Nach Pogromen gegen Roma in Neapel breitet sich die ausländerInnen- feindliche Gewalt in ganz Italien aus. Ein Kommentar von Federica Matteoni in der Jungle World.
Kaum hatte sich der neue BürgerInnenmeister von Rom mit dem Hitlergruß feiern lassen, wurde in Verona, wo die rechtspopulistische Lega Nord seit Jahren regiert, ein junger Mann von fünf Hooligans, die Verbindungen zu rechtsextremen Kreisen haben, totgeprügelt. Kaum hatten sich die absurden Debatten darüber gelegt, ob es sich dabei um einen »politischen Mord« gehandelt habe - weil die fünf geständigen Täter keine Aktivisten aus rechtsextremen Gruppen sind -, steckte ein aufgebrachter Mob in Neapel drei Roma-Camps an.
Was sich dort in der vorigen Woche abgespielt hat, war ein Pogrom nach ganz klassischem Muster, basierend auf dem jahrhundertealten Vorurteil über »Zigeuner, die Kinder stehlen«. Eine Frau hatte gemeldet, in ihrer Wohnung in einem Vorort von Neapel habe ein 16jähriges rumänisches Roma-Mädchen versucht, ihr Baby zu entführen. Allein das Gerücht genügte, um die Wut der BewohnerInnen explodieren zu lassen. Zielsicher richtete sich die Wut des Mobs - zunächst Frauen und »besorgte Mütter« - auf drei Roma-Siedlungen im Vorort Ponticelli. Ein Fernsehteam des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders RAI befand sich mysteriöserweise bereits an Ort und Stelle, als die Attacke begann. Die hysterischen Männer und Frauen, die gerade dabei waren, auf kleine Kinder loszugehen, gingen sodann mit ihrem »Frust« live auf Sendung. Zumindest wurde niemand dabei verletzt.
In einem anderen Land würden solche Bilder möglicherweise die so genannte Zivilgesellschaft empören. Nicht so in Italien, wo spätestens seit Beginn des Wahlkampfs »illegale Migration« allgemein und insbesondere das »Problem« von »kriminellen AusländerInnen« in den Vororten der italienischen Großstädte zur absoluten Priorität erklärt wurde, und zwar von allen Parteien. Auf die Flammen in Neapel folgten Attacken auf Roma-Siedlungen in Mailand und polizeiliche Razzien gegen »illegale Ausländer« im ganzen Land. Italiens Rechtspopulisten, die eigentlichen Sieger der Parlamentswahlen im April, jubelten: »Das ist es, was die Leute wollen.« Die Lega Nord will jedenfalls noch mehr: Innenminister Roberto Maroni will Sicherheitsgesetze verabschieden, die kollektive Abschiebungen erleichtern, Sonderkommissare für Roma in den italienischen Großstädten einsetzen und den Straftatbestand »illegale Einwanderung« einführen.
Dieser Artikel erschien zuerst in der :: Jungle World Nr. 21, 22. Mai 2008.