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[ 14. Oct 2008 ]

Wien ist eine Flüchtlingsstadt. Bericht der Demo für Bewegungsfreiheit

Transparent: Wie fühlt es sich an, auf der Flucht zu sein?

Die Geschichten der Flüchtlingsstadt sind unterschiedlich, der Weg nach und das Bleiben in Wien war erleichtert oder erschwert... Einige davon waren gemeinsam bei der Demo am 10. Oktober.

 

Wien ist eine Flüchtlingsstadt.
Manch eine flüchtet vom neonazistisch revisionistischen Konsens in Kärnten, manche von ökonomischen Unmöglichkeiten in Nigeria, manche vom konservativen Land Vorarlberg, manche von der Homophobie in Belgrad, manche von dem Druck der Eltern in Salzburg, manche vom Krieg in Kurdistan, den Blockbauten von Leipzig, manche aber auch vom Lärm der Gürtelstraße ins Grüne.

Des einen Flucht landet in überfüllten Lesesälen der Universität, des anderen in schlecht bezahlter Arbeit, wieder andere landen im übermäßigen Drogenkonsum, versuchen es mit einer Macht-Karriere in einer Partei oder werden in Schubhaft gesteckt.

Die Geschichten der Flüchtlingsstadt ist unterschiedlich, unterschiedliches hat man erlebt, unterschiedliches bewegt sie in Wien, an unterschiedlichen Orten des mehr oder weniger Unerträglichen landen sie. Eines haben sie Alle gemeinsam: Sie sind Flüchtlinge – die einen von der Ordnung zu 'legalen', die anderen zu 'illegalen' erklärt und je danach geordnet, in die Hierarchie der Stadt gestellt; der Weg nach und das Bleiben in Wien erleichtert oder erschwert...

Die unterschiedlichen Flüchtlinge, die es satt haben, sammeln sich. Ein Datum war der 10.Oktober.2008 - für Bewegungs- und Bleibefreiheit - zu dem hin schon seit längerem gearbeitet wurde und das eine mögliche Zukunft offen hält.

Der Tag selbst begann früh mit dem Titel der Kommunikationsguerilla: 'Sensation! Landesgrenzen abgeschafft'. Ein weiteres mal wurde die ungenießbare Gratis-Zeitung der Wiener U-Bahn 'heute', in frühen Morgenstunden, durch die Fake-Zeitung 'Leute' ersetzt. 8 Seiten lang beschreibt diese gekonnt, was Ausgrenzung heißt. 'Fazit: Kein Mensch ist illegal!'

Nach der Auflösung des Sesselmeeres am Ballhausplatz, organisiert von Befürwortern eines 'humaneren Bleiberechts' - Sessel gibt es genug in dieser Stadt, nur wer kann darauf sitzen? - begann das Treffen der Leute am Marcus-Omfuma-Stein. Marcus Omofuma, dessen Name für die rassistische Mordlust des Staates in Stein eingeschrieben steht.

Erstaunlich viele Menschen ziehen los; angezogen vom radikalen Ruf: 'Für Bewegungs- und Bleibefreiheit', 'Gegen die Grenzen von Staat und Kapitalismus'.

Beim Landesgericht kommt IOM (International Organisation of Migration) ins Visier, die behauptet soziale Dienste für Flüchtlinge zu bieten, doch unter diesem Deckmantel Grenzschutz für die Staaten betreibt - sowie die Scheinheiligkeit von 'Menschenrechte Österreich', die ohne weiteres den ersten Teil aus ihrem Eigennamen streichen könnte...

Die Polizei fährt seit beginn der Demonstration wenige Meter vor diesem. Ihre Aufgabe ist es, die Demo unkenntlich zu machen, damit die anderen Flüchtlinge der Stadt, sie nicht wahrnehmen können; nicht wahrnehmen sollen, dass bereits eine Menge Menschen in Bewegung sind und überwinden wollen, was Staat, Kapitalismus, Rassismus, Hetero(Sexismus), kurz Herrschaft genannt wird.

Vier Polizeibusse mit Blaulicht versperren die Sicht auf die Demo, als wollte die Polizei selbst das Fronttransparent sein. Aber kann den diese Demonstration noch übersehen werden? Kann denn noch übersehen werden, mit welchen billigen Tricks die Staatsorgane den notwendigen Aufschrei vor einer gesellschaftlichen Ausbreitung isolieren will? Doch gebe die Polizei acht, nicht das ihr Widerstand gegen die Emanzipation, womöglich ihre Ausbreitung beschleunige.

Die Demonstration verlässt die offizielle Demoroute - lässt die Staatsorgane einsam rechts in der Alserstrasse liegen und biegt links in das Wohnviertel ein. Energie wird wieder frei, es geht lautstark und zügig weiter bis zur Schubhaft. 'Wir sind nicht alle, es fehlen die Gefangenen'.
In einer Rede werden die Ideen der Ordnung über neue Pläne der Lagerpolitik für Flüchtlinge erwähnt (Text der Rede). Der Entwerfer der Pläne, Jörg Haider, stirbt wenige Stunden später an einem glücklichen Autounfall. Mögen seine Ideen im folgen - dafür soll gesorgt sein.

Über den Gürtel zum Brunnemarkt wird die Demo nochmal dynamischer. Am Yppenplatz wird sie bereits von einer Ausstellung und Infotischen zur Abschlusskundgebung erwartet. Es werden nochmal Texte gelesen, die den Inhalt des Tages besprechen: 'Realität ändern.'

Es gibt in Wien Bewegung, die bleiben wird.