Pressemitteilung von LEFÖ, 15. November 2012. - Für die Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels ist das Urteil "ein wesentlicher Schritt bei der Erlangung der Opferrechte".
Frau A., eine 30-jährige bulgarische Staatsbürgerin, wurde über viele Jahre in der Sexarbeit ausgebeutet. Im Jahr 2007 wandte sie sich an einen Helfer, konnte so der Gewalt entkommen und in Folge Unterstützung bei LEFÖ - Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels (LEFÖ-IBF) erhalten.
Seit dem Jahr 2007 wird sie nun von LEFÖ-IBF betreut und bei all ihren gerichtlichen Verfahren begleitet. Im Jahr 2009 wurden die Täter und Täterinnen im Rahmen eines Strafprozesses rechtskräftig wegen Frauen-/Menschenhandel verurteilt und zur Zahlung von Schmerzensgeld verpflichtet. Da im Laufe der Ermittlung Vermögen beschlagnahmt werden konnte, erhielt die betroffene Frau das Geld.
Um den Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld auch auf zivilrechtlicher Ebene geltend zu machen, wurde ein Verfahren eingeleitet. Nach einem jahrelangen Prozess wurde vergangene Woche österreichweit ein erstes zivilrechtliches Urteil gesprochen. Frau A. erhält einen Zuspruch über EUR 54.000 Euro Schadenersatz und Schmerzengeld. Die TäterInnen berufen gegen das Urteil. Das Erkämpfen von Entschädigungszahlungen ist für die Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels des Vereins LEFÖ, die österreichweit Opfer unterstützt, ein grundlegendes Ziel. So gerecht eine solche Entschädigung auch ist - der Weg dorthin ist langwierig und aufwendig. Umso wichtiger ist für LEFÖ dieses Gerichtsurteil: "Es ist ein wesentlicher Schritt bei der Erlangung der Opferrechte", betont Evelyn Probst, Leiterin der Interventionsstelle. "Denn für das Wiedererlangen der Würde und den Weg in die Selbstständigkeit der Betroffenen hat die Entschädigung eine große Bedeutung."
Seit 1998 unterstützt die Interventionsstelle mittels psychosozialer Beratung, Begleitung bei Prozessen und Behördengängen sowie Notunterkünften Frauen, die durch falsche Versprechen nach Österreich gelockt wurden, um sich hier dann in einer Situation von Ausbeutung und Gewalt wiederzufinden. Allerdings geht es dabei nicht nur um Prostitution, sondern auch um Ausbeutung im Bereich der Hausarbeit und in andere Bereiche. Bis Ende Oktober 2012 hat LEFÖ-IBF 226 Frauen, Mädchen und deren Kinder unterstützt und begleitet. Sie alle erlebten Gewalt physischer oder psychischer Art. Die Folgen seien verheerend, meint Evelyn Probst. "Die Frauen tragen meist schwere psychische Folgeerscheinungen davon, viele leiden unter Angstzuständen und Depressionen. Aber auch die finanziellen Schäden, verbunden mit der Unsicherheit bezüglich ihrer Zukunft stellen eine immense Belastung für die Betroffenen dar. Die kontinuierliche Stärkung der Opferrechte ist daher ein essentieller Teil unserer Arbeit." Zehn weiteren Betroffenen wurden dieses Jahr im Strafverfahren Entschädigungszahlungen zugesprochen. "Wir setzen uns weiterhin dafür ein, diese Zahlen zu steigern".
Hintergrund
LEFÖ-IBF: Interventionsstelle für Betroffene von Frauenhandel des Vereins LEFÖ Seit Anfang der 90er Jahre beschäftigt sich der Verein LEFÖ mit dem Thema Frauenhandel, 1998 konnte dann die IBF als Opferschutzeinrichtung aufgebaut werden. Das Team der LEFÖ-IBF unterstützt Frauen, die in Österreich in ein Arbeits- und/oder Lebensverhältnis gehandelt wurden, das von Ausbeutung, Missbrauch und Gewalt gekennzeichnet ist. Das oberste Ziel ist es, gemeinsam mit den Betroffenen den Weg in ein würdevolles, unabhängiges und selbstbestimmtes Leben zu finden. Im Sinne der Ermächtigung unterstützt LEFÖ-IBF die Frauen entsprechend ihrer Wünsche und Umstände dabei, neue Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Neben der Beratung und Betreuung zählen zu den Tätigkeiten der Interventionsstelle auch Schulungen für Polizei und andere Organisationen, intensiver Austausch und Vernetzung im nationalen und internationalen Bereich sowie umfangreiche Informations- und Öffentlichkeitsarbeit.
- Frauenhandel ist, wenn Frauen aufgrund von Täuschungen und falschen Versprechungen migrieren und im Zielland in eine Zwangslage gebracht werden; wenn sie aufgrund ihrer rechtlosen Situation zur Ausübung von Dienstleistungen gezwungen werden; wenn sie ihrer Würde, ihrer persönlichen oder sexuellen Integrität von Ehemännern oder ArbeitgeberInnen beraubt werden.
LEFÖ - Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen: Der Verein LEFÖ - Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen wurde 1985 von exilierten Frauen aus Lateinamerika gegründet. Der Verein hat im Bereich Frauenhandel und in der Arbeit mit Migrantinnen in der Sexarbeit Pionierarbeit geleistet. Die ausbeuterische Arbeits- und Lebenssituation von Migrantinnen in Österreich ist ein oft unterbelichteter Aspekt, was Frauenrechte betrifft und bildet die Grundlage für die Arbeit von LEFÖ.