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[ 25. Dec 2009 ]

Gegen das Vergessen: Der Kampf gegen Polizeigewalt, Behördenlügen und Ausschaffungen geht weiter

Im Gedenken an Khaled Abuzarifa

Vor zehn Jahren ist der damals 27-jährige Palästinenser Khaled Abuzarifa im Lift des Flughafens Zürich Kloten gestorben. Sein Tod war der Beginn einer langen Reihe von Fragen, Untersuchungen, Protestaktionen und Strafverfahren. augenauf erinnert sich.

 

Am 4. März 1999 ging fast unbemerkt eine kleine Nachricht über den Verteiler an die Schweizer Redaktionen. Am Vortag sei «ein 27-jähriger Palästinenser aus unerklärlichen Gründen auf dem Flughafen Zürich-Kloten verstorben». Obwohl ein Arzt bei der Routineuntersuchung auf dem Polizeiposten die Reisetauglichkeit des Gefangenen bestätigt habe, sei die Person «auf dem Weg vom dritten Stock ins Parterre» im Lift zusammengebrochen.

Der Verstorbene habe als renitent gegolten, schrieb damals die Kantonspolizei. Er sei im Lift, den Ausschaffungsgefangene auf ihrem Weg von der Zelle zum Flugzeug benutzen müssen, zusammengebrochen. In diesen Lift kommen renitente Ausschaffungshäftlinge aber erst, nachdem sie verschnürt, gefesselt gab sich Hamid Bakiri, einen Tag vor und auf einen Rollstuhl gepackt sind. Wie konnte der Mann da Chur selbst den Tod. Modou Keita «zusammenbrechen»?


Ein qualvoller Erstickungstod


Tatsache ist: Khaled Abuzarifa wurde auf dem Flughafen Zürich-Kloten von Berner Kantonspolizisten getötet. Die Beamten hatten ihm in einer Zelle in Kloten den Mund mit einem Klebeband zugeklebt, damit der Gefangene im Flugzeug nicht würde schreien können. Doch Khaled Abuzarifa starb, bevor er ins Flugzeug verfrachtet werden konnte. Er erstickte qualvoll, während die Beamten ihn, verschnürt auf einem umgebauten Sackrolli, durch Gänge und Lifte schoben (siehe Bulletin Nr. 25, Juli 1999).

Während die offizielle Schweiz alles daran setzte, diesen «Vorfall» zu vertuschen, verfolgte augenauf akribisch den unnatürlichen Todesfall auf dem Flughafen. augenauf forderte unter anderem eine Untersuchungskommission zur Aufklärung der Todesumstände. Mehrere Personen aus dem Umfeld von augenauf reichten gegen die beteiligten Polizeibeamten und gegen die verantwortliche Zürcher SVP-Regierungsrätin Rita Fuhrer eine Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung, Unterlassung der Nothilfe, Körperverletzung und Gefährdung des Lebens ein (siehe augenauf-Bulletin Nr. 27).

Der Fall von Khaled Abuzarifa zeigt exemplarisch auf, dass Interventionen auf verschiedensten Ebenen möglich und oft auch nötig sind. Mit juristischen Mitteln, Recherche- und Öffentlichkeitsarbeit, Dokumentationen, Infoveranstaltungen, Kontakt zu der Familie sowie Protestaktionen ist es augenauf gelungen, auf diesen tragischen Fall breit aufmerksam zu machen. Es braucht aber einen langen Atem, da sich die Verfahren oft über Jahre hinziehen und manchmal gar im Sand verlaufen.

Bis heute erachten es die für den Tod von Khaled Abuzarifa verantwortlichen Behörden nicht für nötig, der Familie ihr Beileid auszusprechen, und bis heute wartet die Familie auf eine angemessene
Entschädigung für die Tötung ihres Sohns und Bruders durch Schweizer Polizisten.

Khaled Abuzarifa ist kein Einzelfall: Samson Chukwu starb im Jahr 2001 in Ausschaffungshaft im Wallis. Im gleichen Jahr gab sich Hamid Bakiri, einen Tag vor der Ausschaffung, im Gefängnis Chur selbst den Tod. Modou Keita starb nach einem 24-stündigen Hin-und-wieder-zurück-Flug 2007 einen qualvollen Tod in einem St. Galler Gefängnis. Abdi Daud starb im März 2008 mangels medizinischer Betreuung nach mehreren Monaten Ausschaffungshaft in einem Zürcher Spital. Dies sind nur einige der tragischen Todesfälle, von denen augenauf Kenntnis hat.


Die Medien lügen munter mit


Auch in anderen europäischen Ländern ist es bei Ausschaffungen zu Todesfällen gekommen. Während es aber in Belgien, Deutschland und Österreich zu Protesten und öffentlichen Debatten kam und sogar Minister zurücktreten mussten, blieb es in der Schweiz ruhig. Keine aufgebrachten ParlamentarierInnen, kein Aufschrei des Entsetzens und keine Suspendierung vom Dienst. Eine wichtige Rolle dabei spielt auch die gezielte Desinformationspolitik der involvierten Behörden, die von den Medien kaum hinterfragt wird. Die Boulevardzeitung «Blick» titelte bei der Tötung Khaled Abuzarifas beispielsweise «Drogendealer fiel bei Ausschaffung tot um».

Inzwischen sind in der Schweiz bei Ausschaffungen jegliche Massnahmen verboten, welche die Atmung behindern könnten. Was allerdings in den sogenannten Charterflügen vor sich geht, entzieht sich jeglicher Kontrolle.


Das Büchlein «Khaled Abuzarifa: Sein Leben. Sein Tod - Eine Ausschaffung aus der Schweiz» gibt es für 20 Fr. (inkl. Versand) bei info (at) augenauf.ch oder augenauf, Postfach 2411, 8026 Zürich. Ebenfalls für 20 Fr. lieferbar: «0700 übernahmen wir Nouredine für die Abreise vorbereitet...». Ausschaffungen um jeden Preis. Eine Dokumentation der Gruppe augenauf Zürich.

Artikel übernommen aus augenauf-Bulletin 63, November 2009, zu finden auf :: augenauf.ch