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[ 23. Jun 2004 // letzte änderung: 24. Jun 2004 ]

Rassismen als Legitimation - Praxis, Folgen und Bilder im angeblichen Kampf gegen Drogen

Achtung!

Die Operation Spring ist in den Köpfen der Menschen hängengeblieben, die Folgen für die Verhafteten sind jedoch kaum bekannt. Ebenso wenig bekannt ist, welche Auswirkungen die im Rahmen dieser Polizeiaktionen angewandten Methoden und deren juristisches und politisches Nachspiel auf die Praxis in österreich haben.

 

Inhalt:
- Die Konstruktion
- Medienstrategie
- Die Folgen
- Angepasste Praxis
- Sichtbare Rassismen
- Rassistische Bilder
- Fortsetzung folgt...
- Anmerkungen


Am 27. Mai 2004 jährte sich zum 5. Mal die "Operation Spring". Diese Großrazzia der Polizei fand unter dem Deckmantel einer angeblichen Drogenrazzia statt. Drogen wurden kaum gefunden. Trotzdem wurde die Aktion anfangs als Sprengung eines "Nigerianischen Drogenringes" samt Verhaftung der vermeintlichen Bosse verkauft. Nach und nach erwies sich der "Erfolg gegen die nigerianische Drogenmafia" als immer größerer Flop. Er hatte jedoch sein Ziel erreicht. Einerseits wurde der Widerstand der sich zu dieser Zeit organisierenden African Communities fast zum Verstummen gebracht, andererseits manifestierte sich das Bild des "Nigerianischen Drogendealers" bzw. des "Schwarzafrikaners", der an jedem Eck mit Drogen handelt(1). In den Medien wurde über die Verbindung von Drogen und Asyl ein Zusammenhang zwischen Legitimität der restriktiven Asylpolitik und den Drogenrazzien hergestellt. Weiters sollte die Kritik an institutionellen Rassismen delegitimiert werden. Die Kronenzeitung machte von Beginn an Stimmung gegen die "Anti-Schlögl-Demonstrationen" und stellte sich voll hinter den damaligen Innenminister. Am 28. Mai 1999 schrieb Peter Gnam: "Wenn es stimmt, dass unter jenen in der Nacht auf gestern festgenommenen Drogendealern auch welche darunter waren, die vor dem Innenministerium mit verklebten Mund gegen Schlögl und die 'Mörderpolizei' demonstriert haben, dann ist das Lügengebäude von den ach so unterdrückten, schützenswerten 'Asylanten' endgültig zusammengebrochen." Die Proteste gegen Internierung, Deportationen und deren tätliche Folgen wurden diskreditiert oder als "Widerstand der Gutmenschen (...) gegen die restriktive Asylpolitik der Regierung" (Format, 31.05.1999, S. 32) vereinheitlicht.


Die Konstruktion


Die Operation Spring war nicht die erste derartige Polizeirazzia. Ihr zuvorgegangen war der Aufbau von Strukturen, um derartige Aktionen durchführen zu können. So wurde 1997 die "Sonderkommission Jambo" gegründet, die "das Treiben der farbigen Dealer beenden" (Peter Grolig im Kurier, 17.3.1998) sollte. Im Sommer 1998 wieder aufgelöst, folgten der "Soko Jambo" erfolglose Razzien wie die "Aktion Herbstblatt" am 2. Dezember 1998 und die "Operation Snoopy" am 27. Jänner 1999. Trotz aller Bemühungen konnten bei all diesen Aktionen nur wenige KleindealerInnen festgenommen und ein paar Hundert Gramm Drogen beschlagnahmt werden. Um von den für die Polizei enttäuschenden Ergebnissen abzulenken, wurde auf eine "Strukturanalyse" verwiesen, die die großen Ergebnisse bringen sollte. Im Rahmen der Operation Spring wurden die gewünschten Erfolge von den Medien kolportiert, wenngleich sich schnell herausstellte, dass es sich um keinen Erfolg handelte. Die liberale Wiener Stadtzeitung Falter resumierte: "Wie sich aber nach wenigen Tagen zeigte, hatten die Fahnder mit 'Operation Spring' die nigerianische Drogenmafia nur für kurze Zeit lahmgelegt." Für den Leiter der Einsatzgruppe zur Bekämpfung von Suchtmittelkriminalität (EBS), Gerhard Stadler, handelte es sich um "eine kurzfristige Störung des Geschäftsbetriebes." (Falter 31/1999)

