Toter Afrikaner hätte laut Gesetz in Spital gebracht werden müssen
Chronologie der Razzia zeigt laut "Falter" "Missstände" und
"Schlampereien bei der Kooperation zwischen Polizei und Justiz" - Todesursache: Opiatvergiftung
Wien - Der vergangene Woche nach einer Razzia und fünf Tagen Haft an verschluckten Drogen verstorbene Afrikaner Arise Ibekwe, der sich auch als "Peter Weah Richard" ausgab, hätte laut Gesetz in ein Spital gebracht werden müssen, berichtet die Wiener Stadtzeitung "Falter" in der am Mittwoch erscheinenden Ausgabe. Laut Strafvollzugsgesetz sind "die Strafgefangenen bei der Aufnahme oder alsbald danach ärztlich zu untersuchen ... Wenn sich ein Strafgefangener selbst beschädigt hat oder wenn sein Verhalten sonst die Annahme nahe legt, dass er körperlich krank sei, so ist davon dem Anstaltsarzt Mitteilung zu machen". Dies wurde laut "Falter" unterlassen: In der Justizanstalt Josefstadt würden "Schlucker" sofort ins Spital zur Entgiftung gebracht. Ibekwe sei nur in eine Zelle - ohne ärztliche Aufsicht - gekommen.
Sache "stinkt"
"Die Sache stinkt von A bis Z", sagt der Wiener Rechtsanwalt Thomas Prader, der die Angehörigen des Toten vertritt, gegenüber dem "Falter". Laut "Falter" zeigt die Chronologie der Razzia vom 29. April "Missstände bei der Betreuung von Drogendealern, die im Verdacht stehen verpackte Drogen verschluckt zu haben ... Sie zeigt Schlampereien bei der Kooperation zwischen Polizei und Justiz, die einem Afrikaner vielleicht das Leben gekostet haben könnten. Ein Mann, der Drogen geschluckt hatte, saà fünf Tage in Haft, ohne dass sich ein Drogen-Facharzt um ihn gekÃŒmmert hatte".
"Wenn er an Drogen gestorben ist und die Polizei Verdacht hatte, Wären Polizei und Justiz verpflichtet gewesen, einzugreifen", so Prader. Im Innenministerium war Innenminister Ernst Strasser laut "Falter" bis Montag nur schlecht oder gar nicht informiert: ""Die Leiche wird am Mittwoch obduziert". Da war Ibekwe bereits untersucht und "eingesargt"." Der Wunsch Harrison Ibekwes, sich vom unsezierten Leichnam seines Bruders zu verabschieden, sei von den Behörden nicht einmal ignoriert worden. Ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung gegen Justiz- oder Polizeibeamte ist nicht eingeleitet worden.
Todesursache: Opiatvergiftung
Wie der Wiener Polizeipräsident Peter Stiedl am Dienstag mitteilte, sei die Todesursache indes geklärt: Der U-Häftling aus Sierra Leone sei am 3. Mai einer Opiatvergiftung erlegen. Laut Stiedl sind bei der Obduktion des 27-Jährigen kleine suchtgifthältige Kugeln im Magen- und Darmbereich entdeckt worden. Bei zweien dürfte die Verpackung zerplatzt sein. Der giftige Inhalt sei ausgetreten, vermutete Reinhard Fous, der Chefarzt der Wiener Exekutive. Im Harn ist laut Fous ein "großer Anteil" an Opiat gefunden worden. Eine genaue Analyse, welche Substanz dem U-Häftling zum Verhängnis geworden ist, lag noch nicht vor.
Laut dem präsidenten stand der Verstorbene in dringendem Verdacht, mit Suchtgift gehandelt zu haben. Schon einmal sei er wegen eines solchen Delikts verurteilt worden. Zuletzt hätte ein Aufenthaltsverbot bestanden. Der mutmaßliche Dealer sei im Wiener Polizeigefangenenhaus in der so genannten Schluckerzelle untergebracht worden. Stiedl: "Er war dort 40 Stunden und hat zweimal die Toilette aufgesucht. Eine Untersuchung des Stuhls hat nichts ergeben." Darum habe man auch keinen Anlass gesehen, die Justizanstalt Erdberg von der Gefahr eines "Bodypacks" zu informieren. "Laut unseren Erfahrungen hätte er keine Kugeln mehr im körper haben sollen."
Stiedl: "Er hat mit seinem eigenen Leben gespielt"
Zudem ist der Mann laut dem präsidenten auch nach Suchtgiftkugeln gefragt worden, habe jedoch nichts davon gesagt. "Und das, obwohl es sich um ein relativ harmloses Suchtgiftdelikt gehandelt hat", wie Stiedl betonte. Zusatz: "Er hat mit seinem eigenen Leben gespielt."
Die Grünen forderten indes eine genauere und von unabhängigen Gerichtsmedizinern durchgeführte Obduktion des Leichnams. (APA/chr/red)
Nach einem Artikel im DerStandard vom 9.5.2000, letzte Änderung 11.5.2000