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[ 04. Feb 2002 // letzte änderung: 04. Feb 2002 ]

Schengen Informationssystem (SIS) soll ausgebaut werden

Am 6. Dezember 2001 beschloss der EU-Ministerrat, den 1990 installierten Zentralcomputer des Schengen Informations System durch einen neuen zu ersetzen. Die Datensammlung soll ausgeweitet werden.

 

An einem Neubau hinter einem Stacheldraht-Zaun verkündet ein Schild "Centre interdepartemental de Strasbourg". Nichts weist darauf hin, dass sich hier, in einem Straßburger Vorort, der größte Polizeicomputer Europas befindet. "über 10,5 Millionen Daten sind bei uns gespeichert", erläutert Bernard Kirch, Leiter des "Schengener Informationssystems" (SIS), in das Besucher nur nach Genehmigung des Pariser Innenministeriums und umfangreichen Kontrollen gelangen. Rund 15 Prozent der Daten betreffen Personen, vor allem AsylbewerberInnen oder bei illegalisiertem Grenzübertritt aufgegriffene Flüchtlinge, gesuchte StrafTäterInnen und Vermisste.

Wenn es nach dem Willen der EU geht, sollen bald noch viel mehr Daten dazukommen. Am 6. Dezember 2001 beschloss der EU-Ministerrat, den 1990 installierten Zentralcomputer durch einen neuen zu ersetzen. Das bisherige System, so die Begründung, stoße bald an seine Grenzen. Heute gehören dem Schengen-Raum 13 EU-Staaten sowie Norwegen und Finnland an. Auch großbritannien und Irland wollen beitreten. In einigen Jahren steht die Ost-Erweiterung der EU an. für so viele Staaten sei das SIS aber nicht konzipiert. Daher müsse nun SIS II entwickelt werden, ein neuer Computer mit "neuen Leistungsmerkmalen".

Nicht die geplante EU-Erweiterung und die damit wachsende Zahl der Daten seien Grund für die geplanten Neuerungen, meint Bernard Kirch. Es gebe jedoch überlegungen, die "Funktionen" des SIS zu erweitern - etwa durch die Eingabe von Fotos, Fingerabdrücken und genetischen Fingerabdrücken. Auch sollten die Daten miteinander verknüpft werden - durch eine Verbindung zwischen Personendaten und Angaben zu gestohlenen Autos, Ausweisen oder Waffen.

"Da gibt es die krudesten Vorschläge", meint Angelika Schriever-Steinberg, Mitarbeiterin des hessischen Datenschutzbeauftragten und Mitglied der "Gemeinsamen Kontrollstelle". Sie hat zu überwachen, ob beim SIS die Datenschutzvorschriften eingehalten werden. Es werde sogar überlegt, auch privaten Einrichtungen - etwa Kreditüberwachungsstellen - Zugriff zum Schengen-Computer zu gewähren, berichtet Schriever-Steinberg. Noch seien dies "Gedankenspiele", über die Brüssel die Mitglieder der Kontrollstelle zudem nicht ausreichend informiere. Die große Gefahr sei aber, dass über den Kopf von Datenschätzern hinweg Tatsachen geschaffen werden. "Wenn es erst Mal neue technische Möglichkeiten gibt, werden die auch genutzt".

So sieht das auch Thilo Weichert, Leiter der deutschen Vereinigung für Datenschutz. Er verweist auf die unterschiedlichen Datenschutzbestimmungen in den EU-Staaten. Die Briten etwa hätten einen "sehr offenherzigen" Umgang mit genetischen Fingerabdrücken. Wenn es erstmal eine gemeinsame Datei für solche Abdrücke gebe, würden die relativ hohen deutschen Datenschutzstandards zwangsläufig verwässert.

Die geplante AufrÃŒstung des SIS macht Datenschätzer umso misstrauischer, als schon die gegenwärtige Praxis in ihren Augen nicht unproblematisch ist. So erlaubt Paragraph 99 des "Schengener DurchFührungsübereinkommens" das Speichern von Personen-Daten im Rahmen einer so genannten verdeckten Registrierung. Diese kann beispielsweise zur "Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit" angeordnet werden. Auch Daten von "Begleitpersonen" können auf diese Weise im Straßburger Computer landen.

Rundum zufrieden mit dem SIS ist dagegen Karl-Heinz Dufner vom deutschen Bundeskriminalamt (BKA). Ziel sei es gewesen, die Abschaffung der Grenzkontrollen im Schengen-Raum zu kompensieren. Dies sei voll gelungen, sagt Dufner, der beim BKA für die deutsche SIS-Stelle zuständig ist. "Schengen ist eine Erfolgsgeschichte". Auf Fahndungserfolge verweist auch das deutsche Innenministerium. 2001 seien in Deutschland aufgrund von SIS-Daten aus anderen Schengenländern 2300 Fahndungstreffer erzielt worden. Der Bundesgrenzschutz habe dank SIS-Angaben 12.050 MigrantInnen an den Grenzen abgewiesen.

(Quelle: derstandard.at)