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[ 29. Jun 2004 ]

Bericht über den Hungerstreik in Berlin für Abschiebestopp nach Togo

54 politische Flüchtlinge aus Togo führten vom 19.06. bis zum 22.06.
2004 einen 4-tägigen Hungerstreik auf dem Berliner Gendarmenmarkt durch.

 

54 politische Flüchtlinge aus Togo führten vom 19.06. bis zum 22.06.
2004 einen 4-tägigen Hungerstreik auf dem Berliner Gendarmenmarkt durch.
Unterstützt von 59 Exiloppositionellen und Asylsuchenden aus Togo und
weiteren 20 aus Kamerun, so aus anderen afrikanischen ländern, brachten
die Hungerstreikenden ihre Forderung nach einem generellen und
sofortigen Abschiebestopp nach Togo und andere afrikanische Diktaturen
in die Öffentlichkeit. 4 Tage und NÀchte nur Wasser und Tee zu sich
nehmend und der kÃŒhlen und wechselhaften Witterung ausgesetzt (die Stadt
Berlin hatte das Aufstellen von Zelten untersagt) informierten die
Flüchtlinge aus der dienstältesten Diktatur Afrikas über die jüngsten
Massenabschiebungen und die kriminelle Flüchtlingspolitik Deutschlands.

Mit roten Stirnbändern, in Erinnerung an diejenigen, die bei ihrer
Flucht oder ihrer Abschiebung ums Leben kamen, und mit weissen Hemden,
die mit den Forderungen der Streikenden beschrieben waren, verharrten
die 54 Togoer und Togoerinnen und ihre UnterstützerInnen in Sonne,
Sturm, Hagel und Regen auf dem Gendarmenmarkt in der Nähe von
RegierungsGebäuden und Luxushotels.

Flüchtlinge aus Togo in Deutschland


Seit über einem Jahr, seit der präsidentschaftswahl-Farce im Juni 2003
und des erneuten Anstiegs der Repression gegen RegimekritikerInnen,
hatten togoische Flüchtlinge in Deutschland mit zahlreichen
Öffentlichkeitsveranstaltungen auf die Situation in Togo aufmerksam
gemacht und das Gespräch mit Vertretern der deutschen Politik und der
deutschen Behörden gesucht. Ungeachtet aller Aktivitäten haben die
deutschen Behörden und die Verwaltungsgerichte die Ablehnungen von
Asylgesuchen radikal gesteigert und mit den Massenabschiebungen vom 26.
und 27. Mai 2004 deutlich gemacht, daß kein politische Flüchtling aus
Westafrika in Deutschland noch sicher ist. Vor diesem Hintergrund
entschlossen sich die AktivistInnen zu der Hungerstreikaktion mit dem
Ziel, die menschenrechtsverletzende Praxis und die Blockade der
Umsetzung des Rechts auf Asyl durch den deutschen Staat einer breiteren
Öffentlichkeit zu präsentieren und Unterstützung aus der Gesellschaft
einzufordern.

Öffentliches Interesse vor Ort und Medienöffentlichkeit


Das öffentliche Interesse der zahlreichen Touristen und Passanten war
unerwartet hoch. Von morgens früh bis spät in die Nacht informierten
sich Menschen aus aller Welt über die Situation der Flüchtlinge in
Deutschland und über die Situation in den Herkunftsländern. Touristen
aus von allen Kontinenten zeigten sich betroffen über die Realität von
Asylsuchenden in Deutschland und mußten das Bild, das Deutschland
bezüglich Demokratie und Menschenrechte von sich selbst zeichnet,
korrigieren. Hunderte Menschen unterzeichneten die Forderungen der
Hungerstreikenden. Schulklassen aus ganz Deutschland, die sich auf
Klassenfahrt in Berlin befanden, erhielten in kurzer Zeit Wissen über
Geschehnisse in diesem Land, was ihnen in den seltensten fällen in der
Schule vermittelt wird.

Insgesamt war festzustellen, daß viele Menschen nicht oder falsch
informiert sind, wie der Staat mit Menschen umgeht, die ihr Recht auf
Asyl in Deutschland einfordern. Diejenigen, denen die politische
Situation in Togo bekannt ist, waren empört, daß Deutschland Menschen in
die Diktatur des Generals Eyad"©ma abschiebt.

