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[ 23. May 2016 // letzte änderung: 31. May 2016 ]

Wegbereiter des Faschismus: Der Rassismus der 'Groß'-Parteien - Teil 3

Der dritte Teil dieser Artikelreihe befasst sich mit dem Zusammenhang von Rassismus und Faschismus. Welche Auswirkungen hat Rassismus auf die Gesellschaft? Ist der Rassismus der ehemaligen 'Groß'-Parteien wegbereitend für Faschismus?

 

In Verbindung mit Migration - insbesondere mit den Bildern der Migrationsbewegungen im Jahr 2015 - dramatisiert die Diskussion um "Sicherheit": Die angebliche Bedrohung Europas, das in seiner Existenz gefährdet sei. Durch Masseneinwanderung, "Islamisierung", "fremde Kulturen", Kriminalität - und: Terrorismus.

Doch was hat das alles mit Faschismus zu tun? Diese Frage werden sich wohl einige stellen, vor allem in Zusammenhang mit dem Titel dieses Beitrages. Warum werden ÖVP und SPÖ als Wegbereiter_innen bezeichnet? Versuchen wir, diesen Fragen auf den Grund zu gehen: Überwachung und Kontrolle, die Schaffung von Feindbildern und damit einhergehende Gewalttaten, sind keine Seltenheit, sondern mittlerweile zum Alltag in Europa geworden. Es vergeht keine Stunde, in der es nicht zu Übergriffen auf Geflüchtete kommt, kein Tag, an dem nicht mindestens eine Flüchtlingsunterkunft von Nazis und Rassist_innen angegriffen wird. Oft werden ganze Häuser abgefackelt. Allein in Deutschland sind im Jahr 2015 laut einer :: Dokumentation mehr als 800 Angriffe auf Unterkünfte bekannt geworden, davon 139 Brandanschläge. Neben dem :: massiven Anstieg der Gewalt gegen :: Geflüchtete kommt es zu vermehrten Übergriffen auf Unterstützer_innen und Personen des öffentlichen Lebens.


Hetze und Gesetze als rassistische Gewalt


In Österreich, wo rassistische Hetze mittlerweile zum Alltag geworden ist, kam es im Jahr 2015 zu :: mindestens 25 Übergriffen auf Flüchtlingseinrichtungen. Die Situation schaut etwas anders aus als in Deutschland, doch wäre es ein Fehler, von geringerer :: Gewalt gegen Geflüchtete zu sprechen. Denn hierzulande funktioniert die Ausgrenzung auf breiter Basis und viele der Gewalttaten gehen von der Exekutive aus, in der sich unzählige Rechte tummeln. Der "Korpsgeist", besonderes Anliegen von Wiens Oberkiwara Pürstl, verbietet es Beamt_innen, gegen die allgemeine Stimmung im Apparat zu reden. Kritik aus den Reihen der Polizei an der Praxis der Exekutive ist kaum zu hören. Und es darf nicht vergessen werden, dass in Österreich seit Jahren rassistisch motivierte Gewalttaten Todesopfer fordern. Doch wird das politische Motiv oft ausgeblendet - und die Gewalt verharmlost.

Der größte Unterschied zu Deutschland ist wohl, dass Rassismus hier viel mehr institutionalisiert und die Obrigkeitshörigkeit sehr stark ausgebreitet ist.

Konzentrieren wir uns nun wieder auf die Alpenrepublik: Mit verbaler Hetze wird mehr und mehr zum tätlichen Übergriff aufgestachelt. Menschen werden terrorisiert. Und genau hier werden die Zusammenhänge zwischen Rassismus und Faschismus deutlich. Denn Faschismus baut auf der Terrorisierung der Bevölkerung auf, über Angstmache soll Zuspruch erzeugt werden - und Widerstand im Keim erstickt. Wer nicht mit macht oder gar dagegen redet, wird schnell selbst zum Ziel des faschistischen Terrors.


Politische Veränderungen


Nun steht Österreich dieser Tage vor einer historischen Wahl. Wird zum ersten mal ein FPÖler zum Bundespräsidenten gekürt? Was dies bedeutet, darüber gibt es unzählige Diskussionen. In den Kolumnen mancher Tageszeitungen und zahlreichen Kommentaren wird kein Hehl daraus gemacht, dass eine Veränderung bevor steht, dass nichts mehr so sein wird, wie es war. Dass sich Österreich hin zu einem autoritären Staat entwickeln könne, sollte die FPÖ die Macht übernehmen - was angesichts der Krisen innerhalb von SPÖ und ÖVP und dem anhaltenden Wähler_innenschwund der ehemaligen 'Groß'-Parteien nicht mehr auszuschließen ist.

