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[ 31. Aug 2006 // letzte änderung: 02. Sep 2006 ]

Im 'Auftrag dich zu töten': Mildes Urteil für lachende Beamte

Hier wurde die

Darf in Österreich gefoltert werden? Diese Frage muss angesichts der laut amnesty international ersten gerichtlichen Verurteilung wegen einer Folterung in der Zweiten Republik mit ja beantwortet werden. Die Folterer dürfen aufatmen und lachen sich ins Fäustchen.

 

Sie sind dazu da, um Gewalt zu exekutieren. Die Abschiebepolizisten der Polizeisondereinheit WEGA. Richter Thomas Schrammel verurteilte vier Polizisten der Sondereinheit WEGA zu bedingten Haftstrafen. Sie hatten am 7. April 2006 nach einer verhinderten Abschiebung Bakary J. in eine Lagerhalle gebracht und dort massiv misshandelt. In der Folge hatten sie versucht, die Ereignisse zu verschleiern.

Am 30. und 31. August 2006 mussten sich die Beamten wegen "Quälen eines Gefangenen" (Strafmaß bis zu drei Jahre Haft) vor dem Landesgericht Wien verantworten. Doch zur Verantwortung wurden sie schlussendlich nicht gezogen. Stattdessen muss resümiert werden, dass das Gericht mit dem Spruch vom 31. August 2006 den Angeklagten - und damit dem gesamten Polizeiapparat - offenbar das Recht zugesteht, Menschen zu misshandeln.


Das Urteil


Die drei Haupttäter wurden zu jeweils acht Monaten auf Bewährung verurteilt, der vierte Polizist, der via Telefon zum Ort des Geschehens gerufen wurde um das Tor zu öffnen und selbst "nicht Hand anlegte", wurde als "Beitragstäter" zu sechs Monaten auf Bewährung verurteilt.

Bakary J., der Gefolterte, bekam 3000 Euro Entschädigung zugesprochen. Für weitere Ansprüche verwies der Richter auf den Weg des Zivilrechts. Die Angeklagten sowie ihre VerteidigerInnen verzichteten auf weitere Rechtsmittel. Und auch der ob der öffentlich gewordenen Ereignisse schockiert wirkende Staatsanwalt, der zuvor noch überraschend klare Worte gefunden hatte und eine entsprechendes Verurteilung forderte, gab sich mit dem Strafmaß zufrieden.


Die Urteilsbegründung


In seiner Urteilsbegründung führte der Richter zwar aus, dass es sich um "unentschuldbares Verhalten" gehandelt habe, jedoch schienen die "mildernden Umstände" für ihn so schwerwiegend gewesen zu sein, dass er ein Urteil fällte, dass für die Angeklagten zu keinerlei Konsequenzen führen wird. Da der Strafrahmen weniger als ein Jahr beträgt, können sie weiterhin ihrem Beruf als Polizisten nachkommen - und somit auch weiterhin Menschen bei der Abschiebung begleiten und mit "angemessener Gewalt" deren Widerstand brechen.

Für den Richter ist das "Dilemma, in dem die Beamten stecken" sogar nachvollziehbar. Es müsse halt nun mal abgeschoben werden. Und wenn es sich um eine Problemabschiebung handelt, dann gelten wohl andere Regeln? Denn, so führte der Richter aus, sei ein "Bezug auf Erlebtes bei früheren Abschiebungen" gegeben.

Fragt sich nun, warum der Richter die Angeklagten für schuldig erklärte: "Man kann net hergehen wenn man sich über einen ärgert und sich schon früher über solche Leute geärgert hat, dann darf man das nicht machen...." Und weiter: "Es ist unentschuldbar, das darf nicht vorkommen. Man muss der Polizei vertrauen können, dass es keine Schläge gibt."

Trotzdem rechnete der Richter "es den Polizeibeamten hoch an, dass sie Jahre lang den Kopf hingehalten haben" und bezeichnet den Vorfall als "Ausrutscher". Als mildernden Umstand sieht er den ordentlichen Lebenswandel der Angeklagten und auch, obwohl das "eigentlich nicht zählen sollte", die "Provokation", die der Misshandlung vorhergegangen sein soll. Weil sich Beamte nicht provozieren lassen dürfen, ist dies für ihn aber nur ein "Milderungsgrund in drei Grammen". Dass das Urteil bedingt ausgesprochen wurde, begründete er mit der Unbescholtenheit der Angeklagten. Die vier Polizisten dürften sich in den nächsten drei Jahren nichts derartiges mehr zu Schulden kommen lassen.

