no-racism.net logo
 
 

[ 09. Jul 2009 ]

München am Kreuzungspunkt von Migration

Crossing Munich

Die Ausstellung Crossing Munich will die Geschichte und Gegenwart der Migration neu erzählen. Eröffnung ist am 9. Juli 2009 in der Rathausgalerie, Marienplatz 8 in München.

 

Ausgangspunkt der Auseinandersetzung war ein Forschungsprojekt an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Unterstützung bei der Umsetzung bekamen die "Nachwuchsforscher_innen", wie sie in offiziellen Aussendungen benannt werden, von Künstler_innen. Gemeinsam wurden 14 Installationen erarbeitet, die unterschiedliche Aspekte von Migration aufgreifen und kritisch bearbeiten. Dabei wurde versucht, den Blick weg von den im politischen und kulturellen Diskurs klassisschen Themenfeldern Ethnizität oder Integration zu führen und die Politik und die zahlreichen damit verwobenen Institutionen auf die entsprechenden Positionen zu verweisen: als das eigentliche Problem im Migrationsdiskurs.

Den Beginn der historischen Forschung bildet das erste Anwerbeabkommen für "Gastarbeiter_innen" im Jahr 1955 mit Italien. Hintergrund ist ein Antrag der Grünen im Stadtrat, die zum 850 Jahr Jubiläum Münchens forderten, dem Thema Migration zum 50jährigen Jubiläums der staatlichen Anwerbung von Arbeitskräften zu thematisieren. In der Folge entstand das Projekt in Kooperation des Kulturreferats der Landeshauptstadt München mit einigen Instituten der LMU. Die Ausstellungsmacher_innen nutzten die Gelgenheit und genossen zur Umsetzung ihrer Arbeiten die für einen kritischen Diskurs erforderliche Freiheit.

Die einzelnen Stationen der Ausstellung beschäftigen sich mit Stadtbildern und Stadt(t)räumen, urbanen Politiken, transnationalen Ökonomien und Kultruproduktionen. Diese Überkategorien, denen die einzelnen Arbeiten zugeordnet wurden, sind zugegebenenmaßen keine vielsagenden Schlagworte, doch was verbirgt sich dahinter?

Wohl kaum eine_r käme auf die Idee, die SPD-regierte konservative Metropole im CSU Land Bayern als drittgrößte Einwanderungsstadt Deutschlands zu sehen. Zu sehr ist die Gesellschaft geprägt von einer rechts-konservativen Politik, die sich immer wieder durch restriktive Maßnahmen auszeichnet(e). Verwiesen sei hier auf die im Ausstellungskatalog beschriebenen Asylcontainer auf der Theresienwiese, eher bekannt von volltrunkenen volkstümelnden Massen am Oktoberfest, die die "deutsche Kultur" huldigen. Dies verweist auf die unterschiedliche Bedeutung von Orten. So rücken die "Münchner Wege" "die Praktiken und Diskurse der Stadtplanung in den Mittelpunkt der historischen Analyse".

Den Blick auf die "Favoriten" der "Stadtfremden" wirft eine Station mit Audiobeiträgen: Die Haltestellen thematisieren Orte der Stadt, die von Migrant_innen besetzt und gestaltet wurden und zu nachhaltigen Veränderungen führten und im Rahmen eines "Spazierganges durch München" zu Schauplätzen werden - "unter dem Aspekt des fremden Blicks".

Der Blick ist auch wichtig für das "Bilderrauschen" im öffentlich rechtlichen Fernsehen des Bayerischen Rundfunks. Die Videoarbeit gibt Einblick in Bildproduktionen aus den vergangenen 50 Jahren.

Einen Blick in Stadtteile mit wohnräumlicher Konzentration von Migrant_innen wirft die Auseinandersetzung mit dem Münchner "Westend". Sichtbar wird hier, dass die Organisierung von Migrant_innen und deren sozialen wie politischen Kämpfe eine ebenso lange Geschichte haben, wie die Migration selbst. Ein Straßenstand, wie er von Akteur_innen bei Stadtteilfesten oder zur politischen Information verwendet wurde, lädt zur Auseinandersetzung mit rassistischen Diskursen und der Realität: dem gelebten Alltag in Form von kleinen Karnevalen und Happenings als inszenierte Demonstration.

Als weiterer Ort wird der Münchner Hauptbahnhof als "zentraler urbaner Kontenpunkt" ins Bild gerückt. Auf sprachlicher Ebene muss an der "Munich Central Station" Kritik geübt werden: Die aufgeladene Bedeutung rassistischer Sprache dringt hier naturgewaltig in Ausstellung und berichtet von "Moblitätsströmen", die das Bild von Bahnhöfen präg(t)en. Damit in Verbindung steht die Aneignung von Raum. Anfangs auf den zur Wartehalle umfunktionierten Luftschutzbunker im Keller begrenzt, wurde nach wenigen Jahren das Erdgeschoss zum zentralen Treffpunkt umfunktioniert.

Die männliche Sprache in Teilen des Ausstellungskataloges verstärkt das Bild der männlichen Migration. Nur wenige Arbeiten reflektieren die Ebene der Geschlechterzuschreibung, die massiven Einfluss auf die Wahrnehmung von Migrant_innen und die Herausbildung wie Verfestigung stereotyper Zuschreibungen haben.

Eine Arbeit, die dies verdeutlicht, ist die Tischinstallation "Menschen[ver]handel[t]". Der Diskurs über Menschenhandel wird zunehmend mit Frauenhandel gleichgesetzt und richtet sich in der Folge vor allem gegen migrierende Frauen. Über den Sperrbezirken Münchens, in denen Sexarbeit verboten wird, schweben transnationale und zwischenstaatliche Institutionen, die mehr und mehr an Bedeutung gewinnen und die Akteur_innen selbst als Subjekte im Verborgenen bleiben. In Menschenhandelsdiskursen werden sie auf die Ebene der Zwangsprostitution reduziert und die selbstbestimmte Migration in die Sexarbeit mit dem moralisischen Zeigefinger als unvorstellbar festgeschrieben. Das Berufsfeld der Sexarbeit in Deutschland ist trotz formalrechtlicher Anerkennung als Erwerbsarbeit - im Gegensatz zu anderen EU-Ländern - nach wie vor bestimmt ist von Diskriminierung und Ausgrenzung. Dies verweist einmal mehr auf die Notwendigkeit eines kritischen Diskurses über Migration - "eines der großen und aktuell viel diskutierten Themen".


Dieser Bericht behandelt nur einen Teil der Ausstellung. Alle Zitate sind aus dem Katalog bzw. der Webseite zur Ausstellung. Die besprochenen Stationen wurden nicht bewusst gewählt. Interessierten empfehlen wir den Besuch von "Crossing Munich - Orte, Bilder und Debatten der Migration" oder der Webseite :: crossingmunich.org. Dort finden sich auch die Termine des begleitenden Veranstaltungsprogrammes.

Öffnungszeiten:
Ausstellung von 10. Juli bis 15. September 2009
Dienstag bis Sonntag: 11:00 - 19:00 Uhr
Rathausgalerie, Marienplatz 8, 80331 München
Eintritt frei