Zumindest auf Berliner Ebene konnte während der 4 Tage eine gewisse
Medienöffentlichkeit hergestellt werden. überregional wurde außer in der
linken Tagespresse, in dem Radiosender Deutschlandfunk und vom
Evangelischen Pressedienst nicht über den Hungerstreik und die
Forderungen der Flüchtlinge aus Togo und Kamerun berichtet.

über das Internet war auch eine internationale Öffentlichkeit erreicht
worden. Mehrere Anrufer aus Togo drückten ihre solidarität mit der
Protestaktion aus.
In der Münchener Innenstadt fand zeitgleich in einem großen Zelt eine
Dauermahnwache statt, die von togoischen Exiloppositionellen, der
Karawane München und dem bayrischen Flüchtlingsrat organisiert wurde.

Wenig Resonanz am UNHCR Symposium


In Berlin nahmen Vertreter oder Vertreterinnen politischer Parteien in
Deutschland keinen Kontakt zu den Protestierenden auf. Mit Ausnahme
einiger Basismitglieder der PDS, die der Auffassung waren, daß ihre
ParteiFührung in dieser Thematik aktiv werden müsse und versprachen die
Informationen weiter zu tragen, ließ sich keiner der zahlreichen
Politiker, die das zeitgleich in dem benachbarten Französischen Dom
stattfindende 4. UNHCR-"Symposium zum Flüchtlingsschutz" besuchten,
blicken.

Obwohl der Sprecher der hungerstreikenden togoischen Flüchtlinge zu
Beginn des Symposiums die versammelten TeilnehmerInnen über den Streik,
die Situation in Togo und die Kollaboration zwischen Deutschland und
Togo informierte, gab es wenig Resonanz. Es wurde der
Eindruck bestätigt, daß die tagenden VertreterInnen von NGOs, Behörden
und Politik lieber über Flüchtlinge reden als mit ihnen. Pro Asyl
unterstützte öffentlich die Forderungen der Togoer und Togoerinnen.
Amnesty International zeigte Interesse, sich zu einem späteren Zeitpunkt
mit VertreterInnen der togoischen Exilopposition zu treffen. Gleiches
äußerte ein Vertreter des UNHCR-Deutschland. Konkret warfen die
Hungerstreikenden beiden Organisationen vor, nicht deutlich genug die
Menschenrechtsverletzungen und die Repression in Togo darzustellen.
Dadurch geben sie dem Auswärtigen Amt weiterhin die Möglichkeit falsche
Informationen über das brutale Regime des Diktators Eyad"©ma zu
verbreiten, wodurch massenhaft Asylgesuche abgelehnt werden.

Viele NGOs beklagen den Abbau der Menschenrechte und insbesondere des
Asylrechts, scheinen aber geneigt, sich mit den Gegebenheiten zu
arrangieren, weil sie keine starke oppositionelle Bewegung erkennen. Die
4 Tage und NÀchte auf dem Gendarmenmarkt haben aber gezeigt, daß es
durchaus eine große Zahl Menschen gibt, die bereit sind, für die Wahrung
der Menschenrechte und die Verteidigung des Asylrechts einzutreten.
Die politisch Verantwortlichen der Stadt Berlin haben sehr gut
verstanden, daß solche Öffentlichkeitsarbeit, wie die togoischen
AktivistInnen zusammen mit Flüchtlingen aus Kamerun, an einem Tag auch
mit Flüchtlingen aus dem Iran, mit der Brandenburger
Flüchtlingsinitiative (FBI), der antirassistischen Initiative Berlin
(ARI), und der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen
durchgeführt haben, eine gesellschaftliche Sprengkraft entwickeln kann.
Von Anfang an war die Stadt Berlin bemüht, den Protest zu verhindern.

Das Verbot Zelte aufzustellen wurde durch zwei Gerichtsinstanzen
aufrecht erhalten, in der Hoffnung, daß die Protestierenden aufgeben
würden. Versuche, das Spielen von Musik zu verhindern oder den
Hungerstreikenden das Wasser abzudrehen, konnte erfolgreich von Seiten
der Streikenden gekontert werden.