Trotz der Misserfolge der repressiven Operationen Spring und weiterer(2) sind die Folgen für die Betroffenen bis heute gravierend. Bei den am 27. Mai 1999 mehr als 100 Verhafteten und ca. 400 Angezeigten handelte es sich fast nur um AfrikanerInnen, die aufgrund ihrer Hautfarbe kriminalisiert wurden. Drogen wurden kaum gefunden, die Anschuldigungen gegen die als mutmaßliche "Drogenbosse" Verhafteten konnten vor Gericht nicht halten.

Charles Ofoedu, anfangs als der große Boss präsentiert, musste nach drei Monaten aufgrund des öffentlichen Drucks aus der U-Haft entlassen werden. Es war zu offensichtlich, dass die Anklage gegen den Dichter und Schriftsteller konstruiert wurde. Trotzdem wurde Charles vor Gericht gestellt und im Oktober 2000 wegen des Vorwurfes der Geldwäscherei zu 10 Monaten bedingt auf 3 Jahre zur Bewährung verurteilt.

Emmanuel Chukwujiekwu, ebenfalls als "führendes Mitglied der nigerianischen Drogenmafia" präsentiert, wurde im Mai 2001 wegen Drogenhandel zu neun Jahren Haft verurteilt. Der Richter sprach in seinem Urteilsspruch von einer "kriminellen Organisation", die "als Massenmörder unserer Jugend tätig" sei.(3) Diese Organisation war und ist für das Gericht jedoch nicht nachweisbar. In einem langwierigen Berufungsverfahren wurde Chukwujiekwu dann freigesprochen, aber am 11. Februar 2003 vom Obersten Gerichtshof zurück an den Prozessstart geschickt. Hätte der OGH den Freispruch aus zweiter Instanz bestätigt, hätten zahlreiche Fälle der Operation Spring neu aufgerollt werden müssen. Anfang 2004 wurde Chukwujiekwu aus der U-Haft entlassen und sofort in Schubhaft überstellt. Erst nach einem Brief an Bundespräsident Thomas Klestil wurde er gegen Gelöbnis auf freien Fuß gesetzt. Derzeit wird der Fall am Landesgericht 1 (LG1) in der Wiener Wickenburggasse neu aufgerollt.(4)

In allen uns bekannten Fällen spielt die ursprüngliche Konstruktion einer Kriminellen Organisation keine Rolle mehr. Die Beschuldigten wurden deshalb in Einzelverfahren vor Gericht gestellt. Trotzdem wurden viele zu langjährigen Haftstrafen (2-12 Jahre) verurteilt. Zum Teil sitzen sie noch, oder kamen nach der abgesessenen Haft oder in seltenen Fällen nach einem Freispruch direkt in Schubhaft und wurden abgeschoben. Nur wenige haben das "Glück", nicht mehr in Haft zu sitzen und nicht des Landes verwiesen worden zu sein. Doch selbst dann kann es ihnen geschehen, erneut verhaftet und mit den gleichen Vorwürfen beschuldigt zu werden.


Medienstrategie


Die Operation Spring war zweifelsohne jene Razzia, die in einer bis heute andauernden Serie rassistischer "Schwerpunktaktionen" das größte Medienecho hervorgerufen hat. Mit ihr wurde der Widerstand nach dem Tod von Marcus Omofuma zusehends geschwächt. Die Folgen sind zum Teil bis heute spübar, wenngleich sich die antirassistische Szene neu strukturiert hat. Doch die rassistischen Übergriffe durch die Polizei sind noch massiver geworden. Ebenfalls geändert hat sich das Vorgehen der Polizei.

