Am 18. Oktober 2014 war es wieder so weit. Flüchtlinge demonstrierten gemeinsam mit Unterstützer_ innen durch Wien und forderten ihre Rechte. Anlass war der Prozess in Wr. Neustadt, bei dem acht Personen wegen Fluchthilfe angeklagt sind.
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Ca. 350 Leute waren gekommen, um den teilweise anwesenden Angeklagten im Fluchthilfeprozess ihre Solidarität zu zeigen und gegen das rassistische System in Österreich zu demonstrieren.
Treffpunkt war um 15:00 Uhr beim :: Marcus Omofuma Stein am Fuße der Mariahilferstraße in Wien, wo erste Redebeiträge gehalten wurden. Es wurde über den Prozess informiert, aber auch über die derzeit stattfindende EU-weite :: Polizeioperation Mos Maiorum, im Rahmen derer im Zuge von Racial Profiling Jagd auf Menschen ohne Papiere gemacht wird, um diese zu internieren und gegebenfalls abzuschieben, aber auch um Informationen über Migrationswege zu sammeln, wie die Behörden selbst behaupten.
Die Mobilisierung für diese Demo war trotz langer Planung relativ kurz. Der Termin wurde mehrmals verschoben, wohl auch weil die Unterstützung der Angeklagten in Wr. Neustadt samt Prozessbeobachtung usw. viel Zeit in Anspruch nimmt. Deshalb gibt es immer wieder Aufrufe, zum Prozess zu kommen und die Angeklagten nicht alleine zu lassen. Einer der Angeklagten berichtete im Laufe der Demonstration kurz über den Prozess und hob hervor, wie wichtig die Anwesenheit von solidarischen Menschen ist.
"We demand our rights"
Die Demonstration zog nach der Auftaktkundgebung vorbei am Justizpalast zum Parlament. Von dort ging es weiter zum Landesgericht, bevor der für die Flüchtlingsbewegung in Wien historisch wichtige Sigmund Freud Park vor der Votivkirche erreicht wurde. Hier befand sich von November bis Dezember 2012 das Protestcamp der Flüchtlinge, die damals von Traiskirchen nach Wien marschierten, um für ihre Rechte zu kämpfen. Einzelne Leute haben zwar mittlerweile Asyl oder andere Aufenthaltspapiere erhalten, die Forderungen der Flüchtlinge sind aber nach fast zwei Jahren nach wie vor nicht erfüllt, das Lager in Traiskirchen kommt immer wieder in die Schlagzeilen und Migrant_innen bzw. Flüchtlinge werden von Politiker_innen und Medien dazu genutzt, um rassistische Hetze zu schüren.
Doch die Flüchtlinge gaben ihren Kampf nie auf und fordern nach wie vor ihre Rechte. So erschallte erneut der Slogan "We demand our rights" in den Straßen Wiens.
Die Stimmung auf der Demonstration war gut, sogar die Sonne ließ sich blicken und sorgte für das richtige Klima für einen mehrstündigen Spaziergang durch die Wiener Innenstadt. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit, um ca. 19:30 endete die Demonstration ohne weitere Zwischenfälle dort, wo vor fast zwei Jahren das Protestcamp der Flüchtlinge errichtet wurde und für einige Zeit die Schreibtischtäter_innen ins Schwitzen brachte. Es gibt weiterhin Solidarität mit den Geflüchteten, doch kann diese angesichts der Tatsache, dass sich nach wie vor Menschen gezwungen sehen, in Europa um Asyl anzusuchen, nicht groß genug sein.
Um den Beginn der Proteste in Erinnerung zu rufen, wird für 24. November 2014, dem 2. Jahrestag des :: Protestmatsches von Traiskirchen nach Wien und der Errichtung des Protestcamps in Wien, eine Demonstration in Wien geplant.
Migration entkriminalisieren heißt: Weg mit dem Visaregime!
Auf der Demonstration am 18. Oktober 2014 wurde u.a. die Abschaffung von § 114 FPG gefordert, sowie ein Ende der Kriminalisierung von Migration. Am einfachsten wäre dies durch die Abschaffung des Visaregimes, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, auf offiziellem Wege in Europa einzureisen und nicht auf heimliche Wege angewiesen zu sein. Dann würden sie bei der Überquerung von EU-Außen- und Binnengrenzen keine Inanspruchname der Dienstleistung Fluchthilfe mehr benötigen.
