Kritik an willkürlicher Verschickung von Flüchtlingen in entlegene Ortschaften - Forderung nach menschenwürdigen Lebensbedingungen.
Nachdem während der letzten Wochen die menschenunwürdigen Zustände im Erstaufnahmelager Traiskirchen vermehrt öffentlich wahrgenommen wurden und am vergangenen Samstag über 100 Menschen aus Traiskirchen an einer Demonstration für Flüchtlingsrechte in Wien teilgenommen haben, reagieren die Asylbehörden nun mit beschleunigter Verlegung von Flüchtlingen in verschiedene österreichische Bundesländer. Gestern, am 15. November 2012, wurden 16 pakistanische Flüchtlinge nach St. Andrä im Lavantal in den Kärntner Alpen transferiert. Im Hintergrund steht die aktuelle Kontroverse zwischen Innenministerin Mikl-Leitner und VertreterInnen der Bundesländer um die Frage der Unterbringung von AsylwerberInnen.
Nach Aussage von Flüchtlingen aus Traiskirchen ist jedoch eine Verschickung an Orte wie St. Andrä im Lavantal keine akzeptable Lösung der Unterbringungsfrage. Sie wollen nicht gezwungen sein, an entlegenen Orten fernab größerer Städte zu leben, wo sie über keinerlei Infrastruktur, soziale Anbindung und Arbeitsmöglichkeiten verfügen.
"Als TouristIn in St. Andrä Urlaub zu machen mag durchaus attraktiv sein - als Flüchtling ohne Geld, ohne Mobilität, abhängig von Grundversorgung, ohne Anbindung zur lokalen Bevölkerung an einem solchen Ort wohnen zu müssen, bedeutet dagegen quälende Isolation. Vieles, was Flüchtlinge benötigen - Kontakte zu Landsleuten und UnterstützerInnen, Beratungs- und Therapieangebote, Rechtsbeistand, adäquater Zugang zu Bildungs- und Deutschkursanbieter[Inne]n, Jobs usw. - steht nunmal in einer Kleinstadt oder einem Dorf nicht zur Verfügung," schildert Roman Dietinger von der Initiative "Familien und FreundInnen gegen Abschiebung" seine Eindrücke von der Situation.
Flüchtlinge aus Traiskirchen berichten indes von unwürdigen Zuständen: Die Versorgung mit Lebensmitteln und winterfester Kleidung ist mangelhaft, sie müssen im Freien bei Kälte und Regen um Essen anstehen, religiöse Essgewohnheiten werden übergangen. Manche Flüchtlinge bedecken ihre Füße mit Plastiksackerln, weil sie kein brauchbares Schuhwerk haben. Für dringende Belange, wie ÄrztInnenbesuche, steht oft keine angemessene Übersetzung zur Verfügung. Die medizinische Versorgung ist unzureichend, sodass Zahnprobleme oder ausfallende Nägel unbehandelt bleiben. Asylanträge werden durch das Bundesasylamt im Eiltempo, das keine glaubwürdige Berücksichtigung von Fluchtgründen zulässt, mitunter nur einen Tag nach der Anhörung, negativ entschieden.
"Was wir momentan erleben, ist, dass Innenministerium und LandespolitikerInnen untereinander einen Konflikt auf dem Rücken der Flüchtlinge austragen. Wer in der ganzen Debatte überhaupt nicht gefragt wird, sind diejenigen, um die es eigentlich geht - nämlich die Flüchtlinge selbst. Ob von Frau Mikl-Leitner oder von Herrn Pröll - über die Flüchtlinge wird geredet wie über einen zu verwaltenden Notstand, den man loswerden will. Dass Politik und Verwaltung als Antworten auf die Situation in Traiskirchen nur menschenunwürdige Scheinlösungen, wie Zelte und Container, oder Zwangsverschickung über das Bundesgebiet zu bieten haben, ohne jemals die Flüchtlinge zu fragen, wo und wie sie selbst leben wollen, wirft ein beschämendes Licht auf die österreichische Asyl- und Migrationspolitik. Das Recht auf ein selbstbestimmtes und menschenwürdiges Leben muss
für Flüchtlinge genauso gelten, wie für alle anderen," folgert
Dietinger.
Presseaussendung vom 1. März - transnationaler Migrant_innenstreik vom 16. November 2012.