Die Operation Spring, bei der 850 Exekutivbeamte im Einsatz waren, wurde als die größte Polizeiaktion in der Zweiten Republik bezeichnet. Im Rahmen dieser Aktion kam zum ersten Mal der "große Lauschangriff" zum Einsatz. Entsprechende Ergebnisse sollten der Öffentlichkeit präsentiert werden, damit diese Polizeimethode nicht weiter kritisiert wird. Die Polizei führte unter der Regie von Innenminister Schlögl (SPÖ) und den Spitzen der Polizei den rassistischen Angriff in Absprache mit den Medien, allen voran die Kronenzeitung, durch. Damit sollte endlich die andauernde Kritik am Innenminister und den Spitzenbeamten wie Sika oder Buxbaum verstummen. So wurden Bilder von Demonstrationen hergenommen und bspw. als Bildunterschrift dazugeschrieben: "Auch bei der Demo wurde gedealt." (Kronenzeitung, 28.5.1999) Damit wurde auf ein weit verbreitetes Stereotyp zurückgegriffen, wonach viele Handlungen von Schwarzen (an bestimmten Plätzen im öffentlichen Raum) automatisch als Deals wahrgenommen werden, selbst dann, wenn eine Person einer anderen das Handy borgt.

Der Falter brachte im April 2000 einen Bericht, in dem anhand von Interviews mit Ex-Innenminister Schlögl (SPÖ) und dem ehemaligen Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit, Michael Sika, die Zusammenarbeit zwischen Innenministerium und Medien deutlich wird: "Früher, da rief in Karl Schlögls Büro des öfteren ein Redakteur einer unabhängigen Tageszeitung an und bat den damaligen Innenminister um ein paar exklusive Wortspenden. Der Angerufene diktierte dem Journalisten die erwünschten Zitate. Wenig später faxte der Redakteur den ganzen Artikel ins Büro zur Ansicht. Der Innenminister persönlich besserte am Text herum und schickte ihn retour. Tags darauf erschien der Bericht in der redigierten Fassung." Der Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit, Michael Sika, der sich nach dem Tod Marcus Omofumas als mediale Zielscheibe zur Verfügung gestellt haben soll, hatte die Telefonnummern der "wichtigsten Journalisten" gespeichert. "Die Kronenzeitung hat mir immer geholfen", sagt Sika, "also will ich sie nicht kritisieren." (Falter 16/00)


Die Folgen


Kaum eineR weiss über die Folgen der Operationen Spring und folgender bescheid; dieses Thema ist nur in kleinen Kreisen präsent. Gegen die sich seither verschärfte rassistische Praxis wird nur selten protestiert, und meist nur dann, wenn sie mit konkreten Anlassfällen in Zusammenhang steht.

Neben Zwischenfällen manifestieren sich die rassistischen Darstellungen und Äußerungen auch unmittelbar erfahrbar in der Öffentlichkeit, bei Kontrollen von Personen aufgrund ihrer Hautfarbe. Hier handelt es sich meist um Kontrollen aufgrund des Verdachts auf "Drogenhandel", als auch um Kontrollen aufgrund des Fremdengesetzes. Doch auch DrogenuserInnen und PassantInnen schreiben Leuten aufgrund ihres Aussehens Tätigkeiten zu. So ist es keine Seltenheit, dass es vielen Leuten aufgrund dieser ständigen Anmache schwer fällt, sich "unbehelligt" in der Öffentlichkeit zu bewegen. AfrikanerInnen, die sich auf bestimmten Plätzen aufhalten, werden allein aufgrund ihrer Anwesenheit als DrogendealerInnen verdächtigt. So fragte ein Richter in einem Prozess gegen einen aufgrund wiederholter Kontrolle - und nicht aufgrund irgendeines Tatverdachtes - verhafteten Afrikaner, warum er sich an der U-Bahnstation Längenfeldgasse aufhalte, wenn er nicht mit Drogen deale; noch dazu wenn er wisse, dass dort mit Drogen gehandelt wird. Schon aufgrund seiner Hautfarbe mache er sich verdächtig.