Dann beendete der Richter mit einer Frage an die Angeklagten den Prozess: "Hab ich mich halbwegs deutlich und verständlich ausgedrückt?" Die Antwort war eindeutig: Nach einem zögerlichen Nicken atmeten die Angeklagten auf. Freude stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Und nicht nur ihre Gesichter waren von Erleichterung und Freude gezeichnet: Auch die zahlreichen anwesenden Kollegen freuen sich über das gesprochene Urteil, denn sie alle hatten eben einen Freibrief erhalten. Einmal mehr kamen sie ohne Konsequenzen für ihr menschenunwürdiges Verhalten davon.


Ein "Geständnis unter Anführungszeichen"


Drei der vier wegen "Quälen eines Gefangenen" Angeklagten hatten am ersten Tag für eine "Überraschung" vor Gericht gesorgt, indem sie gestanden, dass sie nach einer missglückten Abschiebung den ihrem Gewahrsam befindlichen Bakary J. nicht zurück ins Polizeigefängnis (PAZ) fuhren, in dem die Schubhaft vollzogen wird, sondern in eine Lagerhalle, in der sie den Gefangenen misshandelten. Damit sagten sie nicht nur klar und deutlich: Ja, wir misshandelten ihn, weil er erfolgreich eine Deportation verhindern konnte, sondern legten auch den Grundstein für ein mildes Urteil.

Einzelrichter Thomas Schrammel am Landesgericht zeigte sofort Verständnis für die Beamten, indem er sie fragte: "Na, wolltat's a bissl den Frust rauslassen?" Auf diese aufgelegte Frage musste der Erstangeklagte und Einsatzleiter nur mit "Ja" antworten. Sein Kollege fügt etwas später hinzu: "Uns sind die Nerven durchgegangen." Obwohl ihnen die Nerven durchgegangen waren, hatten sie aber genügend Geduld, mit dem Gefangenen eine Weile durch die Stadt zu fahren, anstatt ihn wie vorgesehen in PAZ zu bringen. Während dieser Zeit telefonierten sie mit einem vierten Beamten. Dieser eilte sofort zu einer Übungshalle der WEGA und öffnete den ankommenden Beamten das Tor, die auf ihre letztlich verhinderte Reise nach Afrika wohl nicht den notwendigen Schlüssel mitnahmen. Waren sie darüber verärgert, dass aus ihrem "Ausflug" nichts wurde? Jedenfalls hatten sie alle Ruhe der Welt, den ihrer "Sicherheit" Anvertrauten an den Ort des Geschehens zu bringen. Dort angekommen wurde das Tor geschlossen, ein anwesender Obdachloser soll vom "vierten Mann" aus der Halle gebracht worden sein. Dann begann :: die Folter.


Der Blick des Folterers


Bakary J. wurde vom Einsatzleiter selbst mitgeteilt, dass nun sei sein Ende gekommen sei. Die Beamten fragten: "Kennst du Hitler?" Bakary J. gab an, dass er antwortete von ihm gehört zu haben und dass dieser sechs Millionen Juden getötet habe. Der Beamten hätte ihm daraufhin gesagt, er sei die Nummer "sechs Millionen plus eins. Ich hasse euch Schwarze und Juden."

Als Bakary J. dies vor Gericht erzählt, meldet sich der ansonsten gelassen wirkende erstangeklagte Polizist ungefragt zu Wort. Schon allein dieses - vom Richter nicht kritisierte Verhalten - kann als weitere Drohung gewertet werden. Was sonst soll unter der Aufforderung verstanden werden: "Kann er das wiederholen, wenn er mir dabei auch in die Augen schaut?" Diese Worte kamen aus dem Mund eines Polizisten, der einem Gefangenen damit drohte, ihn umzubringen! Vor Gericht streitet er dies sehr wohl ab: "Ich habe so was niemals gesagt." Der Blick des Beamten ist dabei alles andere als freundlich. Es ist ein kalter Blick, eben jener eines Folterers.

