no-racism.net logo
 
 

[ 30. Aug 2002 ]

Vermummungsverbot beschlossen

In der letzten Sitzungswoche des Nationalrats vor der Sommerpause 2002 wurde mit den Stimmen von FPÖ und ÖVP das sog. Vermummungsverbot im Versammlungsgesetz beschlossen.

 

Der Gesetzesvorschlag war nach den Demonstrationen vom 13. April sowie vom 8. Mai 2002 von den Regierungsparteien eingebracht worden, um von der Teilnahme von aktiven und ehemaligen FPÖ-Politikern an rechtsextremistischen und zum Teil das NS-Verbotsgesetz verletzende Veranstaltungen sowie von der Tatsache abzulenken, dass die Behörde des Innenministers diese Veranstaltungen wenn schon nicht aktiv begünstigt (obwohl dies hinsichtlich des polizeilichen Nichteinschreitens nach Absprache mit den in Zusammenhang mit dem Nazi-Aufmarsch durch die Kärntnerstrasse vom 13. April 2002 zumindest diskutierbar wäre), so doch zumindest unter sehr wohlwollender Auslegung der Gesetzeslage und der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes geduldet hat.

Entgegen ersten HorrorVorschlägen von FPÖ (und den Grünen) ist das nunmehr beschlossene Vermummungsverbot eher "moderat" ausgefallen.

Verboten ist nach §9 des Versammlungsgesetzes in Zukunft die Teilnahme an Demonstrationen für Personen, die "ihre Gesichtszüge durch Kleidung oder andere Gegenstände allein zu dem Zweck verhÃŒllen oder verbergen, um ihre Wiedererkennung im Zusammenhang mit der Versammlung zu verhindern" oder "Gegenstände mit sich führen, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Feststellung der Identität zu verhindern". Verpünt ist also nicht allein das Vermummen an sich, sondern auch das Mitführen von Gegenständen, die sich zur Vermummung eignen.

In der Durchsetzung dieses sehr allgemein gehaltenen und damit sehr weit auslegbaren Vermummungsverbots hat der Gesetzgeber abgestufte ReaktionsMöglichkeiten vorgesehen. So sind gegen vermummte Personen vor einer Festnahme jedenfalls die so genannten "gelinderen Mittel" des Sicherheitspolizeigesetzes, also die obligatorische "Abmahnung", aber auch die Wegweisung und die Sicherstellung der sich zur Vermummung eignenden Gegenständen. In der Praxis werden diese gelinderen Mittel kaum erfolgreich eingesetzt werden können, da weder eine erfolgreiche "Wegweisung" noch eine "Sicherstellung" von Gegenständen, die sich zum Zeitpunkt der Sicherstellung noch im unmittelbaren Besitz der (oder in Verwendung durch die) das Gesetz ?bertretenden Person befinden ohne Feststellung der Identität der oder des Betroffenen als denkbar erscheint. Oder anders: Es wird wohl kaum einE DemonstrantIn einfach seine/ihre Vermummung ablegen oder die Demonstration verlassen, nur weil irgendein dahergelaufener Kieberer das anschafft...

In realistischer Einschätzung dieser Tatsache sieht das Gesetz daher auch Ausnahmen von der polizeilichen Pflicht, gegen vermummte Menschen einzuschreiten, vor: Die Polizei braucht dann nicht einzuschreiten, wenn keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit zu befürchten ist (an dieser Stelle ist den GesetzestexterInnen übrigens ein Redaktionsfehler oder eine Ungenauigkeit unterlaufen, der/die uns noch viel Freude bei Gerichtsverfahren bereiten könnte).

für Vergehen gegen das Vermumungsverbot sind AUSSCHLIESSLICH Verwaltungsstrafen in der Höhe von bis zu Euro 720,- vorgesehen, die - wie das nun mal im Verwaltungsstrafrecht üblich ist - bei der erstmaligen Bestrafung nicht ausgeschÃŒpft werden können. Gerichtliche Strafen hingegen sind vorgesehen für Personen, die vermummt sind und Waffen bzw. Gegenstände mit sich tragen, "die geeignet sind und den Umständen nach nur dazu dienen, Gewalt gegen Menschen oder Sachen auszuÃŒben." Strafen bis zu sechs Monaten Haft bzw. zwölf Monate Haft im Wiederholungsfall sind möglich.

Personen, die "nur" bewaffnet sind, werden von der Verwaltungsstrafregelung erfasst (was irgendwie pervers ist, aber bitte...).
Wie das "Vermummungsverbot" in der Praxis angewandt werden kann, wird sich erst weisen. Insbesondere die Tatsache, dass nur Vermummung untersagt ist, die "allein" darauf abzielt, Gesichtszüge zu verbergen, erlaubt weite Interpretation, eröffnet aber auch Handlungsspielraum. Interessant wird auch die gerichtliche Interpretation der Gesetzeszeile "Gegenstände (..), die geeignet sind und den Umständen nach nur dazu dienen, Gewalt gegen Menschen oder Sachen auszuÃŒben" werden. Zumindest in den erl?uternden Bemerkungen zum Gesetzesvorschlag steht, dass Transparentstangen NICHT zu solchen Gegenst?nden zu rechnen sind (sehr wohl aber Flaschen oder Farbbeutel).

Das Vermumungsverbot sowie das um unbestimmte Gegenstände erweiterte Waffenverbot tritt - gerade rechtzeitig zum WEF-Treffen in Salzburg - am 1. September 2002 in Kraft. Besonders zahlreiche und insbesondere phantasievolle Umsetzung der Bestimmungen seitens potentieller DemonstrantInnen wird es unexekutierbar und über kurz oder lang zu ebensolcher Makulatur machen wie der Rest des extrem veralteten Versammlungsgesetzes. Wir freuen uns schon darauf, über Demonstrationen berichten zu dürfen, auf denen sich hunderte TeilnehmerInnen mit Tiermasken, Präservativen (das geht wirklich!) oder anderen bunten Mitteln verkleiden, auf denen Mittels mitgeführtem HÀusl samt vormontierten Abflussrohren der Wunsch zum Ausdruck gebracht wird, die gegenwärtige (oder eventuelle nachfolgende) Regieruing(en) möe in den Kanal der Geschichte gespÃŒlt werden.

Nicht etwa deshalb, weil das Mitführen von Abflussrohren "gewalttätigen Gruppen" (wie sie vom Innenminister bis zu Van der Bellen herbeiphantasiert werden) Munition liefert, sondern weil weder Realität noch politische Einstellung oder Aktion gesetzlich verordenbar ist.

Dieser Text erschien zuerst in TATblatt +191/192 vom 30. August 2002.