Dies ist jedoch noch ein harmloses Beispiel aus der rassistischen Rechtsprechung. Wie bereits erwähnt, werden als Drogendealer verhaftete Afrikaner meist direkt aus der U-Haft in Schubhaft überstellt. Oft handelt es sich um AsylwerberInnen, deren Verfahren während ihrer Haftzeit ausgelaufen sind(5). Nach der Abwicklung der Formalitäten mit dem festgestellten Heimatland werden die Häftlinge oft dorthin abgeschoben. Hier kommt es vor, dass Leute in ein Land abgeschoben werden, in dem sie vorher noch nie waren. Anzumerken wäre noch, dass dies nicht nur als Drogendealer stigmatisierten passieren kann. Es gibt zahlreiche rassistische Kriterien, nach denen die Leute kriminalisiert und oft illegalisiert werden. Ein gerade überarbeitetes Instrument ist die Asylgesetznovelle 2003, die mit 1. Mai 2004 in Kraft getreten ist.(6)

Doch kann die vor allem gegen AusländerInnen angewandte Rechtsprechung jederzeit auch gegen Personen mit österreichischer StaatsbürgerInnenschaft angewendet werden. Schon jetzt kann allein die eigene Telefonnummer zu einem Besuch durch die Polizei führen, wenn diese bei einem/r vermeintlichen DrogendealerIn gefunden wird.
Die im Rahmen der Operation Spring eingeführten Methoden der KronzeugInnenregelung und die Anonymisierung dieser ist aus rechtlicher Sicht mehr als bedenklich. Wenngleich diese Praxis, wohl auch aufgrund des mit ihr verbundenen enormen Aufwandes, derzeit kaum angewendet wird, kann sie jederzeit in anderen Fällen zum Einsatz kommen. Im Rahmen der Prozesse zur Operation Spring wurde vom Obersten Gerichtshof (OGH) ihre Anwendung akzeptiert und zum legitimen Mittel erklärt.


Angepasste Praxis


Derzeit kommen neben kleineren Razzien vorwiegend weniger aufwendige Methoden zum Einsatz. Sogenannte Kontaktbeamte ermitteln bei "Scheinkäufen". Oder es werden ZeugInnen vor Gericht geladen, die - oft in mehreren Fällen und unter massivem Druck durch die Polizei - vor Gericht aussagen, dass die angeklagte Person mit Drogen handelt. Dies reicht in der Regel für eine Verurteilung. Zusätzlich zu den rassistischen Vorurteilen der Gerichte werden die Beschuldigten oft von AnwältInnen vertreten, die sich kaum die Mühe machen, den politischen Gehalt der Prozesse zu sehen.

Manchmal wird, wenn über ganz geringe Mengen Drogen Geständnisse oder ZeugInnenaussagen vorliegen, oder aus einem "ja, es könnte sein", auf eine größere Menge geschlossen. Wie oft konsumiert einE UserIn Drogen? In welchen Mengen kauft sie ein? Wie viele andere wurden noch beobachtet, als sie beim Beschuldigten Drogen kauften? Und schon ist die Anklage viel höher, als wenn über die in den erwähnten Aussagen - meist nicht mal angefundene - geringe Menge an Drogen verhandelt werden würde.(7) Schnell werden die Leute als Teil einer "international agierenden Bande" dargestellt, oder ihnen wird Gewerbsmäßigkeit unterstellt(8) - schon allein deshalb, weil sie über kein Einkommen verfügen. Bei diesen Vorwürfen betragen die Haftstrafen viele Jahre. Und es ist nicht notwendig, das immer wieder behauptete Vorhandensein von streng hierarchisch organisierter Kriminalität einer vermeintlichen "Nigerianischen Drogenmafia" nachzuweisen. Stattdessen verfestigt sich das Stereotyp "Schwarz = Drogendealer" und wird immer mehr mit Asyl in Verbindung gebracht. Und hier treffen sich die institutionalisierten Rassismen von Fremdenpolizei, der Polizeieinheit zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, der DrogenfahnderInnen und nicht zuletzt der Justiz mit denen der Medien.