Dass dies nicht nur Veränderungen für "die Ausländer_innen" bedeutet, sollte nicht vergessen werden. Vielen zu "Randgruppen" erklärten drohen vermehrte Einschnitte, begleitet von einem wahrscheinlichen massiven Sozialabbau. Schon jetzt wird von der FPÖ und großen Teilen der ÖVP eine Reduzierung der Mindestsicherung für Flüchtlinge gefordert. In Oberösterreich herrscht innerhalb der schwarz-blauen Koalition bereits Einigkeit. Während sich in Tirol die schwarz-grüne Landesregierung auf eine Koppelung der Mindestsicherung an die "Integrations- und Arbeitswilligkeit" der Bezieher_innen einigen konnte.


Sozialer Kahlschlag


Was mit einer Diskussion um die "Ausnutzung des Sozialsystems" durch Geflüchtete startete, wird mehr und mehr zu einem sozialen Kahlschlag. Dabei wird vermehrt auf soziale und rassistische Selektion gesetzt, immer mehr Leute von Sozialleistungen ausgeschlossen. Die SPÖ setzt unter ihrem neuen Vorsitzenden und Bundeskanzler Kern auf soziale Absicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen. Ein Ziel Kerns laut seiner Regierungserklärung: "Die Wirtschaft zu stimulieren, damit Jobs entstehen, von denen die Menschen leben können." Im Rahmen eines "New Deal" will Kern in Zusammenarbeit mit der ÖVP die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik angehen um "die Stimmung zu drehen". Kerns Vision ist ein Land, "in dem nicht nur eine kleine Minderheit von der Wohlstandentwicklung profitiert".

SPÖVP ist das Wohle der Wirtschaft ein Anliegen, das als Grundlage für Wohlstand und sozialen Frieden gesehen wird. Fragt sich, wie dieses Kunststück gelingen kann, wenn die ÖVP vor allem daran interessiert ist, die Mindestsicherung generell zu begrenzen. Die Politik des Koalitionspartners zielt in Richtung Sozialabbau - im Dienste der Wirtschaft.

Hierbei handelt es sich nicht um eine Politik, die nur in Österreich zu beobachten ist, sondern um eine globale Entwicklung mit entsprechenden Auswirkungen: Die Schere zwischen Arm und Reich wird mehr und mehr geöffnet; es ist eine kontinuierliche Entwicklung, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden, oder mit anderen Worten: die Ungleichheit in Europa nimmt zu. Dies erklärte u.a. der US-Ökonom Branko Milanovic im Interview mit dem Standard: "Es gibt die These, dass die steigende Kluft das Wirtschaftswachstum bedroht. Aber hier ist die Beweislage nicht sehr eindeutig. Überzeugt bin ich davon, dass die Entwicklung für den sozialen Zusammenhalt in einer Gesellschaft gefährlich ist. Notwendig wäre also die Umverteilung, also die Dekonzentration von Finanzvermögen." Ein Vorhaben, an dem u.a. der ehemalige Bundeskanzler Fayman scheiterte.


Die Propaganda der Angst


In seiner Antrittsrede als neuer Bundeskanzler betonte Kern:
"Wir wollen die Hoffnung nähren und nicht die Sorgen und Ängste der Menschen. Wir wollen eine Politik des Zukunftsglaubens der Hoffnungslosigkeit gegenüberstellen. Wir wollen eine Politik der Weltoffenheit der geistigen Verengung gegenüberstellen. Und wir wollen eine Politik der Heimatverbundenheit und des Patriotismus dem Chauvinismus und der Hetze gegenüber Minderheiten gegenüberstellen."

Politiker_innen argumentieren ihre Vorhaben oft und gerne mit den Sorgen und Ängsten der Bevölkerung, die sie nicht ignorieren dürften. Kern will diesen Ängsten mit Hoffnung entgegentreten. Doch um welche Ängste welcher Teile der Bevölkerung handelt es sich hier? Wohl kaum um jene Ängste von Menschen, denen der Aufenthalt verwehrt wird - und die sich deshalb tagtäglich mit der Ungewissheit bewegen, mit Angst vor Kontrollen, die ihre Internierung und Ausweisung zur Folge haben könnten.

