondere, da nach bislang unbestrittener Beschwerdebehauptung die Handfesseln bereits in Wien angelegt worden sind. Hinsichtlich der Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien ist daher von einer Einheit der bekämpften maßnahme auszugehen (vgl. auch VwGH Zl. 94/02/0139 vom 23. September 1994). Da die Abschiebung im örtlichen Wirkungsbereich des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien begonnen hat, hat dieser seine örtliche Zuständigkeit zu Unrecht verneint und daher die Zuständigkeit zu einer Sachentscheidung schlechthin verweigert.
3.2. Letztlich brachte die belangte Behörde in ihrem Bescheid auch vor, daß an Bord des Flugzeuges (einer bulgarischen Fluglinie) keine Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gesetzt worden Wären, weil die Befehlsgewalt an Bord ausschließlich dem KapitÀn des Flugzeuges zugekommen sei.
Auch mit dieser ErwÀgung ist die belangte behörde nicht im Recht: Sie übersieht, daß aus dem Umstand, daß die Rechtsordnung unter bestimmten Voraussetzungen keine Befugnisse zu Befehls- und Zwangsmaßnahmen einräumt, nicht abgeleitet werden kann, daß staatliche Organe, die zumindest in abstracto mit Hoheitsgewalt betraut sind, nicht dennoch - wenn dann auch ex definitione: rechtswidrige - Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- oder Zwangsgewalt gesetzt haben.
gemäß § 88 Abs. 1 SPG haben die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen zu erkennen, "die behaupten, durch die AusÃŒbung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein (Art. 129a Abs.1 Z 2B-VG)". Es ist daher davon auszugehen, daß das vor der belangten behörde in Beschwerde gezogene Geschehen in die Handlungskategorien der Verwaltung - Vollziehung des Sicherheitspolizeigesetzes - einzuordnen ist.
4. Die belangte Behörde hätte daher die gemäß § 67a AVG an sie gerichtete Beschwerde nicht zurückweisen dürfen. Indem sie dies jedoch getan hat, hat sie der Beschwerdeführerin zu Unrecht eine Sachentscheidung vorenthalten und sie dadurch in ihrem gemäß Art. 83 Abs. 2 B-VG gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88 VerfGG 1953. In den Kosten ist Umsatzsteuer in HÖHe von S 4.500,-- enthalten.
6. Dies konnte gemäß § 19 Abs. 4 erster Satz VerfGG ohne vorausgegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Wien, am 6. März 2001
Der präsident:
Dr.A d a m o v i c h
Schriftführer:
Mag.T o l a r