Insgesamt führt dies dazu, dass die Gefängnisse übervoll sind, wie das Polizeianhaltezentrum (PAZ) der U-Haftanstalt des LG1, bekannt als Landl. Während es für 800-900 Gefangene ausgelegt ist, sind dort derzeit 1.300 bis 1.400 Leute inhaftiert. Dadurch werden die Lebensbedingungen in Haft weiter verschärft. So gibt es z.B. weniger Fernseh- bzw. Gemeinschaftsräume, in denen es den Gefangenen möglich ist, sich mit anderen auszutauschen und ein wenig der Isolation zu entfliehen.

In dieses Bild der mit MigrantInnen gefüllten Haftzentren passt auch der endgültige Beschluss, in Rumänien Gefängnisse zu errichten und in österreich verurteilte rumänische StaatsbürgerInnen dort zu inhaftieren. Damit übernimmt österreich eine VorreiterInnenrolle innerhalb der EU, indem Haftanstalten in Gegenden verlegt werden, wo die Kosten billiger sind - und die Rechte der Gefangenen weiter außer Kraft gesetzt werden. (Anm: Dieser Beschluss wurde mittlerweile von Rumänien abgelehnt.)

Erst vor wenigen Monaten musste Großbritannien nach massiver Kritik Pläne dementieren, in Kroatien Internierungslager für in GB um Asyl ansuchende Flüchtlinge zu errichten. Vor allem der Umstand, dass dieses außerhalb de EU liegen würde, sorgte für Aufregung. Innerhalb der EU ist diese Praxis weniger umstritten und findet zum Teil Anwendung. Nach massiver Kritik wurden die Pläne von der britischen Regierung dementiert. Es handle sich bei dem erwähnten Lager um eines, das Flüchtlingen, die in Kroatien aufgegriffen werden, vorbehalten bleibt.


Sichtbare Rassismen


Nicht immer sind Rassismen offensichtlich. Oft werden sie erst klar, wenn die Situationen, aber auch Urteile und die Meinung der Behörden genauer betrachtet werden. Neben Schubhaft und Deportationen werden Rassismen wohl in der Zuschreibung von Merkmalen aufgrund der Hautfarbe am deutlichsten sichtbar.

Der "Schwarze Drogendealer" taucht in Wien in Form rassistischer Schmierereien und bei permanenten Polizeikontrollen ebenso auf, wie in Zeitungen und Aussagen von PolitikerInnen.

Der neue FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache verschärft die Anti-Drogen-Politik.(9) Für ihn "ist Zeit, Klartext zu reden: Selbstverständlich ist nicht jeder schwarzafrikanische Asylant ein Drogendealer, aber fast jeder Drogendealer in Wien ist ein schwarzafrikanischer Asylant." Strache setzte im August 2003 in einem Gastkommentar in der Tageszeitung "Die Presse" die rassistische Politik seines Vorgängers Hilmar Kabas fort, in dessen Wahlkampf in Zeitungen mit Slogans wie "Machtlos gegen 1000 Nigerianer" inseriert wurde. Strache weiter: "Heute, Jahre später, hört man aus Polizeikreisen, dass bereits an die 10.000 schwarzafrikanischen Drogenhändler in Wien unterwegs sind. Dahinter steckt organisierte Kriminalität. Mit Asylbetrug werden Schwarzafrikaner gezielt von Drogenbossen hereingeholt. Dies geht auf die Kosten jener, die wirklich Asyl benötigen. Hier verrichten sie dann ihr todbringendes Geschäft. In Parks. In Öffentlichen Verkehrsmitteln. Und auch in Einkaufsstraßen. Mittlerweile werden sogar Minderjährige angeheuert, und als 'Zwischendealer' an Schulen missbraucht."

