Mit Inkrafttreten der Novelle des Fremden- und Asylrechts in Österreichs am 1. Juli 2011 werden Flüchtlinge gleich nach ihrer Ankunft einer "Anwesenheits- pflicht" unterworfen. An dieser künftigen Praxis gibt es bereits vorher massive Kritik.
asylkoordination: Fremdenrechtspaket ab 1.Juli
Neue und unnötige Schikanen gegen Flüchtlinge treten mit 1. Juli 2011 in Kraft. "Es ist nicht nachvollziehbar, warum neu angekommene AsylwerberInnen in der Erstaufnahmestelle Traiskirchen oder Thalham tagelang eingesperrt werden", kritisiert Anny Knapp von der asylkoordination die sogenannte erweiterte Mitwirkungspflicht. Denn genau genommen werden alle AsylwerberInnen vorerst einmal eingesperrt.
Betroffen davon sind auch nachkommende Familienangehörige, bei denen bereits eine positive Vorprüfung über die Asylgewährung vorliegt und die mit einem Visum legal nach Österreich eingereist sind. Die neue "durchgehende Aufenthaltsverpflichtung" verkompliziert neuerlich das Zulassungsverfahren und wird vermutlich Mehrkosten verursuchen, wenn ein Journaldienst samt DolmetscherInnen und RechtsberaterInnen auch an Wochenenden Asyleinvernahmen durchführen werden, um innerhalb der 5 bzw 7 tägigen Anwesenheitspflicht die Einvernahmen anzuordnen oder durchzuführen.
Das Verlassen der Erstaufnahmestelle kann mit Schubhaft bestraft werden, wenn der Asylantrag voraussichtlich in einem anderen EU-Staat geprüft werden wird. "Von der Fremdenpolizei in Traiskirchen, die bekanntermaßen die rechtlichen Möglichkeiten der Schubhaftverhängung oft überschreitet, erwarten wir nicht, dass der neue Paragraph nur nach sorgfältiger Prüfung angewendet werden wird", zeigt sich Knapp besorgt über die Erweiterung der Schubhaftgründe bei AsylwerberInnen. Auch Kinder werden nun nicht vor Schubhaft geschützt. Geradezu absurd ist die neue amtswegige Haftprüfung durch die Behörde, die die Haft angeordnet hat.
Auch die neu eingeführte Ausreisefrist von 14 Tagen wird in vielen Fällen nicht einhaltbar sein, das Beschaffen von Reisedokumenten und Tickets kann wesentlich mehr Zeit beanspruchen. Nach oft jahrelangem Aufenthalt wird auch die Regelung der persönlichen Verhältnisse regelmäßig mehr Zeit erfordern. Eine Verlängerung kann zwar beantragt werden, aber die Voraussetzungen sind sehr restriktiv. Wird ein Asylantrag abgelehnt und die Ausweisung ausgesprochen, bedeutet dies gleichzeitig ein Wiedereinreiseverbot von 18 Monaten in den gesamten EU-Raum. Österreich verfolgt bei der Implementierung dieser EU-Regelung einmal mehr seine Hartliner-Politik.
http://www.asyl.at
SOS Mitmensch: Fremdenrechtspopulismus macht den 1. Juli 2011 zum Trauertag
Utl. Menschenrechtsorganisation hisst schwarze Flagge in Traiskirchen und protestiert am Freitag vor dem Innenministerium
Der 1. Juli 2011 ist eine Zäsur im Umgang Österreichs mit Menschenrechten. Mit dem Inkrafttreten des Fremdenrechtspakets erfolgt ein massiver Einschnitt in die Freiheitsrechte neu ankommender Flüchtlinge. Menschen, die nichts getan haben, werden wie Personen behandelt, denen ein Verbrechen zur Last gelegt wird. Minderjährige, ältere Menschen, traumatisierte Menschen, Schwangere, Menschen mit Behinderung - sie alle werden in Zukunft die Asylstelle in den ersten, für das Asylverfahren so entscheidenden Tagen nicht verlassen dürfen. Sie alle werden am Aufsuchen frei gewählter Beratungs- und Hilfseinrichtungen gehindert werden. Darüber hinaus tritt am 1. Juli eine menschenfeindliche Ausweitung der Schubhaftdauer in Kraft, ebenso wie integrationsfeindliche Sprachzwangsmaßnahmen.
Daher hisst SOS Mitmensch heute, Donnerstag, um 10.30 die schwarze Flagge vor Österreichs größter Asylstelle und ruft als Teil der Plattform "Das ist nicht unser Gesetz!" für Freitag um 10.00 zu einer Kundgebung vor dem Innenministerium auf. Wir trauern um die Menschenrechte, die von der Regierung mit dem Fremdenrechtspaket geopfert wurden. Und wir machen lautstark darauf aufmerksam, dass wir weiter für Menschenschutz, Gleichberechtigung und faire Chancen für alle kämpfen werden.
"Während die Innenministerin die Fremden-Unrechtspolitik in großflächigen Inseraten abfeiert, drohen Existenzen an menschen- und integrationsfeindlichen Gesetzen zu zerbrechen. In einer beispiellos rücksichtslosen Weise wurden Freiheitsrechte, Aufenthaltssicherheit und die Chancen auf Familienleben auf dem Altar des Populismus geopfert.", kritisiert Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch. Und Pollak weiter: "Es ist höchste Zeit für ein Umdenken, das in Asyl-, Migrations- und Integrationsfragen heraus aus der Sackgasse des Politpopulismus führt."
http://www.sosmitmensch.at