Die Sorgen und Ängste der Menschen, die Politiker_innen ernst nehmen wollen, werden oft geschürt; und dies nicht ohne Ziel. Denn mit Angstmache kann Politik gemacht werden, kann Zustimmung zu sonst möglicherweise nicht akzeptierten Maßnahmen geschaffen werden. Und viele Parteien versuchen mit dem Schüren von Ängsten Zustimmung für ihre ideologisch ausgerichteten Vorhaben zu ergattern, wie die Politik der FPÖ seit Jahrzehnten belegt.

Lukas Resetarits thematisierte die Ängste der FPÖ bzw. Hofer-Wähler_innen in einem :: Interview mit dem Kurier. Auf die Frage zur unglaublichen Zustimmung für die FPÖ in seiner Heimatgemeinde im Burgenland antwortete er:
"Die Facharbeiter wählen den Hofer - und die Hocknstadn auch. Weil er verspricht, ein starker Mann zu sein. Und weil sie Angst haben, dass die Ungarn und Slowaken ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen. Oder dass sie fürn Flüchtling zahlen müssen. Zudem gibt es die große Angst, dass unsere Sicherheit flöten geht - gerade in dem Bundesland, in dem die wenigsten Verbrechen passieren. Das ist völlig irrational. Das hat die Propaganda geschafft. Und der Herr Niessl. Diese Wende hin zur FPÖ: Ich versteh' sie nicht! Und ich versteh' nicht, warum man schon wieder reinfällt auf die rechten Populisten."

Ob es ein Reinfallen ist, darüber lässt sich streiten. Denn dies würde bedeuten, dass das FP-Wahlvolk der Politik dieser Partei nicht zustimmt. Doch gerade im Bezug auf Rassismus ist zu befürchten, dass die Zustimmung sehr hoch ist. Woher diese Zustimmung kommt? Vielleicht aus einer Resignation aufgrund fehlender Alternativen. Denn gerade in Sachen Rassismus hat die SPÖ bewiesen, dass sie diesen in Gesetze gießen kann. Gesetze, die seit Jahrzehnten gemeinsam mit der ÖVP geschmiedet werden. Eine Abkehr von dieser Politik ist unter der kurzen Amtszeit Kerns bisher jedenfalls nicht zu erkennen. Immer wieder wird betont, gemeinsam mit der ÖVP den eingeschlagenen Kurs zu halten.


Zur Weltoffenheit mit rechten Werten?


Würde Kern sein Gerede von der "Weltoffenheit" ernst nehmen, dann müsste er den Kriegsminister Doskozil entlassen, der eine Politik der Ausgrenzung und Abschottung vorantreibt. Mit Zäunen und bewaffneten Soldat_innen an den Grenzen. Damit werden reale Probleme geschaffen für Menschen auf ihrem Weg in ein sicheres Leben. Kern will gegen die "geistige Verengung" vorgehen, gestattet seinen Minister_innen jedoch, weitere Zäune hochzuziehen.

So stellt sich die Frage: Handelt es sich bei Kerns Antrittsrede um leere Worte? Oder steckt dahinter ein auf rassistischer Ideologie aufbauendes Weltverständnis? Wohl eine Mischung aus beiden! Denn klar ist, dass es nach wie vor Stimmen in der SPÖ gibt, die sich gegen Abschottung und Ausgrenzung aussprechen; und genau diese will der frisch gebackene Kanzler, der der SPÖ aus der Krise helfen soll, umstimmen: Mit schönen Worten, während gleichzeitig die Politik gegen Geflüchtete und Migrant_innen fortgesetzt wird.

Fragt sich: Kann eine Fortsetzung einer Politik, die mehr und mehr der Hetze der FPÖ entspricht und dieser ständig neue Wähler_innen zutreibt, eine Änderung herbeiführen? Kann Kern damit, wie er betont, "die Stimmung im Land drehen"? Eine Neuausrichtung schaffen? Wohl kaum. Denn so lange Polizist_innen wie Hans Peter Doskozil, der sich mit der Umsetzung rassistischer Politiken einen Namen macht(e), als ranghohe Politiker_innen nahezu uneingeschränkt agieren können, ist das Gerede um eine neue Ausrichtung als reiner Hohn zu verstehen. Es sieht so aus, als würde die SPÖ weiterhin einen Weg gehen, der der Hetze der FPÖ entspricht (manche würden wohl sagen: folgt) und dem Faschismus mehr und mehr den Weg ebnet.