In diesen Beschreibungen schwingen immer auch Vorurteile gegenüber AfrikanerInnen mit. Die Bilder, die mensch hierzulande sehr oft von Afrika im Kopf hat, sind bestimmt von Unterentwicklung, Armut, sind naturalisierte Vorstellungen von irgendwelchen "Urvölkern". Die kulturellen Differenzen werden als unüberwindbar dargestellt. Und die Fremden, die Anderen, die AfrikanerInnen können ohne diese Unterschiede nicht gedacht werden, ohne die eigene Position, die sich ja erst aus der Abgrenzung zu den anderen ergibt, zu hinterfragen. Ist eine Zuschreibung einmal wirksam geworden, fällt es schwer, diese Klischees immer und immer in Frage zu stellen; sie werden als offensichtlich hingenommen. Im Folgenden ein paar Beispiele:


Rassistische Bilder


1. Geht mensch durch Wien, dann fallen einem zahlreiche rassistische Schmierereien in die Augen. Meist auf zwei oder drei Wörter reduziert ist auf zahlreichen Hauswänden, in Telefonzellen und öffentlichen Verkehrsmittel zu lesen: "Drogen N." oder "Asyl N. Drogen". Manchmal sind diese Schmierereien in Verbindung mit Totenköpfen und weiteren rassistische Aussagen zu finden. Uns ist keine Gegend in der Stadt bekannt, wo diese Schmierereien nicht vorkommen. Sie tauchen selbst in Bahnhöfen in der Umgebung Wiens auf.

2. Die FPÖ plakatierte im Wahlkampf 1999 großflächig den Slogan "Keine Gnade für Drogendealer!" Diesem Spruch sind die Wiener Freiheitlichen bis heute treu geblieben. So fordert deren Chef Strache im bereits begonnen Wahlkampf zu den Gemeinderatswahlen, die frühestens in eineinhalb Jahren ausgetragen werden, "mehr Sicherheit". Einer der Lösungsansätze: "Null Toleranz für Drogendealer".

3. Das Wiener Bezirksjournal, das gratis an alle Haushalte verteilt wird, startete u.a. aufgrund einer Unterschriftenaktion, die von Strache der Öffentlichkeit präsentiert wurde, eine "Kampagne gegen Drogen und Dealer". Auch dort ist klar, dass es sich bei den Dealern um "SA" handelt, so die Abkürzung für "Schwarzafrikaner". Seither wird in jeder Ausgabe das Thema Drogen behandelt und werden rassistische Bilder aufgegriffen und verstärkt.(10)

4. Nicht nur H.C. Strache vertritt die Meinung: "Ob die Hautfarbe von Dealern nun schwarz, weiss oder sonst wie ist. Ihnen muss das Handwerk gelegt werden, das System dahinter gehört zerschlagen. Vom organisierten Asylmissbrauch bis zum Netzwerk der internationalen Drahtzieher. Und die Gesetze gehören massiv verschärft. Bei der Bekämpfung des Drogenhandels darf es keine Toleranz geben." (H.C. Strache im Gastkommentar "Null Toleranz!" in "Die Presse")