Schon allein Szenen wie diese weisen darauf hin, dass es sich hier nicht wie vom Richter in seinem Urteilsspruch behauptet um einen "Ausrutscher" handelte. Es war eine vorsätzliche Tat. Eine vorsätzliche Tat, deren Motiv mit den von der Verteidigung offen geäußerten rassistischen Ausführungen erklärt werden kann. Für die Anwälte der Angeklagten ging es nicht um die Verhandlung eines schweren Vorwurfes der Folter. Ein Vorwurf, der nicht abgestritten werden konnte. Alle Indizien, alle Beweise, alle Gutachten sprechen eine klare Sprache: Hier wurde ein Mensch misshandelt, gefoltert. Sonderbar, dass trotz dieser Tatsachen und eines "Schuldbekenntnisses" die Täter zu Opfern erklärt werden, während das Opfer zum gefährlichen Gewaltverbrecher stilisiert wird. Ein Schema, dass nicht fremd ist in Österreich. Ein Schema, das klar zusammen hängt mit einer rassistischen Politik und Praxis der Internierung und Deportation. Dabei werden Menschen zu Fremden erklärt und ausgegrenzt, ihnen werden jegliche Rechte abgesprochen - außer "ins Flugzeug zu steigen und in dei Heimat zu fliegen", wie ein Verteidiger ausführte. Ohne Wort der Widerrede von Seiten des Richters.


Was schließen wir daraus?


Rassistische Argumente können problemlos vor österreichischen Gerichten geäußert werden. Menschen können diffamiert werden. Die Tatsachen verdreht. Der rassistische Konsens der Bevölkerung dient zur Legitimation von Gewalt. Es gäbe keinen Zweifel daran, dass die allergrößten Teile der Bevölkerung - mit Ausnahme einiger Unverbesserlicher - sich darüber einig seien, dass Straftäter und Drogenhändler in ihre Heimat zurückgebracht werden sollen. Und irgendwer müsse dies halt tun. Doch es wurde noch tiefer in der Kiste rassistischer Mythen gekramt. So war plötzlich von Straftätern die Rede, die hierher kommen um mit Drogen zu dealen. Und die Frage gestellt: "Diese seien plötzlich nicht mehr gefährlich?" Allen Anwesenden war klar, dass diese Argumente mit dem vorliegenden Fall absolut nichts zu tun haben. Sie konnten sich davon überzeugen, dass hier ein Mensch als Zeuge auftrat, der über schwere Misshandlungen berichten musste. Misshandlungen, die er selbst ertragen hatte. Von jenen Männern, die nun unmittelbar vor ihm saßen. Einer von ihnen starrte ihn dabei die ganze Zeit über mit einem angsteinflößenden und verächtlichen Blick an.

Diese Bild erzeugte zeitweise den Anschein, dass das Opfer als Angeklagter vor Gericht sitzt. Bakary J. wurde er mit einer bereits abgesessenen Strafe konfrontiert. Während seine Peiniger keinen Hehl daraus machten, dass ihnen wieder mal "ein Ausrutscher" passiert, ihnen "die Nerven durchgehen" oder "der Kragen geplatzt" sei. Dass diese "Ausrutscher" auf der Tagesordnung stehen, wurde nicht erwähnt.


Ein Freispruch für rassistische Gewalt


Stattdessen, so einer der beiden Verteidiger, würde alles dramatisiert. Schwere Körperverletzungen hin oder her, allen sei klar wie Abschiebungen durchgeführt werden. Auch vor dem Tod von :: Marcus Omofuma sei klar gewesen, dass Klebebänder bei Abschiebungen verwendet werden. Das Problem der Beamten liege weiterhin in einer schlechten Ausrüstung und mangelnder Ausbildung. Es gäbe eine Vielzahl von "Vorfällen, denen die Beamten ausgesetzt sind". Aufgezählt wurde, mit welchen Mitteln sich Menschen gegen ihre Abschiebung zur Wehr setzen. Und klar gestellt: Sie hätten kein Recht dazu. Wenn sie dies nicht akzeptieren, dann müsse halt zu entsprechenden Maßnahmen gegriffen werden. Dass die Opfer das Geschehene im Nachhinein dramatisieren würden, liege einfach daran, dass sie hier bleiben wollen. Der Anwalt weiter: "Je schlimmer die Misshandlungen, desto besser." Fragt sich nur für wen?

