Strafverfahren wegen Internet-Protest gegen die deutsche Lufthansa endet mit Geldstrafe. Angeklagter ruft im Schlusswort zu "elektronischem zivilen Ungehorsam" und weiterem Protest gegen das AbschiebeGeschäft der Lufthansa auf.
Vor dem Frankfurter Amtsgericht endete heute der erste Prozess gegen einen Initiatoren der ersten Online-Demonstration in Deutschland mit einer Verurteilung und Geldstrafe. Am 20. Juni 2001 hatten sich mehr als 13.000 virtuelle Demonstranten vor dem Internetportal www.lufthansa.com der Lufthansa versammelt, um gegen deren tödliche Abschiebeflüge zu demonstrieren. Durch den massenhaften und zeitgleichen Mausklick sollten die Server der Lufthansa symbolisch blockiert werden und die in der Öffentlichkeit die menschenverachtende Abschiebepraxis angegriffen werden.
Im heutigen Urteil folgte Amtsrichterin Wild in weiten Teilen der Argumentation der Staatsanwaltschaft und verurteilte den Angeklagten wegen "Nötigung", das heißt sowohl "Gewaltanwendung" wie auch "Androhung eines empfindlichen Übels", zu einer Geldstrafe von 900 Euro. In ihrer Urteilsbegründung sah Richterin Wild allein "durch die Kraftentfaltung des Mausklicks" bereits eine "Zwangswirkung" auf potentielle User der Lufthansa-Webseite, die zum Zeitpunkt der Protestaktion das Onlineportal der Abschiebe-Airline hätten besuchen wollen. Richterin Wild setzte zudem das geltende Versammlungsrecht außer Kraft, in dem sie dem Online-Protest lediglich den Charakter einer "Ansammlung" zubilligte, die zugleich aber wie eine illegale "Blockade" der Lufthansa-Webseite gewirkt habe.
Damit ging Richterin Wild selbst über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus und sah den Tatbestand der "Gewalt in seiner stärksten Form erfüllt", da im Internet auf elektronischem Wege der "Willen Anderer gebeugt" worden wäre. Richterin Wild, die zuvor sämtliche Beweisanträge der Verteidigung als "unrelevant" abgelehnt hatte, folgte ihrer Art Rechtsauffassung, die sich schon in harten Verurteilungen von Irakkriegsgegner, die 2003 die US-Airbase blockierten, ausgedrückt hatte. Und auch im virtuellen Raum, möchte die Amtsrichterin Rechtgeschichte schreiben. für sie war die Online-Demonstration mehr als nur ein einmaliger "Gewaltakt", sondern ihr ginge es auch darum, mit dem Urteil "potentielle Nachahmer" abzuschrecken.
Rechtsanwalt Scherzberg forderte in seinem Schlussplädoyer den bedingungslosen Freispruch. Er zweifelte die juristische Kompetenz der Staatsanwaltschaft an, die nicht in der Lage war, kausale Zusammenhänge zu verbalisieren.
Der Angeklagte beharrte auf dem Recht der freien Demonstration auch im Internet. Bereits im Schlusswort nahm er den Urteilsspruch vorweg als er betonte, dass allein die Tatsache dieses Prozesses beweise, dass "das Internet unter die Fuchtel des Polizeirechts" gestellt werden solle.
Während der Urteilsverkündung forderten empörte Zuschauer mit Transparenten die Demonstrationsfreiheit "online wie offline" und erklärten sich den 13.000 mit dem Urteilsspruch kriminalisierten Online-Demonstranten zugehörig.
Die Verteidigung und der Anklagte kündigten Revision an. Sie streben eine rechtliche Entscheidung über die Demonstrationsfreiheit im Internet vor den höchsten deutschen und Europäischen Gerichten an.