5. Immer wieder wird von Misshandlungen durch die Polizei berichtet. Doch nur selten wird derartigen Fällen mediale Aufmerksamkeit geschenkt. Nur wenn eindeutige Beweise an die Öffentlichkeit dringen, gerät der Polizeiapparat in Kritik. So wie im Fall Seibane Wagues, dessen Misshandlung, die zu seinem Tod führte, gefilmt und teilweise im ORF ausgestrahlt wurden. Der UVS erklärte am 31. Jänner 2004 die Amtshandlung, die zum Tod Seibane Wagues führte, für rechtswidrig.(11) Gegen diesen Bescheid wurde Rechtsmittel eingebracht. Am 16. April 2004 teilte schließlich die Staatsanwaltschaft Wien mit, dass sie gegen vier PolizeibeamtInnen ermittelt. Ein notfallmedizinisches Gutachten habe den Verdacht ergeben, dass die vier PolizistInnen "nicht alles getan haben", um den Tod von Seibane Wague zu verhindern. Dies wird auch einem Notarzt der Wiener Rettung vorgeworfen. Die Vorerhebungen laufen wegen Verdachts der fahrlässigen Tötung. Aus der Formulierung wird klar, dass es nicht darum geht, festzustellen, was den Tod ausgelöst hat. Rassistisch motivierte Gewalt wird nicht hinterfragt. Eine Gewalt, die sich aufgrund des rassistischen Konsens in der Bevölkerung gegen MigrantInnen richtet, vor allem gegen AfrikanerInnen, die jedoch grundsätzlich alle treffen kann; ganz nach dem Motto: "Null Toleranz!"

6. Interessant ist auch, wie die offizielle Betrachtung aus menschenrechtlicher Sicht bewertet wird. So wurde der Menschenrechtsbeirat im Innenministerium (MRB) damit beauftragt, einen Bericht über "Einsatz polizeilicher Zwangsgewalt - Risikominimierung in Problemsituationen" zu erstellen. Darin erscheint der vom MRB eingerichteten Arbeitsgruppe "die Erstellung eines Einsatzprofils für Amtshandlungen mit SchwarzafrikanerInnen, welches psychologische Knackpunkte enthält, als sinnvoll." Damit reiht sich der MRB ein in den Tenor jener, die sich laut eigener Definition kritisch mit der Thematik befassen, jedoch ihre Vorurteile weiter tragen. Der MRB untersucht Vorfälle, die mediales oder öffentliches Interesse erweckten, er geht aber nicht strukturellen Problemen nach und versucht diese zu beseitigen. So werden die behördlichen Methoden, die immer wieder zu "Zwischenfällen" mit Todesfolge führen, nicht grundlegend hinterfragt. Es geht vor allem um bessere Schulungsmaßnahmen zur Vermeidung der "Zwischenfälle"; die gängige Praxis gerät aus dem Blickfeld.

7. Selbst wenn die Polizei vorgibt, die Verhältnisse kritisch zu betrachten, bestimmen Vorurteile das Denken. Im Bericht "Polizei und Afrikaner. Pilotprojekt Alsergrund" wurde im September 2000 eine Ist-Stand-Analyse durchgeführt, in der festgehalten wird, dass es zu Spannungen zwischen PolizistInnen und AfrikanerInnen "einerseits aufgrund der teilweisen Aufforderung der Bevölkerung zum Einschreiten aber andererseits auch aufgrund eigener dienstlicher Wahrnehmungen von schwarzafrikansichen Dealern und daraus resultierenden Amtshandlungen (kommt). Es wird dies aber nicht als Spannung empfunden, sondern es handelt sich um die Erfüllung des gesetzlichen Auftrages der Polizei. (Und dieser wird gegen jede andere Person in der gleichen Art und Weise erfüllt. Unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Nationalität, ...)"

8. "Im Lande Indien gibt es Menschen mit Hundeköpfen, die sich bellend unterhalten (und) ... sich ernähren, indem sie Vögel fangen. ... Andere wiederum haben bloß ein Auge auf der Stirn. ... In Libyen werden viele ohne Köpfe geboren und haben einen Mund und Augen. Viele haben beide Geschlechter. ... Nahe dem Paradies am Gangesfluss leben Menschen, die nichts essen. Sie saugen flüssige Äthiopien gen Westen haben viele vier Augen ... (und) in Eripien leben schöne Menschen mit Kranichhülsen- und Schnäbeln."(12) Rassistische Bilder haben eine lange Tradition. Der hier zitierte Reisebericht aus dem 15. Jahrhundert fasst nach Stuart Hall mehr als tausend Jahre von Reiseberichten zusammen. Diese Berichte trugen im Spätmittelalter zum Entstehen eines "Wissen" über andere Welten bei. Für Hall ist es die Mischung aus Tatsache und Phantasie, die das "Wissen" anhand von Bildern formte. Und diese rassistischen Bilder und Vorstellungen leben - wenn auch nicht in oben zitierter Form - bis heute weiter. Doch eines ist geblieben: Viele Phantasien werden als Tatsache wahrgenommen und nicht hinterfragt.


