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[ 06. Oct 2017 ]

Erinnerungen an Röszke: Freiheit für Ahmed H.

Right to Travel - Solidarity with Röszke - Protest in front of Courthouse

Im Jahr 2015 ließ die rechts-autoritäre Orbán Regierung einen einen 175km langen Zaun an der Grenze zu Serbien errichten, der später entlang der Grenze zu Kroatien erweitert wurde. Eine "Maßnahme", um die Migration nach Ungarn und in die EU zu behindern.

 

Die Fertigstellung des Zauns am 15. September 2015 und damit die physische Schließung der Grenze fiel mit einer Verschärfung des Asylgesetzes zusammen, die den Grenzübertritt kriminalisiert und mit einer Strafe von bis zu drei Jahren Haft bedroht. Weiters können Asylgesuche seither nur noch in den "Transitzonen" gestellt werden - in Röszke und Tompa an der Schengen-Außengrenze. Diese Transitzonen, in denen die Bedingungen schlimmer sich als in Gefängnissen, dürfen während des Verfahrens nicht verlassen werden.

Nur wenigen ausgewählten Personen wird seither der Zutritt zu den Transitzonen gestattet. Dadurch saßen plötzlich Tausende fest. Die Eskalation der Situation am Grenzübergang Röszke-Horgos war vorprogrammiert, die Menschen protestierten und versuchten aus dieser Lage auszubrechen. Im Zuge dessen wurden willkürlich elf Menschen verhaftet, darunter eine ältere Frau und ein Mann im Rollstuhl. In einem Schauprozess wurden sie verschiedener Delikte schuldig gesprochen, wie dem "illegalen Grenzübertritt" oder der Beteiligung an einem Massenprotest. Die meisten der sogenannten "Röszke 11" haben in der Zwischenzeit eine mindestens einjährige Haftstrafe abgesessen. Im Berufungsprozess im Februar 2017 wurden die Urteile - für neun von ihnen in Abwesenheit, sie haben Ungarn mittlerweile verlassen - trotz grober Verfahrensmängel bestätigt. Unter anderem wurden entlastende Videobeweise nicht im Verfahren zugelassen und eine der Übersetzerinnen später gerichtlich verurteilt, weil sie nachweislich Aussagen der Angeklagten falsch und zu deren Nachteil wiedergegeben hatte. Yamen A., dessen Haftstrafe von drei auf zwei Jahre reduziert wurde, kam im Juni 2017 auf Bewährung frei.

Ahmed H. wurde erst in den Tagen nach den Ereignissen in Budapest festgenommen. Er lebte bereits seit 2006 mit seiner Familie in Zypern und besitzt einen Aufenthaltstitel für die EU. Um seine Eltern und andere Familienmitglieder auf ihrer Flucht von Aleppo nach Deutschland zu unterstützen, hielt er sich serbisch-ungarischen Grenze auf. Die Ungarischen Behörden erklärten im zum Anführer und beschuldigten ihn "terroristischer Aktivitäten", weil er ein Megafon gehalten und der Polizei mit zwei zum »V« ausgestreckten Fingern ein Ultimatum gesetzt sowie am Grenzzaun Gegenstände gegen die Polizei geworfen haben soll. Er wurde zu zehn Jahren (!) Haft verurteilt. Im Berufungsprozess im Juni 2017 hatte die Anklage eine nochmalige Erhöhung auf eine lebenslängliche Strafe gefordert. Das Gericht hob das Urteil schließlich auf, da der Vorwurf des "Terrorismus" zu prüfen sei, und verwies den Fall an die erste Instanz zurück. Ahmed H. befindet sich nun seit bereits zwei Jahren in U-Haft, im Oktober wird sein Fall neuerlich verhandelt.

Dieser Artikel basiert auf "Schauprozess gegen die Röszke 11" in Malmoe 80/2017, :: malmoe.org.