Am 10. und 11. Juli 2006 findet in Rabat (Marokko) eine euroafrikanische MinisterInnen- Konferenz zum Thema Migration statt. Nur wenige Tage davor sterben erneut Menschen am Zaun von Melilla.
Die europäischen Regierungen werden sich in Marokko treffen, um ihre Migrationspolitiken mit den Transitländern, wie dem Königreich Marokko, abzusprechen. Gleichzeitig kommt es weiterhin :: Gewalt gegen MigrantInnen, sowie zu zahlreichen Toten unter jenen, die versuchen nach Europa zu gelangen. Von den Behörden werden grundlegende Rechte und die internationalen Gesetzte, wie die Genfer Flüchtlingskonvention, verletzt. All diese Realitäten sollten eigentlich auf einem Gipfeltreffen debattiert und nach Lösungen im Sinne der MigrantInnen gesucht werden. Doch wird stattdessen wohl nur geplant, wie die :: Festungsmauern weiter ausgebaut werden und im Austausch gegen Geld ein Migrationregime in den afrikanischen Ländern eingerichtet wird, in dem jeder Ansatz von Demokratie fehlt sowie weitere Menschenrechtsverletzungen und Tote zu erwarten sind.
Erneut Tote an der Grenze
Am frühen Morgen des 3. Juli 2006 versuchte eine Gruppe von 25 Personen (laut Pressemeldungen 70 Personen) aus Kamerun, Nigeria, Guinea, Mali, Kongo, Burkina Faso und der Elfenbeinküste den :: Zaun, welcher Marokko von Melilla trennt, zu überwinden. Dabei verloren mindestens drei Menschen ihr Leben, weitere wurden zum Teil schwer verletzt. (siehe :: Festung-EU-Ticker, vom 06. Jul 2006)
Laut APA beschuldigen sich nun die spanische und die marokkanische Polizei gegenseitig, die tödlichen Schüsse auf die Flüchtlinge am Grenzzaun zwischen der spanischen Nordafrika-Exklave Melilla und Marokko abgegeben zu haben. Nach spanischen Zeitungsberichten vom Dienstag, 4. Juli 2006, starben drei Flüchtlinge durch Schusswunden. Eine vierte Person wurde bei einem Sturz vom sechs Meter hohen Grenzzaun schwer verletzt.
Die MigrantInnen und NachbarInnen sowohl auf der spanischen wie auf der marokkanischen Seite des Grenzzaunes versichern, dass sie Schusswaffensalven gehört haben. Im Durcheinander wissen die FreundInnen nicht, wer das Feuer zuerst eröffnet hat und wer in die Luft geschossen hat. Einige ZeugInnen aus Burkina Faso versichern, dass sie drei Leichen gesehen haben. Eine auf der spanischen Seite, eine weitere auf der Hälfte des Zaunes (diese Leiche wurde nach Nador überführt) und eine dritte auf marokkanischer Seite. Ebenso wurde uns der äußerst schlimme Zustand eines Freundes aus Burkina Faso dargestellt, der in das Krankenhaus von Nador gebracht wurde. Wir können derzeit nicht bestätigen ob er tot ist oder nicht.
Zahlreiche Versuche, permanente Repression
Unter den Personen, die nun versuchten, die Grenze zur EU zu überwinden, befanden sich auch drei Flüchtlinge aus der Elfenbeinküste. Sie gehörten zu jener Gruppe, welcher es zu Weihnachten 2005 gelang, nach Melilla einzureisen und bei der Guardia Civil um Asyl anzusuchen. Doch ihre Anträge wurden missachtet und sie wurden von der Guardia Civil über eine kleine Türe im Zaun zurück nach Marokko gebracht. Später stellte diese Gruppe unter sehr großen Schwierigkeiten einen Asylantrag bei den spanischen Behörden in Marokko, da die AntragstellerInnen fortgesetzt durch die marokkanische Regierung verfolgt werden. Es ist nicht bekannt, ob sich unter den nun Getöteten oder Verletzten Personen aus dieser Gruppe aus der Elfenbeinküste befinden.
Bei Razzien, die vor diesem Versuch den Zaun zu überwinden stattfanden, wurde 34 Leute durch marokkanische Behörden verhaftet und im Posten von Mariguari inhaftiert, der unmittelbar an der Grenze zu Melilla liegt. Einige von ihnen haben unterschiedliche Verletzungen, doch bis zur Stunden keinerlei medizinische Hilfe erhalten.
