Nach einem öffentlichen Aufschrei und Protesten zeigten sich das Innen- ministerium und Ministerin Fekter kompromiss- bereit. Die Abgeschobenen konnten zurück kommen. Da viele ähnlich gelagerte Fälle noch offen sind, wie die Plattform Bleiberecht schreibt, wird nun zu einer gesetzlichen Neuregelung des Bleiberechts aufgerufen.
Die Plattform Bleiberecht will mit ihrer Initiative für eine Gesetzesänderung eine "einmalige Regelung für Altfälle" erreichen. Beim lesen des Aufrufs stellt sich unweigerlich die Frage, ob aus früheren Kampagnen gelernt wurde. Denn nach wie vor wird an Ausschlusskriterien festgehalten: Nur wer mindestens fünf Jahre da ist, soll durch die vorgeschlagene einmaligen Regelung einen Aufenthaltstitel bekommen. Dieses Kriterium fand sich bereits in den von vielen kritisierten Forderungen, mit denen die Regierung zur Schaffung eines gesetzlichen Bleiberechts aufgefordert wurde. Das Innenministerium hatte mit diesem Ausschlusskriterium wohl kaum Probleme - und nahm es in die mit 1. April 2009 in Kraft getretene Novelle der Aufenthalts- und Fremdengesetze auf.
Das Innenministerium beließ es nicht bei den von einigen Bleiberechtsinitiativen, NGO's und karitativen Organisationen vorgeschlagenen Ausschlusskriterien und schuf eine Reihe weiterer Verschärfungen auch für Menschen, die seit Jahren mit Aufenthaltstitel in Österreich leben. Die Änderungen schufen die Gefahr des :: Verlustes eines gültigen Aufenthaltstitels.
Um so weniger ist es ein Wunder, dass zahlreiche Anträge auf humanitären Aufenthalt abgelehnt wurden und viele der Antragsteller_innen mittlerweile abgeschoben wurden. Dass diese die Möglichkeit bekommen, auf legalem Weg mit Visa in Österreich einzureisen, ist eine Ausnahme. In zwei medial bekannten Fällen sahen sich die Behörden dazu veranlasste, dem öffentlichen Druck nachzugeben und Ausnahmen zu gewähren. Dies ändert aber nichts daran, dass diese Familien zuerst zur "freiwilligen Ausreise" gezwungen bzw. abgeschoben wurden. Ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Österreich wurde ihnen aber nicht zugesprochen. Sie werden sich weiterhin mit den Schikanen der Behörden herumzuschlagen haben.
Wenn nun von der Plattform Bleiberecht eine Stichtagregelung gefordert wird, und diese sich dabei auf den Bundespräsidenten berufen kann, der sich ebenfalls für eine Stichtagregelung ausgesprochen hat, dann sind neue "Härtefälle" vorprogrammiert. Was wird aus jenen die Menschen, die einen Tag, eine Woche, eine Monat oder gar ein paar Jahre zu kurz im Land sind? Und, um es nicht zu vergessen: Was ist mit jenen Menschen, die nicht den Bildern entsprechen, die "ihre Wirkung nicht verfehlt" haben? Was, wenn nicht kleine Kindern abgeschoben werden, sondern alleinstehende Männer, denen ein Gesetzesbruch vorgeworfen wird? Wird der rassistischen Sonderbehandlung von Migrant_innen weiterhin zugestimmt, oder werden endlich mal Abschiebungen grundsätzlich in Frage gestellt? Was nützen "menschenrechtskonforme Verfahren" und die Berücksichtigung "humanitärer Gründe", wenn ein grundsätzliches Problem nicht einmal benannt wird: Dass Abschiebungen per se rassistische sind und teilweise mit massiver Gewaltanwendung durchgeführt werden? Was, wenn die Bilder der mit "Zwangsgewalt" agierenden Beamt_innen nicht an die Öffentlichkeit dringen - oder falls doch einmal, als "Einzelfälle" verharmlost werden? Die Liste an Fragen lässt sich endlos fortsetzen. Die einzige Antwort, die uns dazu einfällt, lautet: Bedingungsloses Bleiberecht für Alle!
Davon findet sich im Aufruf der Plattform Bleiberecht jedoch keine Spur. Nichts desto trotz sollte angemerkt werden, dass eine Stichtagregelung, die vielen Menschen einen Aufenthaltstitel und damit ein sorgenloseres Leben beschert, zu begrüßen ist. Doch was ist, wenn sich die Behörden für eine derartige Regelung weitere Ausschlusskriterien einfallen lassen? Das sollte beim Lesen des im folgenden dokumentierten Aufrufs mit bedacht werden:
Aufruf - Für die gesetzliche Neuregelung des Bleiberechts!
Die Bilder haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Innenministerin Maria Fekter hat Familie K. die vorläufige Wiedereinreise gestattet, eine Niederlassungbewilligung wurde erteilt. Dem Einlenken der Innenministerin war ein öffentlicher Aufschrei vorausgegangen.
110.000 BürgerInnen haben die Petition "Gegen Unrecht" bislang unterzeichnet. Mit dem Präsidenten der Wirtschaftskammer Christoph Leitl und dem EU-Abgeordneten Otmar Karas haben auch prominente Parteifreunde Kritik an Fekters Bleiberechts-Politik geübt. Wie Bundespräsident Heinz Fischer fordern sie eine Stichtagsregelung, die allen ein Aufenthaltsrecht erteilt, die bereits fünf Jahre im Land sind.
Als Plattform Bleiberecht haben wir mit vielen Menschen zu tun, die von Abschiebung bedroht sind, obwohl sie hier bereits Wurzeln geschlagen haben. Deshalb fordern wir eine gesetzliche Regelung, die willkürliche Entscheidungen hintanstellt und nicht nur besonders "medientauglichen Fällen" zu Ihrem Recht verhilft.
Deshalb fordern wir:
* Eine einmalige Regelung für Altfälle.
Wer fünf Jahre hier ist, darf bleiben. Die Aufenthaltsdauer wird individuell geprüft.
* Die Sanierung der Bleiberechtsbestimmungen.
Ein menschenrechtskonformes Verfahren, das humanitäre Gründe berücksichtigt und vor Abschiebung schützt.
Wir rufen Organisationen, Initiativen und Privatpersonen auf; nutzen Sie Ihre Möglichkeiten, um diese zwei Forderungen in die öffentliche Debatte einzubringen. Schreiben Sie Protest- und LeserInnenbriefe. Konfrontieren Sie VertreterInnen der Regierungsparteien und Landesregierungen mit diesem Anliegen.
Plattform Bleiberecht, 19. November 2010