Gefolterter erzählt erstmals seine Geschichte selbst.
Detailreiches und erschütterndes Buch im Internet abrufbar.
Vor knapp elf Jahren wurde Bakary Jassey von Wiener Polizisten in einer Halle schwer verletzt. Die Rechtsfolgen des Falles sind noch immer nicht abgeschlossen. Nun schildert Bakary Jassey erstmals selbst die Ereignisse. Herausgekommen ist ein detailreiches und erschütterndes Buch, das seit heute, Sonntag (Anm.: 12.02.2017), im Internet abrufbar ist und auch für Kenner des Falles neue Aspekte aufzeigen dürfte.
Der Titel lautet: "Wie es sich zugetragen hat". Am Nachmittag des 6. April 2006 begegnete Bakary Jassey dem damaligen WEGA-Polizisten C. im Dienstzimmer des Polizeianhaltezentrums (PAZ) am Hernalser Gürtel in Wien zum ersten Mal. In der darauffolgenden Nacht sah er ihn wieder. "Gegen vier Uhr stürmte C. in Begleitung von vier uniformierten Kollegen unsere Zelle. Sie brüllten meinen Namen, alle schreckten aus ihren Betten. Uniformierte Männer rafften hastig meine Habseligkeiten zusammen." Bakary Jassey musste mit C. und zwei weiteren Beamten der WEGA in einen Polizeibus steigen, sie fuhren zum Flughafen Wien-Schwechat, wo der Gambier mit einer Maschine der SN Brussels Airline abgeschoben werden sollte.
Doch Jassey, der mittlerweile in Panik geraten war, sagte zu einer Flugbegleiterin, dass er über die Reise nicht informiert worden sei, eine österreichische Frau und zwei Kinder habe und dass er nicht mitfliegen wolle. Der Copilot entschied daraufhin, dass er den Schubhäftling nicht mitnehmen werde. "C. sagte zu mir, sie hätten bereits gewusst, dass ich nicht mitfliegen würde. Und dass ich nun etwas erleben werde", so Jassey.
Es folgte die Rückfahrt nach Wien im Polizeibus, wobei das Mobiltelefon von C. im Dauereinsatz war. Nach ziellosem Umherfahren hielten sie vor einer großen Lagerhalle, wobei mittlerweile ein vierter Beamter dazugekommen war. "Der Fahrer parkte den Bus am Ende der verlassenen Halle. Die Polizisten stiegen eilig aus und verschwanden aus meinem Blickfeld. Ich blieb allein zurück, eingesperrt, und war erneut der Panik nahe."
C. drohte ihm schließlich: "Ob ich Adolf Hitler kennen würde? Ich sagte nein, aber dass ich wisse, dass er sechs Millionen Juden umgebracht hat. Ich werde die Nummer Sechsmillionenundeins sein, gab C. zurück, und befahl mir auszusteigen." Dann musste Jassey aus dem Bus aussteigen. "'Action!' brüllte C. Ich kniete nieder, weinte, bettelte um Gnade, sie mögen mein Leben schonen und mich nicht umbringen. (...) 'Es ist zu spät!' höhnte C." Dann erst begann die eigentliche Qual. "'Auf Wiedersehen, Jassey, du wirst deine Frau und deine Kinder niemals wieder sehen, diese süße Welt ist nun zu Ende für dich!' Sie umzingelten mich, dann sprangen sie los."
Jassey betont auch heute noch, dass sich der vierte Polizist nicht an den Gewalttaten beteiligt hat. Er habe die Szene gefilmt. Warum, weiß Bakary Jassey bis heute nicht. Er erzählt in weiterer Folge davon, dass ihn die drei Beamten mit Schlägen traktiert haben. "Ein extrem harter Punch brachte mich schließlich endgültig zu Fall". Dann kamen Tritte, auch einen Schlagstock oder einen Elektroschocker verwendeten sie. "Ich solle mein letztes Gebet aufsagen, befahlen sie mir, und meine Augen schließen", schildert Jassey. Dann habe einer der Männer eine Handgranate in der Hand gehabt.
"Sie packten mich brutal an den Armen, schleiften mich zur Mitte der Halle und zwangen mich in einer muslimischen Gebetspose auf den Boden. Mühevoll hob ich noch den Kopf und sah die Männer zurückweichen. Dann kam auch schon der Bus auf mich zu. Ich spürte den Aufprall und erinnere mich noch an den harten Sturz auf den Beton. Dann verlor ich das Bewusstsein", schrieb Bakary Jassey über die schlimmsten Augenblicke seines Lebens.
"Als ich wieder zu mir kam, fühlte ich das Blut. (...) Stimmen drangen an mein Ohr, ich erinnere mich an das Wort 'Fluchtversuch'. Sie schienen sich abzusprechen", erzählt Jassey. Mit dem Bus brachten ihn die Beamten aus der Halle weg. Jassey lag zwischen den Sitzbänken auf dem Boden. "C. stellte seine Füße auf mich. Ich röchelte kurz, das Atmen tat entsetzlich weh. Dann flüsterte ich langsam: 'Ich sterbe. Ich brauche Hilfe, bitte bringt mich in ein Spital.' Die Überraschung im Bus war groß. 'Er lebt, unglaublich! Fahr schneller, es ist besser, er stirbt im Spital!'", heißt es in dem Buch.