2. Juni ist internationaler Hurentag, der die schlechte Situation von SexarbeiterInnen thematisiert und arbeitsrechtliche Gleichstellung statt moralischer Bewertung fordert
Presseaussendung der Vereine LEFÖ, PiA, maiz, SXA-Info und sexworker.at am 30. Mai 2011
Anlässlich des Internationalen Hurentages am 2. Juni machen Beratungsstellen in Österreich und die Selbstorganisation für SexarbeiterInnen wiederholt auf die schwache rechtliche Lage und die schlechten Arbeitsbedingungen von SexarbeiterInnen aufmerksam.
Die Plattform sexworker.at, die Vereine LEFÖ (Wien), maiz (Linz), SXA-Info (Graz) und PiA (Salzburg) fordern die politischen EntscheidungsträgerInnen auf, SexarbeiterInnen endlich mit anderen Erwerbstätigen gleich zu stellen und ihren rechtlichen Schutz zu garantieren.
Die Arbeitssituation für SexarbeiterInnen hat sich in den vergangenen Jahren nicht verbessert, auch wenn NGOs und andere InteressensträgerInnen immer wieder auf Ungerechtigkeiten und menschenverachtende Praxen aufmerksam machen:
SexarbeiterInnen werden auf öffentlichen Plätzen beschimpft und attackiert, ständige Kontrollen, unverhältnismäßig hohe Verwaltungsstrafen und willkürliche Steuerbescheide bringen SexarbeiterInnen in prekäre Arbeits- und Lebenssituationen. Durch unzureichende Informationen wird die Arbeitssituation noch zusätzlich erschwert.
'Die Regelungsbestimmungen, wie und wo Prostitution ausgeübt werden darf, sind oftmals unklar und bringen SexarbeiterInnen in gefährliche Situationen', so Maria Cristina Boidi, Gesamt-Koordinatorin der Migrantinnenorganisation LEFÖ. 'Sexarbeit muss endlich als Arbeit anerkannt werden, so dass Arbeitnehmerinnenschutzbestimmungen auch in diesem Bereich Gültigkeit bekommen.' Luzenir Caixeta, von der Migrantinnenorganisation maiz, betont in diesem Zusammenhang die vielfältigen Diskriminierungen: 'Die unzulänglichen rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen u.a. die Voraussetzung für die zahlreichen Diskriminierungsformen, mit denen sich SexarbeiterInnen konfrontiert sehen.'
In Wien ist ein neues Prostitutionsgesetz in Planung. So gibt es bei den genannten Organisationen noch einen Funken an Hoffnung, dass die Wiener Stadtregierung einen mutigen Schritt in Richtung Arbeitsrechte von SexarbeiterInnen, anstelle von Verdrängung und moralischer Bewertung macht. 'SexarbeiterInnen sind ein Teil dieser Gesellschaft und müssen mit gleichen Rechten wie alle anderen BürgerInnen ausgestattet sein', so die Organisationen.
In Oberösterreich, wo 'Prostitution' nach wie vor im Polizeistrafgesetz geregelt ist, wurde nun dem Landtag ein eigenes Sexualdienstleistungsgesetz vorgelegt. Ein eigenes Gesetz, welches den stigmatisierenden Begriff 'Prostitution' durch 'Sexualdienstleistung' ersetzt, ist somit begrüßenswert. Doch auch hier sind die Erfahrungen und das Wissen der relevanten Organisationen gefragt, damit die vorgebliche Intention des Gesetzes, nämlich die Verbesserung der Lebens- und Arbeitssituation von SexarbeiterInnen, nicht bloß ein Lippenbekenntnis bleibt. Es soll nicht um die Kontrolle und Unsichtbarmachung von Lebensrealitäten gehen, sondern um die Anerkennung tatsächlicher (Arbeits-) Rechte!
Durch die erst kürzlich beschlossene Novelle des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz hat sich die Situation für migrantische Sexarbeiterinnen jedenfalls noch einmal verschärft: waren bisher schwerwiegende Übertretungen gegen das Prostitutionsgesetz ausschlaggebend, um einen Aufenthalt von migrantischen SexarbeiterInnen zu beenden, so können nun alle Übertretungen gegen einen Aufenthalt herangezogen werden.
Aktionen rund um den Internationalen Hurentag:
Wien: 1. Juni 2011, 14.00 - 18.00 Uhr
7., Urban-Loritz-Platz (vor der Hauptbücherei)
Mit: Info-Café, Live-Auftritten von chra (www.myspace.com/chraxtl www.comfortzonemusic.com)*, roz (www.myspace.com/laminadyz) und Norah Noizzze (www.norahnoizzzeandband.net
www.myspace.com/norahnoizzze)**
LEFÖ und sexworker.at laden zu diesem Aktionstag ein!
Linz: 2. Juni 2011, 18 Uhr
Auf Radio FRO wird ein Interview mit einer Mitarbeiterin von maiz zu hören sein, u.a. mit Infos zur aktuellen Debatte um das 'Oberösterreichisches Sexualdienstleistungsgesetz'.
Im Großraum Linz auf 105.0 MHz Im LIWEST-Kabel auf 95,6 MHz
Weltweit via Livestream unter www.fro.at/livestream
LEFÖ Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen
Politischer Hintergrund des Internationalen Hurentags
2. Juni 1975: Proteste und Kirchenbesetzung von Sexarbeiterinnen in Frankreich
Am 2. Juni 1975 streiken Sexarbeiterinnen in Frankreich und bezeichnen in diesem Zusammenhang den Staat als den größten Zuhälter. 150 Frauen besetzen 10 Tage lang die Kirche Saint-Nizier in Lyon und schaffen damit eine internationale Öffentlichkeit für ihre Situation und ihre Forderungen. Als Aktionskollektiv wenden sie sich gegen die staatliche Diskriminierung und gegen polizeiliche Repressionen, die vorgeblich dem Kampf gegen Zuhälterei dienen sollen: ständige Kontrollen und Verhaftungen, Beleidigungen, Schikanen, unverhältnismäßige Strafen, willkürliche Steuerbescheide sowie Tatenlosigkeit der Polizei gegenüber Morden, Misshandlungen und anderen Formen von Gewalt gegen Sexarbeiterinnen. Die Sexarbeiterinnenbewegung von Lyon wehrte sich damit auch gegen die Stigmatisierung von SexarbeiterInnen und gegen die staatlich institutionalisierte Doppelmoral.