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[ 30. Dec 2007 ]

Vertreibungspolitik gegen abgewiesene AsylwerberInnen in der Schweiz

Schild vor Schweizer Bergen

Ab 1.1.2008 gelten in der Schweiz strengere Regelungen für Personen ohne Aufenthaltsrecht u.a. der Sozialhilfestopp für abgewiesene AsylbewerberInnen. Weiters neu ist die Bestrafung der illegalen Ausreise, restriktive Strafen für Scheinehen und die Kriminalisierung jener, die die vermehrt rechtlose Personengruppe der Illegalisierten unterstützt.

 

Ab 1.Januar 2008 tritt u.a. der Sozialhilfestopp für abgewiesene AsylbewerberInnen in Kraft. Mit der Umsetzung dieser Massnahme wurde auch in Zürich bereits in der vergangenen Monaten schrittweise begonnen. Es handelt sich dabei um das Resultat einer Gleichstellungspolitik für 'alle Personen ohne Aufenthaltsrecht'. Das primäre Ziel besteht in der raschestmöglichen Rückkehr 'dieser Personen in den Herkunftsstaat'.

Betroffen sind im Kanton Zürich mehr als 1.400 abgewiesene AsylbewerberInnen, die allein deshalb noch hier sind, weil sie nicht ausgeschafft werden können. Die Migrationsämter haben bereits alles ihnen mögliche zum 'Vollzug der Wegweisung' unternommen: von der Vorführung der Betroffenen auf den Botschaften ihrer Herkunftsländer, über die Einflussnahme auf politischer und finanzieller Ebene in den Herkunftsländern direkt, bis zur Anordnung von Ausschaffungshaft und Kriminalisierung. Alles erfolglos: Die Herkunftsländer wollen sie nicht zurück. Weil auch das Arbeitsverbot oder die verweigerte Anerkennung als 'schwerwiegender persönlicher Härtefall' nicht zur gewünschten Vertreibung 'dieser Personen' geführt hat, wird nun die Schraube weiter angedreht: Die Sozialhilfe wird auf Nothilfe runtergestuft. Konkret heisst dies, dass die Betroffenen ihre Unterkünfte verlassen müssen und in Notunterkünfte ohne Privatsphäre und Assistenzleistung zugeteilt werden. Ihren Lebensunterhalt müssen sie fortan mit Gutscheinen von 8 -10 Franken pro Tag und Person bestreiten. Ihre Krankenkasse wird gekündigt. Damit auch diese dürftigste Hilfe nicht gestrichen wird, muss sie alle paar Tage beim kantonalen Migrationsamt neu beantragt werden.

In den letzten Wochen suchten viele Betroffene in der SPAZ um Unterstützung und Rat. Es handelt sich dabei zum Teil um sehr lang anwesende und sehr integrationswillige Männer und Frauen, wie z.B. Herrn H. aus Bangladesh, der seit mehr als zehn Jahren hier lebt und als Angehöriger der diskriminierten Minderheit der Bihari als Staatenloser unerwünscht ist. Oder die Familie A., deren 8 jähriger Sohn, bis anhin erfolgreicher Schüler, den weiteren Schulbesuch verweigert, seitdem er aus seiner Klasse herausgerissen und in eine Notunterkunft einer ihm unbekannten Gemeinde versetzt worden ist. Seine eineinhalb jährige Schwester hingegen tritt noch freudig allen entgegen.

Es werde auf die Situation besonders verletzlicher Personen heisst es in der Nothilfeverordnung. Wieso gehören denn Familien mit Kleinkindern mit zu den ersten Personen, die – noch vor dem offiziellen Inkrafttreten dieses Gesetzes – von den Massnahmen betroffen sind?
Ab 1. Januar 2008 treten das neue Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und das neue Asylgesetz in Kraft. Teile des neuen AsylG, insbesondere die Zwangsmassnahmen, sind bereits seit Anfang 2007 in Kraft.

