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[ 30. Jan 2002 ]

Sans Papier aus dem Gefängnis in Bern befreit

300 Leute haben am 29.1.2002 in Bern einen Sans Papier aus dem Berner Amtshaus-Sicherheitsgefängnis befreit. Er war am Nachmittag beim Besuch der Grossrats-Debatte verhaftet worden. Seine Zelle ist jetzt leer.

 

Am Dienstagabend ist aus dem Berner Amtshaus-Sicherheitsgefängnis an der
Amtshausgasse ein Sans Papier befreit worden. Er war am Nachmittag beim
Besuch der Grossrats-Debatte verhaftet worden.

Um 21.30 Uhr versammelten sich rund 300 Sympathisierende vor dem Amtshaus,
in das Sherif A. nach seiner Verhaftung gebracht wurde.

In einer gewaltfreien, direkten Aktion wurde er kollektiv befreit. Die
Scheibe aus Sicherheitsglas wurde entfernt und die StÀbe seiner Zelle
durchgesÀgt. Die Gruppe die handwerklich tätig war, nennt sich
?Menschenrechte - jetzt sofort?. Die Aktion wurde von einem Live-Konzert
begleitet.

Die Befreiung bewahrt den verfolgten Kurden vor seiner Ausschaffung durch
die Schweizer Fremdenpolizei. Sherif A. hätte am Mittwoch nach Sissach (BL)
verlegt werden sollen. Von dort hätte seine Ausschaffung erfolgen sollen.

Kein Mensch ist illegal! solidarität mit den Sans Papiers


Als Hintergrund das Flugblatt, das vor seiner Befreiung verteilt wurde:

Verhaftung und drohende Ausschaffung eines Sans-Papiers vom Berner
Kollektiv während einer Grossratsdebatte!

Im Grossrat des Kantons Bern wurden heute Interpellationen von Liliane
Gujer (Grünes Bündnis) behandelt. Aus diesem Anlass wollten zwei
Sans-Papiers, sowie zwei Personen des UnterstützerInnenkollektivs die
Debatte verfolgen. Bei der Eingangskontrolle zeigte Sherif seinen
führerausweis vor, er wurde problemlos eingelassen. Ein paar Minuten später
jedoch hiess es, er müsse im Foyer bleiben, da es einige ?AbKlärungen? zu
treffen gäbe. Auf weiteres Nachfragen hiess es dann, die Stadtpolizei sei
zuständig und unterwegs. Diese nahm ihn dann fest.
Laut polizeilichen Angaben ist seine Verhaftung auf einen RIPOL- Eintrag
zurückzuführen. Sherif soll nächstens der Fremdenpolizei Basel überstellt
werden.
Sherif reiste vor 13 Jahren erstmals in die Schweiz ein. Die
Mitgliedschaft in einer legalen Oppositionspartei, sowie die Tatsache, dass
er Kurde ist, führten zu mehreren Verhaftungen und Folter durch die Polizei,
sowie Morddrohungen. In der Folge verliess er die Türkei und kam in die
Schweiz. Nach vier Jahren wurde sein Asylgesuch abgelehnt. Daraufhin kehrte
er in seine Heimat zurück. Vor ungefähr 1 1/2 Jahren reiste er ein zweites
Mal in die Schweiz ein und stellte ein zweites Gesuch, auf das gar nicht
erst eingegangen wurde, weil er nur über einen kopierten führerausweis und
nicht über einen gültigen Pass verfügte.
Sherif verbinden enge familiÀre Beziehungen mit der Schweiz. Seine von ihm
geschiedene Frau (sie hat eine ?N? Aufenthaltsbewilligung) mit ihren beiden
kleinen Kindern leben im Kanton Bern. Er pflegte regelmässigen Kontakt mit
ihnen. Das Àltere Kind besucht die erste Klasse, des Jüngere eine
Spielgruppe. Beide haben viele Freundschaften geschlossen, etwas Berndeutsch
gelernt und sich integriert. Sein Bruder lebt auch in der Schweiz.
Diese Verhaftung steht im Widerspruch zu den seitens der Behörden
proklamierten Willen, HÀrtefälle einzeln zu überprüfen. Sowohl Gemeinde, wie
auch Kanton beteuerten stets, dass die Verfolgung von Sans- Papiers, die
sich innerhalb der Sans- Papiers-Kollektiv für ihre Regularisierung
einsetzen ?keine Priorität? darstelle. Diese Verhaftung aus einer
Parlamentsdebatte zeugt von einem erbÀrmlichen Demokratieverständnis der
Behörden. Sherif bereitete bereits seinen Antrag auf HÀrtefallPrüfung vor.
Seine Erfahrungen in der Türkei zeigen, dass Sherif nur unter akuter
Gefährdung seiner Sicherheit auszuschaffen ist und dies demzufolge einem
illegalen Willkürakt gleichkommt.
Wir verlangen die sofortige Freilassung von unserem Freund und Mitstreiter
Sherif und das Ende einer Politik der EinschÃŒchterung und der Repression.
Sherif war seit Anfang unseres Kampfes in Bern dabei. Wir haben ihn immer
als einen kommunikativen, feinfühligen, freundlichen und hilfsbereiten
Menschen und Vater erlebt. Wir sind entsetzt ab der Willkür, die ihm
widerfährt. Diesen Fall zeigt einmal mehr, wie unhaltbar und unmenschlich
unsere gültigen Gesetze sind und wie dringend es ist, menschliche Lösungen
zu finden und umzusetzen. Eine kollektive Regularisierung der Sans-Papiers
bleibt dringender denn je. Der Kampf geht weiter!

Johannes-Kirche Bern, 29. Januar 2002

Sans- Papiers-Kollektiv Bern
für zusätzliche Informationen: 078 / 801 26 34


Quelle: http://switzerland.indymedia.org/display.php3?article_id=7955