Auch wenn sich nicht unmittelbar etwas an der lebensbedrohenden
Situation für viele der Flüchtlinge und an der kriminellen
Abschiebepraxis geändert hat, hat die Entschlossenheit, die Klarheit und
die Kraft, die die AktivistInnen in ihrem Streik ausgedrückt haben, ein
Signal gesetzt und Mut gegeben, den Kampf zur Verteidigung der
Menschenrechte fortzusetzen.

Die Kampagne der togoischen Opposition gegen die Diktatur in Togo und
gegen die Kollaboration des deutschen Staates wirdfortgeführt. Weiterhin
ersuchen wir alle Organisationen, Initiativen und Einzelpersonen auf,
untenstehende Forderungen namentlich zu unterstützen.

Wir fordern:


1. Alle Abschiebungen nach Togo sofort zu einzustellen und einen
generellen Abschiebestopp zu erlassen
2. Alle in Abschiebegefängnissen festgehaltenen Togoischen Flüchtlinge
umgehend freizulassen.
3. das Recht auf Asyl für alle, die vor dem Regime Eyademas geflohen
sind, uneingeschränkt anzuerkennen.
4. die unkorrekten und unvollständigen Lageberichte des Auswärtigen
Amtes, die Grundlage für die asylentscheidenden Verwaltungsgerichte
sind, zu korrigieren. Dafür bieten die togoische Exilopposition und
verschiedene Menschenrechtsorganisationen ihre Kooperation an.
5. die togoische Oppositionsbewegung für Demokratie und Gerechtigkeit
nicht in ihrer exilpolitischen Arbeit zu behindern; weder durch die
Grundrechte verletzende Gesetze, wie die sog. Residenzpflicht und andere
menschenrechtsverletzende gesetzliche Regelungen, denen Asylsuchende in
Deutschland unterworfen sind, noch durch diskriminierende und
willkürliche polizeiliche und behördliche Kontrollen und Beschränkungen.

6. die übernahme der Verantwortung durch die Bundesregierung für die
Leib und Leben betreffenden Folgen, die aus der Verweigerung des
Asylrechts und der Abschiebung für die Betroffenen entstehen.
7. Treffen wie die Brüsseler Konferenz bezüglich des Abkommens von
Cotonou nicht dazu zu benutzen, mit dem Regime Eyademas neue Beziehungen
aufzunehmen.

Punkt 1 bis 6 sind auch auf die Situation der kamerunischen und
südkamerunischen Flüchtlinge zu übertragen.

bisher unterstützt von: Karawane (bundesweites Netzwerk), the Voice
Refugee Forum Jena, Antirassistische Initiative Berlin, Brot & Rosen
diak.Basisgem. HH, Niedersächsische Flüchtlingsrat, Rotfuchsgruppe HH,
Red. GEGENWIND Kiel, Yucom HH, Naturfreundejugend Berlin, FIAN-Gruppe
HH, Initiative gegen Abschiebehaft Berlin, Kathrin Edel, Stefan Meier,
Michael Begoll, Arbeitskreis Asyl Friedrichsdorf, Anticolonial Africa
Conference 2004, Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt, Flüchtlingsrat Hamburg,
Münchener aids-hilfe e.V., ......

Kontakt


Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen
Sektion Nord / Koordinationskreis Hamburg
c/o Brigittenstrasse 5 20359 Hamburg
Tel: 0049-(0)40-43 18 90 37
Fax: 0049-(0)40-43 18 90 38
mail: free2move (at) nadir.org
www.thecaravan.or

Die Protestaktion hat uns mehrere hundert Euro Schulden gebracht. Um die
Kampagne weiterzu führen, brauchen wir dringend Spenden. Leider sind auf
dem Konto bisher nur 200 Euro eingegangen:

Antirassist. Init. Berlin; Bank für Sozialwirtschaft; Kto: 30 39 606;
BLZ: 100 205 00

erklärung des Sprechers des Hungerstreikkomitees


gehalten auf dem "4. Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz" am
21.06.2004:

Togoische Flüchtlinge unter dem Schock der Willkür und der Ungerechtigkeit

Sehr geehrte Damen und Herren, Verfechter/innen und Verteidiger/innen
der Menschenrechte, liebe Deligierte, ich bin Tchedre Djibril A.
Gafarou, Mitglied von Perspektive Togo. Im Rahmen unserer politischen
Arbeit haben wir Kundgebungen und Aktionen gegen das diktatorische und
schÀndliche Regime Togos veranstaltet, beispielsweise am 19. Februar
2003 vor der togoischen Botschaft in Frankreich. Anlässlich des 55.
Jahrestages der erklärung der universellen Menschenrechte organisierten
wir eine Kampagne gegen Abschiebungen, die am 13. Dezember2003 in
hamburg begann und bei der wir über 30 deutsche Städte besuchten um der
Bevölkerung von der traurigen Realität unseres Schicksals zwischen
Heimat und Exil zu erzählen. Aufgrund meiner Erfahrungen in Sachen Asyl
und als Zeuge gewisser Ereignisse wurde ich hierher delegiert um kurz
und bündig von der Situation zu berichten, mit der wir als politische
Flüchtlinge hier in Deutschland konfrontiert sind.

In der Tat sind wir hier mit der Ungerechtigkeit der Verantwortlichen
des aussenministeriums konfrontiert, das den Gerichten falsche
Informationen liefert, auf denen die Abschiebungen der politischen
Flüchtlinge basieren, die sie zurÃŒkschicken in die länder mit blutigen
Diktaturen wo systematische Verletzungen er Menschenrechte an der
Tagesordnung sind.

Die 22 Punkte des Verpflichtungskataloges der Brüsseler Konferenz von EU
und AKP-Staaten sind nur eine politische illusion die der EU die
Wiederaufnahme der Kooperation mit dem togoischen Diktator erlauben;
dabei dient Togo als Drehscheibe für Handel mit Waffen und Kriegsgerät,
das die Konflikte in Westafrika und Zentral-Westafrika anheizt.
Diese 22 Punkte und die jünst Untersuchung der Internationalen Liga für
Menschenrechte (ILMR) bestätigen deutlich, dass Togo ein krimineller
Terrorstaat ist und dass der Kampf gegen derartige Regierungsformen
berechtigt ist. Deutschland hat die Formulierung dieser 22 Punkte der
Brüsseler Konferenz abgewartet, bevor weitere Abschiebungen von
Togolesen veranlasst wurden, diesmal unter dem Vorwand, General Eyadema
sei guten Willens. Jedoch, die Entscheidung für die Rückführung
togolesischer politischer Flüchtlinge fiel bereits im November 2003 auf
der Innenministerkonferenz in Jena. Auf der Basis der falschen
Informationen des aussenministeriums an die Entscheidungsinstanzen
organisiert das Innenministerium in einem grotesken Szenario
Charter-Abschiebungen von politischen Flüchtlingen, die schließlich
unter unmenschlichen Bedingungen von der Grenzschutz-Polizei durhgeführt
werden. Als Beispiele zitieren wir:

Die nicht fundierten Informationen, geliefert vom aussenministerium im
Dezember 2003 anläßlich der Demonstration in Paris;
die Informationen vom 3. November 2003, geliefert ans
Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt. Diese Informationen sollen die
konkreten Beweise eines Szenarios sein, denen die ebenfalls an die
Gerichte gelieferten Informationen und Berichte des UNHCR und von
Amnesty international wiedersprechen (Quelle: Information des UNHCR und
von AI vom 21.10.2003)

Wir klagen an dieser Stelle das Schweigen des UNHCR und von AI bezüglich
der Massenabschiebungen von togolesischen Flüchtlingen an, dass sich
ebenfalls auf die fragwürdigen Ergebnisse der Brüsseler Konferenz und
die mit der ältesten Diktatur Afrikas abgeschlossenen 22 Punkte bezieht.
Alle Organisationen zur Verteidigung der Menschenwürde sind sich darüber
einig, dass Togo eine der barbarischsten Diktaturen des Jahrhunderts
ist. Und trotz der von Deutschland unterzeichneten Konventionen werden
die togolesischen politischen Flüchtlinge gewaltsam abgeschoben. Dies
bezeugt die unwandelbare und offizielle Unterstützung Deutschlands der
Militärdiktatur in Togo.