Und genau diese Unterstützung flüchtender bzw. migrierender Menschen wird in Österreich mit dem Paragrafen §114 des Fremdenpolizeigestezes (FPG) zu einer Straftat gemacht: "Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung" nennen dies die Schreibtischtäter_innen (in den anderen EU-Staaten gibt es ähnliche Bestimmungen, Anm.). Einer der Angeklagten brachte es auf den Punkt: Was ist daran kriminell, Menschen auf der Flucht zu helfen und ihnen beispielsweise ein Ticket für den Zug zu kaufen?
Um die Angeklagten vor Gericht zu bringen, scheute die Polizei keine Mühen. Eine eigene Sonderkomission wurde gegründet, hunderte Telefone überwacht, Menschen observiert und in der Folge eine "kriminelle Vereinigung" konstruiert. Dass diese nie existierte, ist mittlerweile selbst dem Gericht klar. Trotzdem wird der Prozess fortgeführt, es gibt noch weitere Termine bis Anfang Dezember, wo es möglicherweise zu einem Urteilsspruch kommt.
Bis dahin ist Solidarität gefragt und alle sind aufgerufen, diese auch im Gerichtssaal in Wr. Neustadt zu zeigen. Um dies zu erleichtern, hier die kommenden Termine und die Adresse des Gerichts samt Tipps zur Anreise aus Wien.
Beobachtet den Fluchthilfeprozess!
Die Verhandlungen dauern jeweils von 9:00 bis ca. 15:30, meist gibt es eine Stunde Mittagspause. Von Wien aus ist Wr. Neustadt mit der S-Bahn oder den schnelleren Express und Regional-Zügen vom Bahnhof Wien Meidling erreichbar.
Adresse:
Landesgericht Wiener Neustadt
Schwurgerichtssaal im 1. Stock
Maria-Theresien-Ring 5
2700 Wiener Neustadt
Der Verhandlungssaal ist über den Haupteingang barrierefrei erreichbar.
Die kommenden Termine:
Dienstag, 28.10.2014 - 35. Prozesstag
Montag, 03.11.2014 - 36. Prozesstag
Mittwoch, 05.11.2014 - 37. Prozesstag
Montag, 10.11.2014 - 38. Prozesstag
Mittwoch, 12.11.2014 - 39. Prozesstag
Mittwoch, 19.11.2014 - 40. Prozesstag
Donnerstag, 20.11.2014 - 41. Prozesstag
Freitag, 28.11.2014 - 42. Prozesstag
Donnerstag, 04.12.2014 - 43. Prozesstag
Links
Weitere Informationen im :: Aufruf zu solidarischer Prozessbeobachtung vom 23. August, in der aktuellen :: Broschüre zum Fluchthilfeprozess (:: hier als pdf) bzw. auf folgenden Seiten zum Refugee Protest Vienna und zum Fluchthilfeprozess in Wr. Neustadt:
:: solidarityagainstrepression.noblogs.org - Zusammenfassungen der Verhandlungstage, aktuelle Termine und vieles mehr von der Soligruppe.
:: prozess.report/fluchthilfe - Live-Ticker und Storify-Zusammenfassungen aus Wr. Neustadt.
:: refugeecampvienna.noblogs.org - Seite zum Protest der Flüchtlinge, die sich am 24. Novembe 2012 zu Fuß von Traiskirchen nach Wien aufmachten, um hier ihre Rechte einzufordern.
:: fluchthilfe.at - Fluchthilfe&Du? - Projekt von Unterstützer_innen und Flüchtlingen.
:: no-racism.net/thema/130 - Artikelsammlung zum Refugee Protest Vienna auf no-racism.net.
Audioberichte von nachrichten.o94.at:
:: "Wenn mich jemand um Hilfe bittet, laufe ich davon" - Update vom Fluchthilfeprozess (24. Oct 2014)
:: Über 7 Monate Fluchthilfeprozess und über die Wörter "Schlepperei" und "Menschenhandel" (13. Oct 2014)
:: Fluchthilfeprozess: Interview mit einem Angeklagten (03. Oct 2014)
:: Fluchthilfeprozess fortgesetzt - Bericht einer Prozessreporterin (08. Sep 2014)
Weitere Audiobeiträge unter :: cba.fro.at/tag/fluchthilfe
Videobericht vom Prozess und der Demo am 18. Oktober 2014 in den
:: Nachrichten ganz org vom 22. Okt 2014 (Youtube)