Im Moment versuchen 40 Personen in der Umgebung von Nador zu leben. Ihre Situation hat sich durch Hunger und die Gewalt, mit welcher marokkanischen Sicherheitskräfte gegen sie vorgehen, verschlechtert. Tatsächlich haben seit einem Monat 14 Personen verzweifelt versucht den Zaun von Melilla zu überwinden und wurden durch marokkanische Militärs abgefangen, welche maßlose Gewalt gegen sie anwendeten. Sieben Personen wurden schwer verletzt, eine Person ist bis heute nicht wieder aufgetaucht.
Weiters wurde bekannt, dass ein Boot vor der marokkanischen Küste bei Laayoune gesunken ist und dabei 21 Menschen ertrunken sind, 42 weitere gelten als vermisst (siehe :: noborder.org).
An diesen Küsten warten Flüchtlinge, einschließlich Personen deren Status durch die Vertretung des UNO-Flüchtlingskommissariats in Marokko anerkannt ist, auf eine Gelegenheit nach Europa zu gelangen. Ein Flüchtling von der Elfenbeinküste erklärt klar und deutlich, warum die Flüchtlinge auf diese verzweifelte Weise versuchen, das Land zu verlassen:
"Wir suchen unter den Toten ob befreundete Flüchtlinge dabei sind, im Moment haben wir viele Verschwundene, aber es kann sein, dass sie auf die kanarischen Inseln gelangt sind oder sie warten noch irgendwo an der Küste von Laayoune ... Wir alle haben Angst, in ein Boot zu steigen, Tausend Euro für die Reise zu zahlen und mit dem Leben zu spielen. Aber in Marokko sterben wir, sie töten uns Stück für Stück ... Wir haben einen, entsprechend der Genfer Konvention, anerkannten Flüchtlingsstatus, wir sind vor dem Krieg geflohen, vor der Gewalt, um uns in einem Land wiederzufinden, in welchem wir keinerlei Garantie haben. Marokko respektiert weder die Genfer Konvention, noch den Flüchtlingsstatus und ich kann dies im Detail ausführen:
1. Wir haben keinen Zugang zu einer Aufenthaltserlaubnis in Marokko. Das heißt, das wir mit einem vom der marokkanischen UN-Menschenrechtskommission ausgestellten Papier unterwegs sind, welches von der marokkanischen Polizei nicht als Ausweis anerkannt wird. Die Polizei wirft uns vor, wir seien klandestin und deportiert uns hemmungslos, zur algerischen Grenze... Anschließend müssen wir zu Fuß zurückkehren. Am schlimmsten sind die Frauen dran, welche in ihrer Mehrheit an dieser Grenze von skrupellosen Banditen, marokkanischen und algerischen Militärs vergewaltigt wurden.
2. Wenn einE AntragstellerIn in Marokko Asyl beantragen will, kann er/sie dies nur am Sitz des UNO-Flüchtlingskommissariats in Rabat tun. Doch dieses ist für viele nicht zu erreichen.
3. Die Flüchtlinge und AntragstellerInnen erhalten weder irgend eine Form von Hilfe noch dürfen sie eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, noch erhalten sie medizinische Betreuung, unsere Kinder bekommen keine Schulbildung. Die Männer leben vom Betteln, der Mildtätigkeit der Nichtregierungshilfsorganisationen und die Frauen müssen sich auf die eine oder andere Art prostituieren.
4. Wir schwarzen Flüchtlinge sehen uns auch einem sozialen und institutionellen Rassismus gegenüber, welchen wir bisher noch in keinem anderen Land erlebt haben. So können Sie verstehen, dass das Maß der Gewalt, welches wir in Marokko erleiden und wo wir schlimmer als VerbrecherInnen behandelt werden, uns dazu veranlasst, unser Leben zu riskieren, um in ein anderes Land zu gelangen, in welchem die Genfer Konvention respektiert wird. Ich hoffe nur, dass dieses mal kein Flüchtling sterben musste und wenn doch, dass sein Tod wenigstens dazu dient, dass die europäischen und internationalen Behörden uns zuhören."
Quellenangabe: Dieser Artikel basiert auf einem Bericht auf :: estrecho.indymedia.org (05. Jul 2006) und dessen Übersetzung auf :: de.indymedia.org (06. Jul 2006) sowie einer APA-Meldung vom 04. Jul 2006.