Verfolgung und Vertreibung von Minderheitsangehörigen steht im vereinten Europa auf der Tagesordnung. Auch in Wien wird massiv Druck ausgeübt: 200 PolizistInnen stürmten Dienstagnacht ein Haus im 6. Bezirk.
Bis zu vier Stunden mussten die BewohnerInnen - viele von ihnen Roma aus Osteuropa - in der Kälte auf der Straße stehen. Die Boulevardmedien Krone und Österreich brachten rassistische Berichte zum "Massenquartier" und den skandalösen Zuständen. Auch Wien heute berichtete am 24.1. darüber. Wer den Wien heute Bericht genau anschaut, sieht Bilder von ordentlich aufgeräumten Zimmern und verängstigen BewohnerInnen, die vor allem eins versuchen klar zu machen: Dass sie arm sind und versuchen für sich und ihre Familien, den Lebensunterhalt zu bestreiten - und dass sie sich immer wieder gegen das Vorurteil zur Wehr setzen müssen, von der Bettelmafia ausgebeutet zu werden. Der Skandal ist also nicht das Haus - auch wenn es baulich nicht im besten Zustand sein mag - und schon gar nicht seine BewohnerInnen, sondern der massive und verstörende Einsatz von Polizei und Magistrat gegen Armutsbetroffene und die rassistische Berichterstattung. Statt auf Aufklärung und Sachlichkeit zu setzen, wird mittels unreflektierter Meldungen an die Boulevardmedien zusätzlich Öl ins Feuer der Hetzkampagnen gegossen. In einem offenen Brief an Bürgermeister Häupl verurteilen wir diese Vorgehensweise.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Häupl!
Ein Haus in der Gumpendorferstraße im 6. Bezirk wird wöchentlich von der Polizei aufgesucht. Viele der BewohnerInnen sind armutsbetroffen. Sie verkaufen Zeitschriften, arbeiten gelegentlich oder betteln. Wir von der BettelLobbyWien haben das Haus schon öfters besucht und mit den BewohnerInnen gesprochen: Die Menschen sind froh, dass sie hier eine Bleibe gefunden haben.
Letzten Dienstag stürmten 200 PolizistInnen das Haus. Die BewohnerInnen mussten bei Minusgraden bis zu vier Stunden auf der Straße stehen, bis sie kontrolliert wurden. Ein Beamter vom Büro für Sofortmaßnahmen gab am Telefon die Auskunft, dass sich der Einsatz nicht gegen die BewohnerInnen, sondern gegen den Hauseigentümer richten würde. Doch warum tritt die Polizei dann in derartiger Stärke und mit derartiger Vehemenz gegenüber den HausbewohnerInnen auf?
Wir von der BettelLobbyWien kritisieren aufs Schärfste, dass Beamte der Stadt Wien die BewohnerInnen als "Bettelbanden" diffamieren und das Haus und die Wohnungen den Medien gegenüber beschreiben, als würden die Menschen in unhygienischen Zuständen leben. Diese Berichte nähren alte antiziganistische Mythen vom "dreckigen Zigeuner". Bauliche Mängel mit "unhygienischen BewohnerInnen" gleichzusetzen, wie es die BeamtInnen offenbar tun, zeugt weder von seriöser Arbeit noch ist es hilfreich zur Bewältigung sozialer Probleme. Ganz im Gegenteil: Diffamierungen gegenüber armutsbetroffenen Menschen - ausgesprochen von BeamtInnen der Stadt Wien (und weiterverbreitet
vom Boulevard) - gießen nur noch mehr Öl ins Feuer der Hetze, die ohnehin gegen armutsbetroffene OsteuropäerInnen betrieben wird. Es ist logisch, dass es Anrainerbeschwerden gibt, wenn die Bevölkerung auch seitens der Behörden nicht sachlich informiert, sondern verunsichert und aufgehetzt wird.
Eine Vorgehensweise wie im vorliegenden Fall ist einer sozialdemokratischen Politik absolut unwürdig. Eine soziale Politik sollte armutsbetroffenen Menschen helfen und sich nicht gegen sie richten. Schon gar nicht sollten politisch Verantwortliche Sündenböcke schaffen. Vielmehr sollten Vorurteile abgebaut werden, ansonsten wird der Boden für eine Verschärfung sozialer Problemlagen und weitere Wahlerfolge der rassistischen Rechten aufbereitet.
Die BettelLobbyWien sammelt seit Jahren Informationen zum Thema Betteln und gibt gerne ihre Erfahrungen und ihr Wissen weiter. Wir fordern einen menschlichen Umgang mit armutsbetroffenen Menschen und den Auf- bzw. Ausbau von entsprechenden Beratungs- und Betreuungsmöglichkeiten!
Die BettelLobbyWien