Zum Prozess waren nicht nur die angeklagten Beamten gekommen. Eine ganze Schar ihrer Kollegen (und Kolleginnen?) war dabei. Sie waren alle immer dann sichtlich unruhig, wenn klar war: Was nun gesagt wird, ist schwer belastend. Soviel Rechtsverständnis muss ihnen auch zugemutet werden, wo es doch ihr Job als Exekutive ist, für die Umsetzung der Gesetze zu sorgen. Sie sind demnach die ausführende bzw. vollziehende Gewalt. Wenn nun vor Gericht argumentiert wird, dass sie mit Menschen zu tun haben, die über keinerlei Rechte verfügen, dann ist dies ein Ausdruck einer rassistischen Gesellschaftsordnung, die Menschen einteilt in jene, die über Privilegien verfügen und jene, die dazu zu sorgen haben, dass diese Privilegien aufrecht erhalten werden. Dies sind einerseits die Entrechtenden, andererseits wurden in diesem Fall auch jene dazu erklärt, die dafür sorgen, dass Menschen die nicht "gebraucht" oder gewollt werden, auch wieder das Land verlassen. Als handle es sich hier um Probleme zwischen jenen Menschen die abgeschoben werden und jene, die die Abschiebungen durchführen.


Nein zu Charterdeportationen!


Somit verwundert es nicht, dass es in den Schlussplädoyers der Verteidiger vor allem um die Legitimation von Abschiebungen ging. Und mehrmals die Forderung nach mehr Mitteln laut wurden. Vor allem die vermehrte Durchführung von :: Charterdeportationen dürfte ihnen ein Anliegen sein. Was das alles mit dem Verhalten der Angeklagten zu tun hat? Eine berechtigte Frage: Die Praxis von Charterdeportationen zeigt, dass diese mit noch massiverer Gewalt durchgeführt werden, unter Ausschluss der Öffentlichkeit und fast ohne Möglichkeit für die Gefangenen, sich dagegen zu wehren. Sie sind an Händen und Füßen gefesselt der Willkür der Beamten ausgeliefert und werden notfalls unter zwangsweiser Verabreichung von Medikamenten "ruhig gestellt", wie eine :: Sammeldeportation im April 2006 von Hamburg nach Benin veranschaulicht.

Die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen aus Hamburg bezeichnete Chaterdeportationen sogar als :: faschistoide Praxis, denn: Rassimus fällt nicht vom Himmel, er wird in den Behörden und den politischen Führungskreisen produziert und dann beispielsweise per Charter in die Luft gehoben. Er fällt zurück auf die Gesellschaft und vergiftet dieses Land. Der staatliche Rassismus ist der Wegbereiter und der Katalysator der Gewalt der Nazis auf der Straße, dem bürgerlich nationalistischen bis faschistoiden Gedankengut und der stumpfen Gleichgültigkeit der gesellschaftlichen Mehrheit über die Missachtung des Lebens Anderer.

Um so mehr verwundert es, dass MenschenrechtsverteidigerInnen als Reaktion auf den Prozess ein Ende der Abschiebungen mit Linienflügen fordern. So schlägt Heinz Patzelt, Generalsekretär von amnesty international in Österreich vor Abschiebungen per Flugzeug in Zukunft nur mehr mit gecharterten Maschinen durchzuführen. Grund dafür dürfte das Vertrauen in eine humanere Durchführung von Charterdeportationen und die Beobachtung durch begleitende MenschenrechtsbeobachterInnen sein. Doch wer ist für diese Beobachtung der Menschenrechte zuständig, wen kann mensch in dieser Hinsicht vertrauen?


Schubhaft abschaffen!


Für das Gericht scheint es außer Frage zu stehen, dass jede Person, die sich als MenschenrechtsbeobachterIn bezeichnet, auf der Seite jener Menschen stehen, deren Rechte verletzt werden. So argumentierte der Richter während der Verhandlung bezüglich eines Mitarbeiters des Vereins Menschenrechte Österreich, der auch Bakary J. in der Schubhaft besuchte: "Da kann man doch davon ausgehen, dass er auf der Seite des Abzuschiebenden ist." Für Bakary J. ist dies jedoch nicht so klar. Er fragte, warum der Schubhaftbetreuer, der üblicherweise Leute darüber informierte, dass ihre Abschiebung unmittelbar bevor steht, dies in seinem Fall nicht machte?

