Der Flirt von Soho in Ottakring mit MigrantInnen und ihrer Präsenz funktioniert seit einiger Zeit als ein Initiationsritus für die KünstlerInnenszene im Österreichsichen Staat. Es handelt sich dabei um eine glaubwürdige Methode in Zeiten der postkolonialen Debatten, um für die eigene Mehrheitszugehörigkeit Respekt zu verschaffen.
Beim Durchlesen von den zwei Briefen (MUND am 23.06.2003) über die SOHO in Ottakting 2003 sind mir mehrere Sachen eingefallen. Ich möchte aber hier nicht auf der Psycho-Schizo-Schiene argumentieren und die Strukturen der Subjekte analysieren, die solche Schriftstücke verfassen - obwohl das eine sehr dankbare Aufgabe wäre.
Die Arroganz der KünstlerInnenschaft kommt jedenfalls selten so rein und klar zum Vorschein wie in dem Brief von Dianareisen. Insofern sollten wir ihnen dankbar sein, nix versteckt zu haben, ganz im Gegenteil stark genug zu sein, dies in diese unsere kleine Öffentlichkeit hinauszuposaunen.
Ich will nur ein paar Punkte aufzählen, die offensichtlich hinter dieser Auseinandersetzung stehen. Woran denken die KünstlerInnen, wenn gefragt wird "was ist da geschehen?". Sie interpretieren und schafen davon die Frage "was ist wirklich passiert?"... es geht also um die Wirklichkeit die passiert. Offensichtlich denken sie nicht an das, dass die Kunst nicht durch Intention geschaffen wird, sondern unter festgelegten Bedingungen produziert wird. Diese Bedingungen sind die, auf die sich die Schule Esdik beruft und die von Dianareisen offensichtlich im Namen von Intention und Gerichtetsein auf das Ziel des Verständnisses abgewiesen wird. Aber welches Verständnis und für wen? Wenn wir ein bissi in die Geschichte Wiens zurückgehen, stossen wir auf die Tradition der Fremdenschau.
Das scheint die Linie der Dianareisen zu sein. Der verstopfte Mohr war einer der drastischsten Ideen dieser Sichtweise, aber es ist auch an die Ausstellungen im Prater zur Jahrhunderwende zu denken und auch in der allerneuesten Zeit an die kurdischen, afrikanischen und was weiss ich noch welche dürfer, die die Exotik leicht verdaulich in die Vorstellungswelt des Mainstreams hineintransportieren.
Wenn also einerseits einzelne Menschen (Mohr) und andererseits die Gemeinschaften (dürfer) ausgestellt werden, warum sollte da nicht auch eine nette Türkische Familie ihren Platz haben. Diese Zelle des Staates gehört auch einmal ausgestellt. Noch dazu, wenn sie mit diesem Sich-zur-Schau-Stellen einverstanden und bereit ist, die BesucherInnen zu bekochen, bedienen und auf die Fragen "Wann sie zurückgehen werden?" zu antworten. Ein seitens der Wiener Tradition bekannter, gelebter und in dem Projekt Dianareisen weiter tradierter rassisierender Blick. Mit solcher Offensichtlichkeit und Arroganz des Machtblickes haben wir nicht mehr so oft zu tun. Dabei sollte, der Wiener Zeitung folgend, bei einem Besuch in der Wohnung einer Türkischen Gastarbeiterfamilie die Möglichkeit einer hautnahen Annäherung an die andere Kultur im eigenen Land bestehen.
Man sollte sich das einmal im Mund zergehen lassen. Hautnahe Annäherung, sozusagen körper an körper, warm und verführerich die andere Kultur und das im eigenen Land. Im eigenen Land wird da jemand vorgeführt, weil er/sie anders ist und durch die gemeinsame Exotismusorgie besteht die Möglichkeit der Annäherung.
Weitere Ziele dieser hautnahen Annäherung waren AkademikerInnen,
Geschäftsleute und Tier- Pflanzenwelt. Insofern handelt es sich auch von dieser Seite gesehen um eine interessante Objektauswahl. Jedenfalls geht es um einen, wie im Prospekt zur Soho in Ottakring dargestellt wird, sehr "hautnahen ... Blick auf das bunte Leben". Das bunte Leben ist somit verortet, es besteht aus AkademikerInnen, Geschäftsleute, MigrantInnen - naTürlich TürkInnen - und Tier- und Pflanzenwelt. Das Bildungsystem ist angesprochen, die Wirtschaft kommt dazu und trägerInnen der "anderen Kultur" genauso neben der "Flora und Fauna". Das ist der zweite Punkte, den die
Dianareise in ihrer Kunstproduktion reproduziert: Die Foucaultsche Wert der Dinge, Sparche als Wessen und Biologie wird hier folgerichtig um den Rassismus erweitert.
Interessant wird es sein, die Ergebnisse des Projekts zu studieren,
inwieweit sich z.B. die Lebenswelten (die von diesem Projekt untersucht werden sollen) voneinander unterscheiden und was sie verbindet. Warum ist eine türkische Familie so interessant? Ich behaupte, nur weil sie das Objekt der MachtausÃŒbung ist. Indem sie von dieser KünstlerInnengruppe zum diskreten Objekt der Begierde erklärt werden, weißen sie ihnen auch einen Platz zu, eben einen, der als Ausstellungsstück fungiert, weil er genug fremd ist. Klar kann man jedes Objekt zur Kunst erklärten, nur während es bei Findobjekten um Umdefinierung und Aufwertung (auch Aufhebung) ihres Inhalts
geht, geht es bei der Türkischen Familie um ihre Einzementierung in ihre Türkische kulturelle Identität, um eine Abwertung, weil damit ihr die Möglichkeiten wegdefiniert werden. Kurz gesagt, wäre das keine Türkische Familie oder würde sie für sich behaupten, keine Türkische Familie zu sein, wäre sie für Dianareisen uninteressant. Wichtig ist sozusagen der Prototyp, der in diesem Kunstprojekt zum Stereotyp wird.
Diese Aufzählung lässt sich beliebig fortsetzen. Es geht aber auch um das, dass dieses Projekt trotz dezidierter Ablehnung seitens Hikmet Kajahan und Sule Esdik und so weit mir bekannt ist auch anderer Menschen, die in Entscheidungspositionen waren, angenommen wurde. Was mich also interessieren würde, ist die Argumentationslinie anderer Mitglieder der Entscheidungskommission: Warum werden solche rassisierenden Projekte (Dianareisen ist nicht das einzige) bei der SOHO in Ottakring durchgeführt?
Ljubomir Bratic
BUM - Büro für ungewöhnliche Massnahmen