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[ 14. Mar 2011 // letzte änderung: 15. Mar 2011 ]

Rassismus im Kurzfilm 'Lieber Afrikaner'

Lieber Afrikaner

Wie schnell antirassistisch gemeinte Satire nach hinten losgehen kann, sieht man im neuen Video von Alexander Lehmann.

 

Der Kurzfilm ist ein kleiner Hit auf Youtube. In nur zwei Tagen wurde das Video über 10 000 mal angeklickt. Das NDR Satiremagazin "Extra 3" hat eine gekürzte Fassung des Clips im Fernsehen ausgestrahlt und in ihre Homepage integriert. Thema des mit "Lieber Afrikaner" eher unglücklich betitelten Kurzfilms sind die Abschottungsmaßnamen der Festung Europa gegen MigrantInnen aus afrikanischen Ländern.

Der :: Fernseher kaputt Blog fasst die Kritikpunkte an dem Video wie folgt zusammen:

"Zum einen sehen "die Afrikaner" in Lehmanns Video alle gleich aus. Zwar könnte man argumentieren, dass dies der auf Reduktion abzielenden Ästhetik des Videoclips geschuldet sei. Die Vereinfachung sei dann nicht rassistisch, sondern würde lediglich den menschenverachtenden europäischen Blick auf MigrantInnen als statistische Größe reflektieren. Dahingehend könnte man sogar noch rechtfertigen warum Lehmann von "den Afrikanern" als monolithischen Block spricht und nicht nach Herkunftsländern differenziert. Denn es gibt tatsächlich viele Menschen, die in ihrer grenzenlosen Ignoranz von Afrika sprechen, als handle es sich bei dem Kontinent um ein einziges Land. Nicht wenige davon sind PoltikerInnen.
Die konkrete Ausgestaltung der Figuren, sieht dann allerdings so aus: Die Afrikaner sind mit einem Lendenschurz bekleidet, haben übergroße Lippen und tragen einen großen Ring im rechten Ohr. Lehmann reproduziert damit eine rassistische Bildsprache, die er eigentlich kritisieren sollte. Der Versuch der Vereinfachung geht nach hinten los und gerinnt zu einer Tradierung rassistischer Stereotype."


Auf :: medienelite.de wird darüber hinaus das (kolonial)rassistische Narrativ kritisiert, dass Lehmann im Video bruchlos reproduziert:

"Die Ansprache: "Lieber Afrikaner" - Das Wort ist heutzutage leider noch gängige Vokabel, wenn über Schwarze oder People of Color oder Afro(deutsche, engländer_innen, italiener_innen, amerikaner_innen, französ_innen, etc.) gesprochen wird. Weder wird deutlich, welche "Afrikaner" gemeint sind (Nigerianer_innen? Kongoles_innen? Tunesier_innen? Marokkaner_innen?) noch wird die Selbstbezeichnung entsprechender Gruppen respektiert. Dass Schwarze und People of Color seit Jahrhunderten (auch vor der Kolonialzeit) in Europa (und auf anderen Kontinenten) lebten und leben, bleibt unsichtbar. Ständige Ansprache von Schwarzen mit "Lieber" und paternalistischem Duktus. Auffällig ist auch, dass die, über die hier erzählt und berichtet wird, selbst nicht zu Wort kommen. (vom generischen Maskulinum mal ganz abgesehen)"

Trotz der Kritik an Sprache und Darstellung in "Lieber Afrikaner", verteidigt Filmemacher Alexander Lehmann seinen Kurzfilm. Auf seinem Blog und via Twitter übt sich Lehmann in Kritikabwehr. Lediglich, dass sein Film vom NDR nur in einer gekürzten Fassung ausgestrahlt wurde, bedauert er.

Update, 15.3.2011


Heute erreichte uns folgende Stellungnahme von Alexander Lehmann:

"Wenn ich gewusst hätte, dass diese Darstellungsweise so heraus sticht und als fremdenfeindlicher gilt (und mehr aufstößt als z.B. 1000 tote Menschen als "Steg" zu bezeichnen) dann hätte ich sie anders dargestellt.

Die erste Szene für die ich die Figuren gemacht habe war die Sklavenszene in der sie schon als "die Afrikaner" angesprochen wurden. Dann habe ich sie ohne weiter darüber nachzudenken aus dieser Szene kopiert.
Es erschien mir auch logisch, weil sich die Sichtweise des Erzählers "schon früher haben wir Glück und Wohlstand auf eurem Kontinent verbreitet" - "und auch heute sorgen wir dafür, dass du... " nicht geändert hat. Es spricht immernoch der Kolonialherr der die gleiche menschenverachtende Sichtweise hat wie vor Jahrzehnten.

Und der auch glaubt nur seine Welt hätte sich weiterentwickelt während die die er früher versklavte auch heute noch keine Menschenrechte verdienen und ruhig auf hoher See abgedrängt oder gar ertränkt werden dürfen.

Es verwundert mich ehrlichgesagt ein wenig dass sich so viele gerade an dieser Darstellung stören. Für mich ist sie auf der gleichen Höhe wie der Rest des Filmes.
Hätte ich aber vorher gewußt, dass so viele Leute sich daran stören hätte ich es sicherlich verändert. Es war nicht mein Ziel zu diskriminieren oder irgendwen zu verletzen (...)."