Dazu soll hier nur soviel gesagt werden: Der Verein Menschenrechte Österreich betreut mittlerweile mehr als die Hälfte aller Schubhäftlinge in Österreich. Das Geld für die Tätigkeit kommt vom Innenministerium, das auch Dienstgeber der Polizei ist. In den Verträgen zwischen den Betreuungseinrichtungen und dem Ministerium werden die :: Aufgaben der SchubhaftbetreuerInnen klar festgelegt. Ausgeschlossen wird jegliche rechtliche Beratung. Dem Innenministerium geht es vor allem um die Beruhigung der Häftlinge, das Vermeiden von Zwischenfällen und eine reibungslose Durchführung von Schubhaft und Abschiebungen. Vor allem die Verhinderung von Hungerstreiks war einer der Gründe, die das Ministerium dazu veranlassten, eine Betreuung in Schubhaft zu installieren. Da dies nicht den entsprechenden Erfolg brachte, wurde mit 1. Jänner 2006 die Möglichkeit von :: Zwangsernährung von Hungerstreikenden in Schubhaft eingeführt.

Verfügten anfangs noch einige kritische NGO's über Verträge zur Schubhaftbetreuung mit dem Innenministerium, wird diese Aufgabe mittlerweile mehr und mehr von regierungsnahen Organisationen ausgeführt. Der Verein Menschenrechte Österreich wurde extra deshalb gegründet und betreut seit 3. März 2003 Schubhäftlinge Polizeianhaltezentren (PAZ) Rossauer Lände und Hernalser Gürtel in Wien. Zuletzt übernahm der Verein, der in der Gunst des Innenministerium steht, die :: Schubhaftbetreuung in Tirol.

Es scheint also mehr als fragwürdig, wenn ein Richter davon ausgeht, dass ein Schubhaftbetreuer vom Verein Menschenrechte per se auf der Seite von Schubhäftlingen steht. Ein weiteres Indiz für eine Voreingenommenheit war der Hinweis, dass es sich bei dem Betreuer um einen Afrikaner handle. Als würde dies automatisch ein Beweis dafür sein, dass dieser nicht mit dem Innenministerium kooperiert. Dass dieses Bild das rassistische Denken bestimmt, zeigt sich einmal mehr in der rassistischen Argumentation der Verteidiger der Angeklagten vor Gericht.


Abschiebungen verhindern!


Der Anwalt des "Beitragstäters" fragte in seinem Schlussplädoyer: "Sollen gar keine Abschiebungen mehr stattfinden? Dann soll man sich dazu bekennen!" Doch dazu ringe man sich nicht durch, statt dessen würde eine "humane Abschiebepolitik" betrieben. Es würden schon ein paar Sätze eines Abzuschiebenden genügen, um eine Abschiebung per Linienflugzeug zu verhindern. Dass es diese überhaupt noch gäbe liege an den niedrigeren Kosten gegenüber Charterdeportationen. Und daran, dass sich die Behörden "nach außen hin ein Mäntelchen der Humanität" umhängen würden.

Weiters bittet er nicht darauf zu vergessen, dass es sich hier nicht um einen unschuldigen Asylwerber handle, "sondern um einen, der durch sein eigenes Tun auf das Recht auf Aufenthalt verzichtet" bzw. "selbst verwirkt" habe. Hätte er nicht ...., dann hätte er hier bei seiner Frau bleiben können. Der Anwalt malt das Bild eines gewalttätigen Menschen und greift dabei auf zahlreiche stereotype Bilder zurück. Es sind Bilder von "gefährlichen Afrikanern", die außer Landes geschafft werden müssten. Und die WEGA, eine Einheit die immer dann zum Einsatz komme, wenn körperliche Gewalt eingesetzt werden müsse, wie auf Demonstrationen, wird für ihn zum Opfer. Denn die PolitikerInnen hätten "Abschiebungen auf die WEGA abgeschoben". Diese hätte keine entsprechende Ausbildung und müsse "mit Menschen etwas machen, was diese nicht wollen." Darüber hinaus handle es sich um Menschen "mit verschiedenen Nationalitäten, mit verschiedenen Mentalitäten, denen immer alles entsprechend erklärt werden soll." Hier wird eindeutig eine rassistische Unterscheidung vorgenommen. Die Beamten seien aufgrund der kulturellen Unterschiede nicht in der Lage, entsprechend auf die Abzuschiebenden einzuwirken. Damit spielt der Verteidiger auf die Aussage des erstangeklagten Abschiebekommandanten an, der vor Gericht aussagte "dass es uns nicht möglich war, einen Zugang zu ihm (Bakary J., Anm.) zu finden. (...) An sich war die ganze Amtshandlung auf einer deeskalierenden Schiene aufgebaut".


