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[ 21. Sep 2009 ]

Critical Mass beschallt Schubhäfn

Am Freitag, 18. September 2009, beteiligten sich wieder hunderte Radler_innen an der monatlichen Critical Mass in Wien. Ein Teil von ihnen protestierte unterwegs anlässlich des kürzlichen Todes in Folge eines Hungerstreiks gegen Schubhaft.

 

Jeden 3. Freitag bewegt sich eine kritische Masse auf Fahrrädern und anderen selbstbetriebenen mobilen Untersätzen durch die Straßen Wiens. So auch am 18. September, wo bei schönen Wetter und Sonnenschein 400 bis 500 Radler_innen dabei waren. Als die Masse beim Schubhäfn am Hernalser Gürtel vorbei rollte, wurde dies zum Anlass genommen, um die Stimmen gegen die Schubhaft zu erheben und die Solidarität mit den Gefangenen auszudrücken. Die Stimmung auf der Critical Mass war an diesem Tag "schlicht und ergreifend grossartig !!!" und es war sehr laut, doch nun wurde es noch eine Spur lauter und zahlreiche Parolen gegen Schubhaft und Abschiebungen gerufen. Vier Tage nach dem Tod von Gaganpreet Singh K. war dies erneut ein deutlicher Ausdruck der Ablehnung der rassistischen Gesetze und Praxen. Viele der Gefangenen haben an diesem Tag wohl mitbekommen, dass es Menschen gibt, die solidarisch mit ihnen sind.

In einem Bericht auf :: criticalmass.at ist zu dieser Zwischenkundgebung zu lesen: "Leider wissen die meisten CMler-Innen nicht, worum's geht und was an diesem Ort besonders ist, so dass die CM hier abreißt und auch Autos in die CM kommen und es auch kontroversielle Meinungen zu diesem Stopp gibt. Ich glaube die CM kann 5 Minuten Halt machen und an jene Menschen denken, die nicht mitfahren können weil sie unschuldig und unter menschenunwürdigsten Umständen im Gefängnis sitzen. Aber ich denke, es ist Aufgabe der MitfahrerInnen so einen Stop auch vorzubereiten und die MitfahrerInnen im vornhinein aufzuklären und auch den Stop zeitlich zu befristen." Als Reaktion auf den Halt beim Schubhäfn und den genannten Bericht ist eine Diskussion entstanden, die zeigt, dass Uneinigkeit über diese Aktion besteht.

Dazu ist anzumerken, dass die Aktion zeitlich befristet war und mittlerweile wohl alle CMler_innen wissen, warum es zu diesem kurzen Halt und den lauten Rufen kam und das an diesem Ort hinter den unscheinbaren Mauern des Gefängnisses am Hernalser Gürtel 8-12 Menschen aus reiner Willkür der Beamten bis zu 10 Monaten eingesperrt werden.

Wenn die Critcal Mass dem Motto "die Straße gehört allen" folgt, dann sollte berücksichtigt werden, dass viele Leute genau auf dieser Straße verfolgt, misshandelt und verhaftet werden - von jener Polizei, die immer wieder als "professionell" bezeichnet wird. So stellt sich die Frage, wie die Straße allen gehören kann, wenn so viele sich nicht frei auf ihr bewegen können? Hier sollte die Diskussion der CMler_innen ansetzen. Die Forderung nach Bewegungsfreiheit ist mit Sicherheit eine Forderung, die untrennbar mit der Idee von Critical Mass verbunden ist. Es geht um Freiheit - doch wenn nicht alle frei sind, dann ist diese Freiheit nur ein Schein.

Und genau 'das Gefühl, frei zu sein' ist es, was das Mitfahren auf der Critical Mass auszeichnet: Endlich mal selbst bestimmen, wo es lang geht. Gemeinsam mit anderen sich die Straße nehmen und das Gefühl der Freiheit ein Stück weit leben. Doch, und jetzt geht es wieder zurück zur obigen Diskussion, sei hier die Frage gestellt: Wie soll ich mich frei fühlen, wenn ich an einem Ort vorbei fahre, der Symbol und Manifestation einer Gesellschaft ist, in der nicht alle frei sind. Die Schubhaft steht darüber hinaus für Ausgrenzung schlechthin. Menschen wird das Recht abgesprochen, an dem Ort zu leben, an dem sie leben wollen, an dem sie leben.

Vielleicht ist es diese Tatsache, dass das Gefühl von Freiheit mit dem Wissen um die rassistische Ausgrenzung nicht vereinbar ist, die bei vielen eine Angst hervorruft. Die Angst davor, dort Stellung zu beziehen, wo es notwendig erscheint. Dort, wo jene es mitbekommen, die die Unterdrückung am eigenen Leib verspüren. Die in ihrem Kampf um Freiheit die eigene Gesundheit aufs Spiel setzen, weil dies ihre einzige Möglichkeit ist, ein Stück Freiheit zu erlangen.

Aus den Diskussionen rund um die Solidaritätsbekundung auf der Critical Mass wird deutlich, dass nicht alle damit einverstanden sind, dass Stellung bezogen wird. Wenn sich die Critical Mass als Bewegung versteht, die für Freiheit eintritt und die für viele Menschen feindlichen Reglementierungen im Verkehr aufheben will, dann sollte sie darüber reflektieren, wie sehr Bewegung eingegrenzt wird. Für manche mehr, für manche weniger.

So lange ich auf der Seite jener stehe, deren Bewegungsfreiheit wenig eingeschränkt wird, kann ich es mir aussuchen, ob ich zustimme oder nicht: Ob ich auf meinen Privilegien bestehe oder eben nicht. Doch sollte ich bedenken: Freiheit bedeutet auch, die Grenzen zwischen jenen, die über Privilegien verfügen, und jenen, denen diese verwehrt werden, nieder zu reißen.