Mit dem Vorwurf einer „erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ werden armutsbetroffene Menschen abgeschoben und mit Aufenthaltsverboten belegt. Die Bettellobby Tirol spricht von einer menschenverachtenden, unverhältnismäßigen Vorgehensweise, einem erschreckenden Tiefpunkt im Umgang mit bettelnden Menschen und einer Gefahr für die Demokratie.
Weil sie arm sind
Vermehrt wird nun versucht, fremdenrechtlich gegen bettelnde Menschen vorzugehen. Armutsbetroffenen EU-Bürger*innen drohen Abschiebungen und Aufenthaltsverbote aufgrund von Mittellosigkeit und Verwaltungsstrafen, weil sie in der Innsbrucker Innenstadt um einen Notgroschen betteln.
Grundrechte werden erheblich eingeschränkt
Im Jahr 2012 kam der österreichische Verfassungsgerichtshof zur Erkenntnis, dass Betteln unter das Recht auf freie Meinungsäußerung fällt – ein zentrales Grundrecht in jeder Demokratie. Betteln muss damit in Österreich grundsätzlich erlaubt sein. Betroffenen ist es jedoch praktisch unmöglich, von diesem durch die Verfassung garantierten Recht Gebrauch zu machen und nicht bestraft zu werden.
Die aktuellen Verbotsbestimmungen werden sehr streng ausgelegt. So werden Menschen schon wegen aufdringlichem & aggressivem Betteln bestraft, wenn sie Passant*innen ansprechen. Aufgrund des Verbots des gewerbsmäßigen Bettelns bekommt eine Strafe, wer aus dem Ausland kommt und bereits schon einmal beim Betteln angetroffen wurde.
Vorgehensweise unverhältnismäßig
Diese Verwaltungsstrafen werden herangezogen, um armutsbetroffene EU-Bürger*innen als eine „erhebliche Gefahr für die Sicherheit und öffentliche Ordnung“ darzustellen und außer Landes zu schaffen. Laut Europäischem Gerichtshof muss dafür jedoch eine „tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung“ vorliegen, die „ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“.
Das heißt Ausweisung und Aufenthaltsverbot und somit die Einschränkung der Freizügigkeit für EU-Bürger*innen sind nicht ohne weiteres rechtlich möglich. Bettelnde Bürger*innen der Europäischen Union aufgrund von Verwaltungsstrafen und Mittellosigkeit mit Aufenthaltsverboten zu belangen, ist daher unverhältnismäßig.
Besorgniserregende Entwicklungen
Dass diese Vorgehensweise und somit die Vertreibung von armutsbetroffenen Menschen der Europäischen Union im 21. Jahrhundert von Vertreter*innen der Polizei, Politik, Behörden und Medien als Erfolg verbucht wird (siehe http://www.tt.com/suche/index.csp?CSPCHD=0000010100004aqmkcrF000000nfR0l%24nqjhmvrF7yygrBNw–&s=bettel), ist ein besorgniserregender und beschämender Schritt zurück in die Vergangenheit.
Im Namen von öffentlicher Sicherheit und Ordnung werden armutsbetroffene Menschen zu einem Störfaktor und Missstand erklärt, den es aus dem öffentlichen Raum und dem Stadtbild zu Gunsten von Profit und wirtschaftlichen Interessen zu entfernen gilt. Bettelnden Menschen werden bestimmte Verhaltensweisen zugeschrieben – sie seien aggressiv, arbeitsunwillig oder organisiert – um Maßnahmen zur Vertreibung zu rechtfertigen. Dieser Umgang mit Menschen, die arm sind, ist kein Erfolg, sondern eine Gefahr für eine Demokratie.
Solidarität statt Ausgrenzung
Besonders unter diesen schwierigen Voraussetzungen versuchen sich Menschen, die betteln, gemeinsam zu organisieren, um sich sicherer zu fühlen und ihren Alltag zu erleichtern. Wenn eine Person ins Gefängnis kommt, weil sie wegen Betteln bestraft wurde, helfen Freund*innen und Verwandte wenn möglich aus. Organisation ist Solidarität. Solidarität ist Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung.
Die Bettellobby fordert einen solidarischen, menschenwürdigen und an den Grundrechten orientierten Umgang mit bettelnden und notreisenden Menschen sowie Angebote statt Verbote.
Es gilt die Armut zu bekämpfen und nicht von Armut betroffene Menschen.
Artikel der :: Bettellobby Tirol, zuerst veröffentlicht am 09. Juli 2018 auf :: bettellobby.at