Ein Recht zu leben?


Um die Glaubwürdigkeit der Angeklagten zu stärken versuchten die Verteidiger mit allen Mitteln die Glaubwürdigkeit des Opfers in Frage zu stellen. Der kleinste Widerspruch in den Aussagen wurde gesucht. Gefunden wurde jedoch so gut wie nichts. Selbst der Richter konnte dazu in seiner Urteilsbegründung nur sagen: Ob das Tor der Lagerhalle bei der Ankunft nun offen war oder nicht, sei eine Nebensache.

Viel aussagekräftiger erscheint, wie die Angeklagten zur Argumentation ihrer Verteidiger standen. Auf die Frage, ob sie sich der Ausführungen der Verteidiger anschließen, antworten alle mit ja. Für den Richter war dies ohne Bedeutung. Würde er die rassistischen Ausführungen der beiden Strafverteidiger in Frage stellen, dann müsste er dies in seinem Urteil miteinbeziehen. Dann hätte er die Beamten wegen einer vorsätzlichen Tat verurteilen müssen und könnte nicht von einem "Ausrutscher" reden. Denn die Argumentation der Verteidiger entspringt einem Weltbild, das geprägt ist von Verachtung jener Menschen, denen zuvor jegliche Rechte abgesprochen wurden. Der Wert des Lebens und die Gesundheit von Gefangenen spielen in dieser Logik kaum eine Rolle. Der Prozess und das Urteil zeigen auf, dass es nicht der Vorwurf des "Quälen eines Gefangenen" bzw. der Folter verhandelt wurden, sondern dass es einzig und allein um die Legitimation von Gewalt ging, und um eine Politik, in der Menschenleben keinen Wert mehr haben.


Das Mäntelchen der Humanität


Und hier stellen sich ein paar grundsätzliche Fragen: Hat ein Mensch das Recht, eine Abschiebung zu verhindern? Hat ein Mensch das Recht, gemeinsam mit seiner Familie zu leben? Darf Menschen das Recht auf ihr Leben abgesprochen werden?

Die Antwort, die sich aus der Beobachtung des Prozesses ergibt ist mehr als bedenklich: Wieder ein mal hat ein Gericht den Widerstand gegen Abschiebung in Frage gestellt. Die Rechte eines Menschen, der die Haft für einen verurteilte Straftat bereits abgesessen hat, wurden nicht nur ignoriert. Ein Aufenthaltsverbot wurde als das Maß aller Dinge gesehen. Was spielt es schon für eine Rolle, dass Bakary J. in Wien lebt, hier verheiratet ist und über einen :: Aufenthaltstitel bis zum 13. Februar 2006 verfügt?

Die Abschiebepolizisten nutzten den Prozess zur Forderung nach der Anwendung von noch mehr Gewalt. Sie wollen wohl in Zukunft den Freibrief für ein noch brutaleres Vorgehen. Und der Richter drückte sich für die Beamten klar und verständlich aus: Er erklärte mit seinem Schuldspruch die Anwendung von Gewalt für legitim, solange der Schein der Rechtsstaatlichkeit gewahrt bleibt. Doch dieser Schein ist schon lange nur noch "ein Mäntelchen der Humanität", wie es sogar einer der Verteidiger in seinem Schlussplädoyer nannte. Ein Mäntelchen, dessen Nähte mehr und mehr platzen und so Menschenverachtung und Brutalität zum Vorschein bringen.




Anmerkung: Vor Gericht und in den Aussagen wurde keine geschlechtssensible Sprache verwendet. Um dem rassistisch-sexistischen Weltbild der Angeklagten, ihrer Verteidiger und des Vorsitzenden des Gerichts zu entsprechen, wurde in diesem Beitrag ausnahmsweise auf eine geschlechtssensible Sprache verzichtet. Was jedoch nicht bedeutet, dass die Beamten mit Frauen und Kindern einen "menschlicheren" Umgang haben.