Profitieren von der Maßnahme sollen auch die Einwanderer, die in sklavenähnlichen Verhältnissen arbeiten und ihre Ausbeuter anzeigen.
Artikel übernommen von telepolis - Magazin der Netzkultur 24.08.2004
von Ralf Streck
Spanien will illegal eingewanderte Ausländer legalisieren
Profitieren von der Maßnahme sollen auch die Einwanderer, die in sklavenähnlichen Verhältnissen arbeiten und ihre Ausbeuter anzeigen.
Über eine Million Einwanderer leben nach Schätzungen im gesamten spanischen Staat, ohne dass deren Aufenthaltstatus geregelt wäre. Illegale heißen sie im Volksmund. Die sozialistische Regierung will nun den Status derer legalisieren, die "glaubwürdig" einer Arbeit nachgehen. Antonio Hernando, Sprecher für Immigration der Sozialisten (PSOE), sagte, es arbeiteten viele Einwanderer in Spanien, sie hätten eine Wohnung gemietet und oft sogar ihre Kinder eingeschult. "Es ist anormal, dass sie quasi normal in Spanien leben, aber keine Papiere haben."
Von der Regulierung würden auch die Einwanderer profitieren, welche Unternehmer anzeigen, die sich an der Beschäftigung von Menschen ohne Papiere bereichern. Deshalb habe die für September angekündigte maßnahme ein doppeltes Ziel: Die Schattenwirtschaft zu bekämpfen und die Situation vieler Einwanderer zu normalisieren. Der Integrationsplan, den die Staatssekretärin für Einwanderung Consuelo Rum" vorlegen werde, sehe neben der "Integration" aber auch eine verschärfte Kontrolle der Grenzen vor.
Die konservative Volkspartei (PP), die in ihrer Regierungszeit bis im März auf eine repressive Ausländerpolitik setzte, kritisierte die maßnahme als "schweren Fehler". Es werde ein "großer Anreiz" geschaffen", nach Spanien zu gehen, sagte der Oppositionsführer Mariano Rajoy. Zudem würde die außerordentliche Regulierung eine gesamteuropäische Einwanderungspolitik unterminieren. Ohnehin hätten die Sozialisten schon 100.000 Menschen über den leisen administrativen Weg legalisiert, darunter viele, die "strafbare Handlungen" begangen hätten.
Rajoy schweigt aber über das Scheitern der repressiven Politik seiner Partei. Trotz etlicher Verschärfungen des Ausländergesetzes mit dem Ziel der massiven Ausweisung ist es ihr selbst mit großem Aufwand, elektronische Überwachung der Küste inbegriffen (Elektronischer Schutzwall gegen Einwanderer), nie gelungen, den Strom der Einwanderer zu begrenzen. Die nehmen statt dessen immer größere Risiken auf sich, um nach Europa zu kommen. Die Zahl derer die auf dem Weg nach Europa das Leben verliert, steigt beständig an (Flucht in die Festung Europa).
Ein Effekt dieser Politik war, dass die Sozialisten nach den Wahlen einen Berg von mehreren Hunderttausend unbearbeiteten Anträgen zur Erneuerung der Aufenthalts oder der Arbeitserlaubnis vorfanden. Mit der konsequenten Verschleppung der Bearbeitung hatte die PP viele wieder illegalisiert, deren Status schon einmal geregelt war. Consuelo Rumi meinte deshalb, man müsse nun "Ordnung" in das geerbte "Chaos" bringen. Auch unter der PP seien viele ins Land gekommen. "Da sie nicht zurückgebracht wurden, arbeiten sie jetzt hier." Ein "Anreiz" sei so nur für die Schattenwirtschaft entstanden. Der gehe es jetzt an den Kragen.
Doch wie das vor sich gehen und wie der Nachweis über eine glaubwürdige Beschäftigung geführt werden soll, weiss Rumi selbst noch nicht. Für den Nachweis, so dachten viele, reiche wie früher ein einfaches Arbeitsangebot zur Legalisierung aus. Deshalb hätten schon einige "Rücksichtslose" begonnen, "gefälschte Arbeitsangebote" zu verkaufen, kritisierte Carlos Gomez. Der Leiter einer Arbeitsgruppe für Einwanderung an der Universität von Alicante befürchtet, dass diese Information nun in den Heimatländern zirkuliert: "Viele verkaufen nun ihr Hab und Gut, um nach Spanien zu gehen, und ihre Lage ist dann schlechter als vorher."
Schnell schob Rumi deshalb nach, ein Arbeitsangebot reiche nicht. Doch wie in einem Land der Nachweis geführt werden soll, in dem keine zehn Prozent der Arbeitsverträge unbefristet geschlossen werden, sagte sie nicht.. möglich ist, dass ein Teil der Schattenwirtschaft nun auf Kosten der Einwanderer legalisiert wird. Sie sind gezwungen, jeden Vertrag anzunehmen, sonst gäbe es keine Legalisierung. Es ist es ein offenes Geheimnis, dass mit der erneuten Regulierung der Druck auf die zunehmen wird, die ihren Status nicht legalisieren konnten.
Angesichts der Vorgehensweise kritisieren auch die Organisationen die Regierung, welche die Maßnahme grundsätzlich begrüßen. Sie fordern von den Sozialisten ein gemeinsames Treffen, um die Ausgestaltung zu besprechen. Jesus Pérez, Exekutivsekretär der Arbeiterunion UGT meint, es handele sich um ein "unreifes und vorschnelles" Vorgehen. Man hätte darüber im Vorfeld diskutieren müssen. Der Kritik der Gewerkschaften schließt sich auch die "Vereinigung der Arbeiter aus dem Maghreb in Andalusien" (ATIME) an. Man könne doch nicht die Unternehmer entscheiden lassen, wer Papiere erhält und wer nicht. "Die Regierung muss die Verantwortung übernehmen die ihr zukommt und darüber entscheiden", sagte deren Vizepräsident Kamal Rahmouni.
Doch auch angesichts des angerichteten Diskussionschaos ist es positiv, dass die PSOE mit der Abschottungspolitik der Vorgänger brechen will. Bisher haben sie sich auch nicht an den Diskussionen beteiligt, in Nordafrika Auffanglager einzurichten, damit die Einwanderer erst gar nicht nach Europa kommen. Im Juli wurde vielmehr ein umstrittenes Lager auf der Insel Fuerteventura aufgelöst. Unter inhumanen Bedingungen hatten die konservativen Vorgänger bis zu 1.300 Einwanderer auf 1.500 Quadratmeter in einem Flughafengebäude interniert.