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[ 09. May 2015 ]

Die Kongo-Connection. Vorgeführt! Identifiziert! Ausgeschafft?

Ausschaffungskartei

Ende November 2014 weilt eine Delegation aus der Demokratischen Republik Kongo (DRK) in der Schweiz. Sie soll Flüchtlinge als Bürger_innen der DRK identifizieren und provisorische Reisepapiere ausstellen, damit die Schweiz diese Menschen später in die DRK ausschaffen kann.

 

Die genaue Zahl der Flüchtlinge, die zu einem Vorführungstermin bei der Delegation aus der DRK erscheinen muss, ist nicht bekannt. augenauf Zürich hat zwei Fälle genauer unter die Lupe genommen. J.B. lebt seit elf Jahren in der Schweiz, S.L. und ihre neunjährige Tochter seit vier Jahren. Alle haben bereits in ihrem Asylantrag angegeben, dass sie aus dem Kongo stammen, weshalb die Vorführung wohl eher zur Papierbeschaffung als zur Identitätsabklärung gebraucht wurde.

Am 18. November 2014 um 7 Uhr morgens holen drei Polizist_innen J.B. ohne vorherige Ankündigung aus seiner Wohnung. Weshalb, weiss J.B. nicht. Er wird von der Polizei mitgenommen und ins Kasernengefängnis in Zürich gebracht. Dort informiert man ihn, dass er nach Bern gebracht werde, um der kongolesischen Delegation vorgeführt zu werden. Darauf bleibt er für zwei Tage in der Kaserne eingesperrt. Am 20. November fesselt man ihn dann mit Handschellen und transportiert ihn in einem Polizeiwagen von Zürich nach Bern zum Staatssekretariat für Migration (SEM, früher BFM). Dort sieht er mehrere Männer und eine Frau, welche ebenfalls als vermeintliche Kongoles_innen der Delegation vorgeführt werden.

Die Polizei kommt frühmorgens um 5 Uhr

Am 20. November poltern um 5 Uhr morgens mehrere Polizist_innen bei S.L. und ihrer Tochter zu Hause an die Tür. Sie wecken die beiden und bringen sie wie J.B. zuerst in die Kaserne nach Zürich. Auch sie werden nicht vorher informiert, dass sie einer Delegation vorgeführt werden sollen. Von Zürich geht der Transport in einem Polizeibus weiter nach Bern. S.L. und ihre Tochter sind während der Fahrt ungefesselt. Schliesslich identifiziert die Delegation S.L. als Kongolesin. Vier Tage später erhält sie einen Brief vom Migrationsamt Zürich mit der Aufforderung, sich bei der Rückkehrberatung zu melden. S.L. tut dies, die Rückkehrberatung kann ihr jedoch nicht weiterhelfen. Später erhält sie einen weiteren Brief vom Migrationsamt. Dieses Mal soll sie vier Passfotos von ihrer Tochter schicken. Auf Anraten ihres Anwaltes geht sie auf diese Forderung nicht ein. S.L. erzählt uns, dass ihre Tochter nach der nächtlichen Abholaktion unter Angstzuständen leidet.

Provisorische Reisepapiere in zehn Minuten

Die Befragung durch die Delegation läuft meistens nach dem gleichen Muster ab: Der oder die zu Identifizierende sieht sich sowohl kongolesischen wie auch schweizerischen Migrationsbeamt_innen gegenüber. Wer welche Tätigkeiten ausübt sowie die Namen der Delegierten erfahren die Vorgeführten nicht. Es folgen Fragen zur Identität und zur Region, aus der man kommt. Die Fragen werden in verschiedenen Sprachen gestellt bzw. beantwortet.

Nach rund zehn Minuten ist die Prozedur vorbei. Die Delegation entscheidet, ob der oder die Befragte aus der DRK stammt oder nicht. Falls ja, erhält die betroffene Person die Aufforderung, ihre Rückreise in die DRK zu organisieren. Wer dieser Aufforderung nicht nachkommt, dem wird mit Ausschaffung gedroht. Die dafür nötigen Papiere werden zuhanden der Schweizer Behörden ausgestellt. Die Delegation aus der DRK ist nach zwei Tagen Identifikationsvorführungen wieder abgereist. Zurück bleiben verunsicherte und verängstigte Menschen.

    Abkommen mit dem Kongo


    Im Februar 2008 traf das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement eine Vereinbarung mit der DR Kongo «über die einvernehmliche Steuerung der Migration». Darin wurde unter anderem festgelegt, dass die Schweiz die Kosten für die Reise und Unterkunft einer kongolesischen Delegation übernimmt, welche regelmässig in die Schweiz reisen soll und hier die Nationalität von abgewiesenen Flüchtlingen «feststellen» soll. Solche Delegationsreisen kongolesischer Beamt_innen sind vor Jahren nach einem gescheiterten Ausschaffungsversuch und aufgrund massiver Korruptionsvorwürfe gegen die zuständigen kongolesischen Ausländerbehörden eingestellt worden. Mit der Vereinbarung von 2008 wurde aber die Vorgehensweise wieder legitimiert. Die Vereinbarung wurde auf drei Jahre beschränkt und im Februar 2011 erneuert.

    Zwei Jahre später unterzeichnete Bundesrätin Simonetta Sommaruga ein Abkommen mit der DR Kongo. Dieses «soll die Zusammenarbeit beider Länder bei Fragen der Migration und die freiwillige Rückkehr von kongolesischen Flüchtlingen fördern und unterstützen». Falls die Flüchtlinge nicht freiwillig zurückkehren wollen, kann dann auf die ausgestellten, provisorischen Reisepapiere der Delegation zurückgegriffen werden.


Artikel von augenauf Zürich, zuerst erschienen in :: augenauf-Bulletin 84, April 2015.

Quellen:
:: augenauf.ch/pdf/mm_augenauf_kongo.pdf
:: admin.ch/opc/de/official-compilation/2008/3693.pdf
:: admin.ch/ch/d/sr/c0_142_112_739.html
:: ejpd.admin.ch/ejpd/de/home/aktuell/news/2013/2013-
02-04.htm