Bei den Zwangsmassnahmen sind neben der bekannten Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft auch kurzfristige Festhaltung, Ausschaffungshaft bei Nichteintretensentscheiden und Durchsetzungshaft vorgesehen. Ein- und Ausgrenzungen sind neu schon wegen Ablauf der Ausreisefrist möglich. Gemeinsam ist all diesen Zwangsmassnahmen, dass sie ausschliesslich AusländerInnen ohne Aufenthaltsbewilligung betreffen.
Der Freiheitsentzug erfolgt nicht wegen eines Delikts im Sinne des Strafrechts, sondern allein, weil ihnen der notwendige Aufenthaltsstatus fehlt. Die Strafen für die Beschäftigung von AusländerInnen ohne Bewilligung betragen neu ein Jahr Freiheitsstrafe oder Busse bis zu 500.000 Franken. Im Wiederholungsfall beträgt die Busse bis 1 Mio. Franken.

Dabei ist zu beachten, dass gemäss einer neuen Studie allein in Basel-Stadt 1.320 AusländerInnen ohne reguläre Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung in der externen Haushaltsarbeit beschäftigt sind.
Neu wird nicht nur bestraft, wer illegal einreist, auch die Ausreise über eine andere als die vorgeschriebenen Grenzübergänge wird nun mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Busse bis zu 20.000 belegt. Bereits Vorbereitungshandlungen zu einer solchen Ausreise sollen bestraft werden. Zur Durchsetzung der fremdenfeindlichen Ausländerpolitik wurden auch völlig neue Straftatbestände eingeführt.

Wer die Behörden durch falsche Angaben oder Verschweigen wesentlicher Tatsachen täuscht und dadurch die Erleichterung einer Bewilligung für sich oder andere erschleicht oder wer so bewirkt, dass der Entzug einer Bewilligung ausbleibt, wird mit Gefängnis oder Busse bestraft.

Wer in der Absicht, die Vorschriften über die Zulassung und den Aufenthalt von AusländerInnen zu umgehen, eine Ehe mit einem Ausländer oder einer Ausländerin eingeht oder den Abschluss einer solchen Ehe vermittelt, fördert oder ermöglicht, wird mit Gefängnis oder mit Busse bis zu 20.000 Franken bestraft.

Mit Gefängnis kann auch bestraft werden, wer die Ein- oder Ausgrenzung missachtet. Mit Haft oder Bus-se wird bedroht, wer die An- oder Abmeldungspflichten vorsätzlich oder fahrlässig verletzt, ohne Bewilligung die Stelle wechselt oder den Wohnort in einen anderen Kanton legt, die an eine Bewilligung geknüpften Bedingungen nicht einhält oder der Mitwirkung bei der Ausweisbeschaffung nicht nachkommt.

Während die Freiheitsrechte von AusländerInnen ohne Aufenthaltsbewilligung drastisch beschränkt werden, gibt es kaum mehr ein fehlbares Verhalten, das nicht mit einer Freiheitsstrafe belegt werden kann. Bereits unter altem Recht wurden im Jahre 2005 mehr als die Hälfte der ausländischen Verurteilten wegen Verstössen gegen das ANAG verurteilt. So werden ausländische Personen ohne Aufenthaltsbewilligung mehr und mehr zu Rechtlosen – ein Ausnahmezustand wie bei den homines sacres des römischen Rechts – jeder durfte sie töten, niemand durfte sie opfern (Giorgio Agamben, Homo sacer).

Freilich werden nicht nur die betroffenen AusländerInnen kriminalisiert. Zur Durchsetzung der fremdenfeindlichen Ausländerpolitik sollen auch deren HelferInnen bestraft werden.
Die Absicht ist, jede praktische Solidarität zu unterbinden. Wer AusländerInnen die rechtswidrige Ein- oder Ausreise oder den rechtswidrigen Aufenthalt in der Schweiz erleichtert oder vorzubereiten hilft, wer jemandem eine Erwerbstätigkeit in der Schweiz ohne die erforderlichen Bewilligung verschafft, wird ebenfalls mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit einer Busse belegt. Wenn die TäterInnen für eine Vereinigung oder Gruppe handeln, die sich zur fortgesetzten Begehung dieser Tat zusammengefunden hat, beträgt die Strafe bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe und Busse bis zu 500 000 Franken. Dabei ist zu beachten, dass den Strafverfolgungsbehörden präventiv Überwachungsmassnahmen zur Verfügung stehen.

Die SPAZ engagiert sich selbstverständlich weiterhin für die Interessen der Illegalisierten und zählt auf Ihre Unterstützung.

SPAZ Sans-Papiers Anlaufstelle Zürich
anlaufstelle (at) s-paz.ch

SPAZ Sans-Papiers Anlaufstelle Zürich, aus Informationsbulletin Nr. 6, Dezember 2007