Am 30. Juni 2009 fand vom Wiener Flughafen aus ein Charterflug in den Kosovo statt - eine Abschiebung. Anlass zu Kritik und Protesten von Freund_innen und Bekannten.
Erst Schubhaft, dann Abschiebung
Am 29. Juni war laut Ansicht der Behörden für Familie Hoxha aus Ratten (Mutter und drei Kinder) in der Steiermark so weit: Polizeibeamte suchten sie auf und nahmen sie fest. Einer der Jugendlichen wurde von der Polizei direkt aus der Schule abgeholt und wie seine Angehörigen in die Schubhaft nach Wien gebracht. Am 30. Juni wurden sie gemeinsam mit weiteren Personen via Charterflug abgeschoben wurden.
Ebenfalls mit diesem Abschiebeflieger in den Kosovo abgeschoben wurde Familie Perkolaj (Mutter, Vater und zwei Kinder) aus Semriach in der Steiermark. Ihr Asylantrag wurde vor kurzem endgültig abgelehnt.
Bei beiden Familien war das Verfahren zum Erhalt eines humanitären Aufenthaltes noch nicht abgeschlossen. Doch laut Gesetz bietet ein derartiger Antrag keinen Schutz vor Schubhaft und Abschiebung.
Routineeinsatz
Die Praxis, Menschen so schnell wie möglich, ohne dass sie sich verabschieden oder ihr Hab und Gut mitzunehmen außer Landes zu schaffen, ist europaweit mittlerweile Praxis. Die Behörden lassen sich dies einiges kosten, doch finanziert die EU die Massenabschiebungen mit Charterflugzeugen mit enormen Beträgen.
Wie oft für Abschiebungen gecharterte Maschinen vom Flughafen Schwechat abheben, kann ich nicht sagen, es gibt jedoch Gerüchte, dass mindestens einmal pro Woche eine derartige Abschiebungen vor allem in die Länder am Balkan bzw. in den Osten Europas stattfindet. Dazu kommen gemeinsame Abschiebungen mehrere EU-Staaten, die mit Unterstützung der Grenzschutzagentur Frontex regelmäßig stattfinden und die Abzuschiebende an mehreren Flughäfen aufsammeln, manchmal werden diese zum dem Flughafen gebracht, von dem aus die Abschiebung stattfindet.
Nur in wenigen Fällen erhalten die Abgeschobenen Unterstützung aus der sog. Mehrheitsbevölkerung - und noch seltener wird die Abschiebepraxis der EU-Staaten grundsätzlich in den Medien kritisiert. Doch ab und zu werden Fälle thematisiert, um einzelne "Schicksale" sichtbar zu machen. Einer dieser Fälle betrifft die Famile H. Vie Jahre lebte die verwitwete Frau mit ihren drei Kindern (8, 16 und 18 Jahre) in Ratten im Bezirk Weiz. In einem :: Brief erzählen die Abgeschobenen die Geschichte ihrer Abschiebung.
Protest!
Im Gegensatz zu vielen anderen hatte diese Familie viele Freund_innen und Unterstützer_innen. Im Fernsehen und Zeitungen wurde über ihren Fall berichtet. Die Abschiebung konnte zwar nicht verhindert werden, jedoch gab es in der Folge zahlreiche Proteste.
Die Mutter eines Mitschülers der abgeschobenen Jugendlichen schreibt in einem Brief, der von den :: Weizer Grünen veröffentlicht wurde:
Seit Montag, den 29.06. 2009 ist jedoch alles anders. Im April wurde der Asylantrag der Familie Hoxha negativ beschieden. Es erfolgte der Antrag auf Humanitäres Bleiberecht. Der Vizebürgermeister von Ratten hätte die Patenschaft für die beiden Buben, die Familie Posch jene für Mutter und Tochter übernommen.
Auf die Schreiben an die BH Weiz erfolgte bis dato keine Reaktion. Dieser Antrag hat natürlich keine rechtsaufschiebende Wirkung auf die Abschiebung. Juristisch gesehen verlief diese also korrekt. Aber humanitär.....?
Dabei gab es noch vor einer Woche die Auskunft, dass der Kosovo keine Lebensgrundlage bieten könne und sie zu 80 % hier bleiben könnten. Dann diese Schnellaktion - Abholen - Schubhaft - Flieger - Kosovo, all dies innerhalb von 24 Stunden. Handys wurden abgenommen, keinerlei Telefonkontakt war erlaubt.
Im Kosovo haben sie keine gemeinsame Unterkunft (die Familie wurde gesplittet, kein Geld, keine Nahrung, keine Arbeit, keine Kleidung (sie durften so gut wie nichts mitnehmen).
Lehrer_innen und Schüler_innen der HWL Krieglach protestieren gegen die Abschiebung ihrer Mitschüler, deren Schwester und Mutter. Die Klassenvorständin wird in den Medien zitiert: "Die SchülerInnen meiner Klasse versuchen wirklich alles zu tun um der Familie zu helfen. Die Klassenfahrt wurde abgesagt und das Geld gespendet, außerdem wurde eine Unterschriftenaktion gestartet."