Alarm!


Es ist wohl falsch bzw. verharmlosend, im Zusammenhang mit der derzeitigen Situation in Österreich von Faschismus zu sprechen. Es ist aber auch verharmlosend, die Zeichen zu ignorieren, die klar auf eine Wende hin zum autoritären Regime weisen. Eine Entwicklung, die wir nicht nur in Österreich beobachten, sondern die quer durch Europa zu erkennen ist. Überall sind die Aktivitäten von Nazis und Faschist_innen alarmierend. Die Zahl der Übergriffe und Gewalttaten steigt dramatisch, immer wieder werden faschistische Terrorzellen ausgehoben, wobei nicht nur Berge an Propagandamaterial gefunden werden, sondern auch mehr und mehr Waffen. Nicht immer werden die politischen Hintergründe der Nazibanden offen gelegt, sehr oft wird dies vermieden und die involvierten Personen als irre Einzeltäter_innen, Spinner_innen oder Waffennär_innen verharmlost.

Während einerseits die Diskussion um religiös motivierten Terror von Muslim_innen den Sicherheitsdiskurs mehr und mehr beeinflusst und als Reaktion auf Attentate die Freiheit beschnitten wird, wird der faschistische und Naziterror verharmlost - und in diesem Zusammenhang kaum von Terrorismus gesprochen. Dabei ist schwer zu übersehen, dass der Naziterror eine wesentlich größere Bedrohung für Europa darstellt(*), als die Aktivitäten von Al Kaida, IS und Co. Wobei das fundamentalistische, autoritäre Regime, das IS in Teilen von Syrien und dem Irak installiert hat, in vieler Weise mit faschistischen Regimen vergleichbar ist.

Diese Terrorbanden können in Europa zwar für Unsicherheit sorgen und die Regierungen dazu bringen, als Reaktion auf die blutigen Massaker Maßnahmen zu setzen, die die Freiheit der Bevölkerung massiv einschränken, doch sie haben keine Chance, die Macht zu übernehmen. Ganz anders sieht es mit den faschistischen Terrorbanden aus, deren Netzwerke bis in die obersten Positionen von Regierungen, Polizei, Medien, Militär, Wirtschaft usw. reichen. Was wenn diese bzw. ihnen nahe stehende Parteien die Macht in Europa übernehmen? Die Antwort auf diese Frage kann hier nicht gegeben werden, ein Blick über die Grenze nach Ungarn kann aber einen Einblick geben.


Nieder mit den Zäunen!


Und in Österreich? Auch wenn es der FPÖ und ihrem Kandidaten Hofer am vergangenen Sonntag nicht gelungen ist, die Wahl zum Bundespräsidenten zu gewinnen, es ist Zeit für eine Abkehr von rechten Werten und rassistischer Hetze. Es bedarf eine Abkehr von Nationalismus und Chauvinismus ebenso, wie einer Abkehr von Heimatverbundenheit und Patriotismus. Denn diese "Werte" stehen nun mal für Ausgrenzung.

Als erste glaubhafte Maßnahme für eine Neuausrichtung der Politik schlagen wir die Abtragung der Zäune in und um Europa vor. Anstatt immer mehr Barrieren zu errichten, bedarf es einer Öffnung. Es bedarf einer Welt, in der Ausbeutung und Unterdrückung ebenso der Vergangenheit angehören, wie Faschismus und Rassismus. Denn erst wenn der letzte Zaun gefallen, das letzte Abschiebelager geschlossen, der letzte Abschiebeflieger geschrottet ist, ist der Weg in eine befreite Gesellschaft möglich.

Das Ziel sollte eine Welt des Friedens und der Freiheit sein, wie es Überlebende der Konzentrationslager nach ihrer Befreiung formulierten. No pasaran. Nie wieder Faschismus.





Anmerkung:
(*) Hier werden dezitiert die Gefahren für Europa gemeint und nicht die Situation, der die Menschen in den von Terrorgruppen wie IS beherrschten Gebieten tagtäglich ausgesetzt sind. Denn genau diese bringen viele Menschen dazu, sich auf den Weg zu machen in ein sicheres Leben, sehr oft mit dem Ziel: Europa.