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[ 15. Oct 2010 ]

Geplante Verschärfungen im Asyl- und Fremdenrecht

Stellungnahme der Agenda Asyl zum Ministerialentwurf (192/ME) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 2005 und das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert werden.

 

Einleitende Bemerkungen


Die im Netzwerk Agenda Asyl zusammengeschlossenen Organisationen [Asylkoordination östereich, Diakonie Flüchtlingsdienst, Verein Projekt Integrationshaus, SOS Mitmensch und Volkshilfe Österreich] verurteilen den mit dem vorliegenden Entwurf einer Asylgesetznovelle neuerlichen Versuch über Schutzsuchende generell und pauschal Haft zu verhängen und rufen abermals die asylrechtliche, menschenrechtliche und humanitäre Tradition Österreichs als sicheren Hafen für Schutzsuchende in Erinnerung.

Sollte der vorliegende Entwurf in Kraft treten, wird Österreich Schutzsuchenden nicht mehr das Gefühl vermitteln können, endlich in Sicherheit und am Ende ihrer Flucht angekommen zu sein, sondern sie sogleich ihrer Freiheit berauben. Damit werden sie zu stigmatisiert und ihnen zu verstehen gegeben, dass sie offensichtlich eine Gefahr für die lokale Bevölkerung darstellen, weshalb sie unterschiedslos inhaftiert werden müssten.

Der Hintergrund dieser Gesetzesinitiative ist offensichtlich weniger einem real im Asylrecht bestehenden Regulierungsbedarf geschuldet, als vielmehr einem abstrakten angeblichen Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung, dem durch eine "Aufenthaltsverpflichtung" im Erstaufnahmezentrum entsprochen werden soll.

Die Einschränkung der persönlichen Freiheit zur Befriedigung eines abstrakten Sicherheitsgefühls von potentiellen WählerInnen findet aber weder im verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit noch in der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention Deckung und steht zudem im Widerspruch zum geltenden EU-Recht.

Die Mitwirkungspflicht (Aufenthaltspflicht) in der Betreuungsstelle ist als Haft zu qualifizieren. Die neue gesetzliche Regelung sieht die generelle Einschränkung des Rechts auf Freiheit vor, gänzlich unabhängig vom Verhalten und den Intentionen des Betroffenen. Da die Verletzung der Anwesenheitspflicht eine massive Strafe nach sich zieht, nämlich Verhängung von Schubhaft, muss die Anwesenheits- bzw. Mitwirkungspflicht von dieser Perpektive beurteilt werden. Es besteht somit nur ein gradueller Unterschied beim Freiheitsentzug, der sich in unterschiedlichen Haftbedingungen niederschlägt.

Die Genfer Flüchtlingskonvention unterscheidet nicht in Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge. In Anwendung ihres materiell-rechtlichen Flüchtlingsbegriffes sind daher Schutzsuchende bis zu ihrer Asylanerkennung gleich wie Konventionsflüchtlinge zu behandeln. Konventionsflüchtlinge sind StaatsbürgerInnen bis auf wenige Ausnahmen gleichzustellen.

Es wäre undenkbar, österreichische StaatsbürgInnen in einem Baubewilligungsverfahren so lange im Gemeindeamt zu inhaftieren, bis die Bauverhandung stattgefunden hat. Gleiches muss daher auch für unbescholtene Schutzsuchende im Asylverfahren gelten.

Es handelt sich bei AsylwerberInnen ja nicht um Personen, von denen eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, sondern um Personen, die um Schutz und Sicherheit für sich und ihre Familienangehörigen ersuchen.

Wenngleich die Menschenrechtswidrigkeit der Urfassung vom Jänner 2010 im vorliegenden Entwurf nicht mehr so offensichtlich ist, kann diese allein durch eine reduzierte zeitliche Beschränkung der Aufenthaltspflicht nicht ausgeräumt werden. Ebenso ungeeignet ist die Umdeutung der Aufenthaltspflicht in eine Mitwirkungspflicht, wenn diese de facto dazu führt, dass AsylwerberInnen auch außerhalb der Amtsstunden und der gesetzten Termine zur Verfügung stehen müssen, obwohl keine Amtshandlungen stattfinden (beispielsweise während der Nacht).

Während bei den bisher definierten Verfahrensschritten unmittelbar nach Stellen eines Antrags auf internationalen Schutz binnen 48 Stunden noch von "Verfahrensdichte" gesprochen werden kann (erkennungsdienstliche Behandlung, Durchsuchung, erste Befragung durch Sicherheitsorgane), selbst wenn das Durchlaufen der sog. Asylstraße nur 2 bis 3 Stunden in Anspruch nimmt, ist nach deren Abschluss nur eine weitere Verfahrenshandlung in die Mitwirkungspflichten aufgenommen worden, die nunmehr Anlass für den erweiterten Freiheitsentzug bei AsylwerberInnen darstellt. Als Intensivphase kann dieser um 72 Stunden erweiterte Zeitraum wohl nicht mehr angesehen werden.

Intensiviert wird aber jedenfalls der Verwaltungsaufwand der Behörde, was ebenso gegen die geplante Erweiterung der Mitwirkungspflicht spricht.
Die generelle Anwesenheitspflicht unterstellt, AsylwerberInnen würden kein Interesse an einer zügigen Bearbeitung ihres Antrages haben, sondern trotz ihres während des Zulassungsverfahrens nur geduldeten Aufenthalts untertauchen. Schutzsuchende, die in Österreich bleiben wollen, werden in dieser Verfahrensphase auch ohne Druck und Zwang mitwirken. Ebenso entbehrt es jeder Logik, bei AsylwerberInnen, deren Einreise Österreich aufgrund der Bestimmungen über die Familienzusammenführung erlaubt hat, freiheitsbeschränkende Präventivmaßnahmen zur Mitwirkung am Verfahren zu setzen. Strebt ein Schutzsuchender ein anderes Zielland an, wird das, wenn eine Unzuständigkeit Österreichs vorliegt, in der Regel zu keiner Belastung sondern im Gegenteil zu einer Entlastung des österreichischen Asylsystems führen.

Die vorgeschlagenen Änderungen des Asyl- und Fremdenpolizeigesetzes sehen keine verfahrensrechtlichen Verbesserungen vor, sondern tragen wie schon zahlreiche vorangegangene Novellen zur weiteren Verkomplizierung bei. Für die Antragsteller wird es somit immer schwieriger, den Verfahrensablauf und ihre Rechte und Pflichten zu verstehen.

Die Aufenthaltspflicht ist ein weiteres Puzzleteil, um AsylwerberInnen von europarechtlichen Verfahrensgarantien wie dem Zugang zu rechtlicher Beratung durch NGOs und Vertretung de facto auszuschließen.

Agenda Asyl empfiehlt, den Entwurf zurückzuziehen, weil die erweitete Mitwirkungspflicht zu einer präventiven generellen Einschränkung der persönlichen Freiheit führt, für die es keine Rechtfertigung gibt. Darüber hinaus kann ein weiterer Regelungsbedarf im bereits überregulierten und äußerst komplexen österreichischen Asylrecht nicht erkannt werden. Die Mitwirkungspflichen sind bereits jetzt sehr weitreichend ausgestaltet.


:: Die komplette Stellungnahme als pdf.

Quelle :: asyl.at, 13. Oktober 2010.