Asyl/ Lehrlinge/ Abschiebungen/ Innenpolitik. Presseaussendung der asylkoordination vom 7. November 2019 zur „Lehrlingseinigung“.
„Die so genannte ‚pragmatische Lösung‘ für Asylwerber(*innen), die in einem aufrechten Lehrverhältnis stehen, erweist sich bei genauem Hinsehen als eine typisch österreichische, rechtsstaatlich höchst bedenkliche Scheinlösung. Und das ist noch die wohlmeinendste Interpretation“, kritisiert Lukas Gahleitner-Gertz, Sprecher der asylkoordination österreich, die am 6. November von der ÖVP verlautete politische Übereinkunft der Mehrheit der Parlamentsparteien.
Eine saubere und unkomplizierte Lösung, nämlich einen auf die Zielgruppe der Lehrlinge abgestimmten Passus in das geltende Asylgesetz aufzunehmen, wird seitens der Volkspartei offensichtlich nicht angestrebt. Durch die Schaffung einer entsprechenden Bestimmung analog zum Aufenthaltstitel „Besonderer Schutz“ könnte bereits in den laufenden Asylverfahren eine tatsächlich pragmatische gesetzliche Grundlage geschaffen werden, die Lehrlingen und Arbeitgeber*innen gleichermaßen dient. Stattdessen wird in einer Presseaussendung des ÖVP-Parlamentsklubs ein nebulöser „Abschiebungsstopp bis zur Lehrabschlussprüfung (…) im Sinne von 800 betroffenen Menschen und der Wirtschaft“ ventiliert, der rechtlich kaum umsetzbar sein wird.
Offen bleibt, so Gahleitner-Gertz, was ein ‚Abschiebestopp‘ rechtlich bedeuten soll, „es drängt sich der Verdacht auf, dass die Politik hier in die laufenden Verfahren des BVwG eingreifen möchte, damit diese bis zum Abschluss einer Lehre nicht abgeschlossen werden.“ Eine solches Vorgehen wäre ein unverzeihlicher Schritt zur Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit und zur Unterwerfung der Asylverfahren unter politische Opportunitäten.
„Eine Lösung des Problems im Sinne aller Beteiligten muss auch eine rechtsstaatlich saubere Lösung sein,“ mahnt Gahleitner-Gertz die Politiker*innen. „Es geht nicht an, dass hier zur Verbesserung des Gesprächsklimas für bevorstehende Koalitionsverhandlungen gepfuscht und von rechtsstaatlichen Prinzipien abgewichen wird.“
Die asylkoordination weist darauf hin, dass eine Lösung im Rahmen des Asylgesetzes gesucht werden muss. Andernfalls werden nach geltender Rechtslage alle Lehrverhältnisse mit der Beendigung des Asylverfahrens automatisch beendet. „Damit erreicht man das Gegenteil einer vernünftigen Lösung: Lehrlinge können ihre Lehre nicht abschließen, verlieren ihr Aufenthaltsrecht und werden illegalisiert“, erklärt Gahleitner-Gertz.
Ob es im Sinn der Wirtschaft ist, dass die Unternehmen die fertig ausgebildeten Lehrlinge nach der Lehrabschlussprüfung nicht weiter anstellen dürfen, sondern stattdessen automatisch ihre Abschiebung erfolgt, darüber könnte sich ÖVP-Sicherheitssprecher Karl Mahrer bei seinem Parteifreund und WKÖ-Präsident Harald Mahrer erkundigen.
Die asylkoordination fordert in diesem Sinne eine nachhaltige und rechtlich saubere Lösung für die höchstens 900 betroffenen Lehrlinge: das heißt, die Möglichkeit einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz bis zum Abschluss des Lehrverhältnisses und die Möglichkeit zum Umstieg auf eine Rot-Weiß-Rot-Karte nach erfolgreicher Lehrabschlussprüfung. Die Chance, eine Lehre im laufenden Asylverfahren zu beginnen, wurde inzwischen ohnehin abgeschafft.
Lehrlinge, deren Asylverfahren und Lehrverhältnisse aufgrund der schleppenden Entscheidungsfindung der Politiker*innen zwischenzeitig beendet wurden, müssen aber jedenfalls auch berücksichtigt werden „Es handelt sich hier um eine sehr überschaubare Gruppe“, betont Gahleitner-Gertz, „die Behauptung, damit einen Pull-Faktor zu schaffen, ist in den Bereich der Mythen zu verweisen und dient der ÖVP nur zur faktenfreien Angstbewirtschaftung.“
Es wäre hoch an der Zeit, dass die ÖVP sich aus ihrer vorgetäuschten Lösungsbereitschaft herauswagt und eine echte Lösung anstrebt, andernfalls wird sich das „Problem“ durch Zeitablauf erledigen, ein Sieg der Unvernunft und der Unmenschlichkeit.