Die Unterschriftenaktion wurde bereits vor der Abschiebung gestartet, Der Text lautet kurz und bündig:
Wir bitten Sie um Hilfe für Familie Hoxha, damit sie in Österreich bleiben kann. Frau Hoxha ist Witwe und hat 3 Kinder, sie stammen aus dem Kosovo. Seit über 3 Jahren lebten sie bei uns gut integriert. Jetzt wurden sie abgeschoben. Die Lage im Kosvo ist äüßert unsicher, die Arbeitslosigkeit ist extrem hoch. Die Kinder haben keine Chance, dort einen Beruf zu erlernen. Frau Hoxha hätte bereits eine offizielle Arbeit bei uns bekommen, und auch ihre Söhne hätten eine Lehre beginnen können. Nun stehen sie vor dem Nichts!
Mittlerweile unterstützen auch Die Grünen Steiermark die Unterschriftenaktion und haben auf ihrer Homepage eine :: Protestseite eingerichtet. Die Unterschriftenliste (:: hier als pdf) kann per Fax gesendet werden an:
Die Grünen Steiermark, 0316/81 05 94
oder per Post an:
Die Grünen Steiermark, Jungferngasse 3/1, 8010 Graz
Kein Einzelfall
Dass es sich bei dieser Abschiebung um keinen Einzefall handelt, liegt auf der Hand. Eines der Probleme vor allem für abgeschobene Asylwerber_innen ist nach derzeitiger Gesetzeslage, dass ein Antrag auf humanitären Aufenthalt nicht vor Abschiebung schützt. Wichtig erscheint der Hinweis, dass sobald die Antragsteller_innen im Ausland sind, das laufende Verfahren eingestellt werden kann - und wohl in der Regel eingestellt wird.
An eine Verbesserung der gesetzlichen Lage ist jedoch nicht in Sicht, da bereits eine neue :: Gesetzesnovelle in Planung ist, die u.a. häufigere Anwendung von Schubhaft und schnellere Abschiebungen vorsieht. Die Kritik an der sogenannten Bleiberechtsregelung, die in Folge von Protesten in den vergangen Jahren erlassen wurde, ist angesichts der restriktiven Auslegung nicht mehr zu überhören. Selbst die Caritas findet dazu kritische Worte. Zwar wird von Caraitas-Präsidenten Küberl weiterhin "Fairness" gefordert, doch erkennt auch er, was für das Innenministerium eine "Beschläunigung von Asylverfahren" bedeutet.
Derezeit würden Abschiebungen in größerem Ausmaß stattfinden, und zwar als "eine Folge rascherer Asylverfahren. Wobei immer entscheidend ist, ob die Qualität der Verfahren dem Tempo entspricht. In Österreich wird immer wieder übersehen, dass die Bleiberechtsfragen, wenn Leute schon jahrelang hier sind, eigentlich Vorrang vor der Abschiebung hätten", so Küberl auf :: steiermark.orf.at. Was dem humanitären Helfer weiterhin vorgeworfen werden muss, ist seine Fixierung auf "gut integrierte" Menschen. Denn es sich eben jene, die über den "Grad der Integration" entscheiden, die die Verhängung von Schubhaft oder Abschiebungen bechließen. Und angesichts der rassistischen Einstellung der Schreibtischtäter_innen und ihres Polizeiapparates ist kaum zu erwarten, dass sie sich durch solche Worte umstimmen lassen.
Europäische Dimension
Wichtig ist eine grundsätzliche Lösung, doch weist die Politik in der EU in eine anderer Richtung. In Stockholm beraten dieser Tage die Justiz- und Innenminister_innen der EU-Saaten im Rahmen eines "informellen Treffens" über weitere Verschärfungen der rassistischen Sondergesetze und der Überwachung der Bürger_innen. Sie bereiten das Stockholmer Programm vor, dass am 1. Dezember 2009 in Brüssel als Fahrplan für die nächsten fünf Jahre im Politikbereich Justiz und Inneres der EU beschlossen werden soll. Dieses sieht u.a. mehr gemeinsame Charterabschiebungen, eigene Abschiebeflugzeuge, verschärfte Kontrollen an und elektronische Aufrüstung von Grenzen, EU-finanzierte Internierungs- und Flüchtlingslager in Drittstaaten und einen Ausbau der Überwachung der Bevölkerung vor.
Und genau in diesem Trend liegen die geplanten Änderungen des "Fremdenrechts" in Österreich. Wohin diese Entwicklung führen kann, ist für jede_n selbst ausmalbar. Um eine Änderung zu erlangen, ist eine entschiedenes Eintreten gegen Schubhaft und Abschiebungen unumgänglich. Dabei handelt es sich um einen massiven Eingriff in die Freiheit von Menschen. Solange die Behörden das Recht haben, Menschen willkürlich einzusperren und Abschiebungen durchzuführen, werden sie wohl kaum davor zurückschrechen, Menschen zu misshandeln. Rassismus bildet die Grundlage für die zuständigen Gesetze und die Motivation für die Exekution eben dieser. Und falls es nicht bekannt ist: Die Durchführung von Abschiebungen ist für Beamte keine Verpflichtung. In der Regel melden sich diese freiwillig für diesen Job - und es ist kein Fall bekannt, bei dem ein Beamter Skrupel bei der Ausübung staatlicher Zwangsgewalt verspürte. Um so bedenklicher ist die Tatsache, dass mehr und mehr Abschiebungen mittels Charterflugzeugen durchgeführt werden - mit riesigem Polizeiaufgebot und völlingem Ausschluss der Öffentlichkeit.
Widerstand tut not!