Fortsetzung folgt...


Die Operation Spring und das gesamte Drum Herum sind ein sehr großer Komplex und es fällt schwer, einen Überblick zu gewinnen. Mehr dazu findet ihr in der Rubrik zur Operation Spring.

In einem Text, den wir veröffentlichen werden sobald er geschrieben ist, werden wir weitere Aspekte aufgreifen und der Frage nachgehen, warum die Fälle vor Gericht wie "normale Kriminalfälle" behandelt werden und die rassistische Komponente stets ausgeblendet wird.

Weiters wollen wir der Frage nachgehen, inwieweit es bei der Stereotypisierung afrikanischer Männer als Drogendealer, die "Frauen und Kinder verführen", zu Überschneidungen mit Sexismen kommt. Was hat es mit der Privilegierung durch das "weiße Herrentum" auf sich?



Anmerkungen:


(1) Im Kurier vom 20.12.2002 stand: "Brauchte der Süchtige früher einen Vermittler zum Dealer, so sprach sich bald herum, dass der "schwarze Mann am Eck" alles zu bieten hat, was der Junky benötigt."
(2) Der Operation Spring folgten eine Reihe von ähnlichen Aktionen, wie die "Operation Spring 2", "Operation Streetrunner", "Operation Hot Shoes", oder die Operation Easy. Eine genaue Auflistung aller Razzien liegt uns nicht vor, diese Polizeiaktionen finden jedoch bis heute als sog. Schwerpunktaktionen in unregelmäßigen Abständen statt. Zur Entwicklung der Drogenrazzien siehe "Die Konstruktion der nigerianischen Drogenmafia" in derive Nr. 1, Juli 2000, http://www.derive.at.
(3) siehe Prozessbericht vom 08. Mai 2001 auf no-racism.net.
(4) siehe: Operation Spring: Freispruch mit Konsequenzen auf no-racism.net, 24.9.2002.
(5) Oft wegen einer versäumten Frist oder Nichtzustellbarkeit von Bescheiden.
(6) siehe dazu: www.no-racism.net, www.asyl.at, Sebastian Schuhmacher: Fremdenrecht, St. Pölten 2003, Ergänzungen zum AsylG 2003 (als .pdf) auf: www.deserteursberatung.at. Weitere Gesetze zur rassistischen Ausdifferenzierung der Gesellschaft sind das Fremdengesetz, AulsänderInnenbeschäftigungsgesetz, StaatsbürgerInnenschaftsgesetz usw.
(7) hier ist die Praxis der Gerichte klar rassistisch, da derartige Hochrechnungen vorwiegend gegen AfrikanerInnen angewendet werden.
(8) dieser Vorwurf wird zunehmend auch bei kleineren Delikten, wie Diebstählen, angewendet.
(9) siehe dazu auch: Bürgerinitiative gegen den Drogenhandel in Erdberg auf no-racism.net und Sicher ist Sicher. BürgerInnen gegen Drogen in TATblatt +207, http://www.tatblatt.net.
(10) Das Bezirksjournal (BJ) veröffentlicht seit Jahren rassistische Aussagen von PolitikerInnen aller Couleur. Hier wird nur auf die aktuelle Kampagne eingegangen. Wäre das Thema nicht so ernst, könnte bei dieser Kampagne von einem hohen Unterhaltungswert gesprochen werden.
(11) siehe Amstshandlung gegen das Gesetz. Unverhältnismäßige Gewalt in TATblatt Nr. +208, März 2004, http://www.tatblatt.net.
(12) zitiert nach Stuart Hall: Rassismus und kulturelle Identität. Ausgewählte Schriften 2, S. 157.