Am 24. Mai machte die Karawanetour '07 Stopp in Düsseldorf. Dort fand die Konferenz "Gemeinsam gegen Abschiebung, Ausgrenzung und weltweite Ausbeutung" statt.
Diese Veranstaltung sollte den ZuhörerInnen die Möglichkeit geben, die Situation der Flüchtlinge in NRW und ihren Herkunftsländern kennenzulernen und sich darüber auszutauschen.
Eingangs stellte eine Aktivistin aus Nürnberg die Karawane mit ihren Zielen und Strategien vor. Zwei Beispiele von Polizeibrutalität gegenüber jungen Afrikanern wurden danach benannt. Oury Jalloh verbrannte am 7. Januar 2005 in einer Dessauer Polizeizelle. Erst die große Kampagne "In Gedenken an Oury Jalloh" führte dazu, dass sich die Polizisten seit dem 27. März 2007 vor Gericht verantworten müssen. Hintergrundinformationen sind :: hier nachzulesen. Es wurde aufgerufen, sich an der Demonstration am 23. Juni in Dessau (14:00 Uhr, HBF) zu beteiligen und unseren Forderungen nach einer lückenlosen Aufklärung Nachdruck zu verleihen. Oury Jalloh steht symbolisch für alle Fälle von Polizeibrutalität gegen MigrantInnen und speziell gegen Schwarze. Als ein Beispiel aus NRW wurde der Tod von Dominique Koumadio aus Dortmund berichtet. Am 14. April 2006 wurde er von zwei Polizisten in Dortmund erschossen. Der junge Kongolese kam als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland und war erst sieben Monate vor seinem Tod als Asylbewerber "anerkannt" worden. Sein Fall ist im Bericht über Dortmund wiedergegeben (mehr unter www.thecaravan.org).
Ein Flüchtling aus einem Flüchtlingsheim in Remscheid berichtete von den dortigen Lebensbedingungen. Dabei konzentrierte er sich auf drei Themen, dem Tod von Mohammad Selah im Januar, die Abschiebung seines Freundes Solomon und der Rassismus der Polizei in der Stadt Remscheid.
Tod durch mangelnde Gesundheitsversorgung
Flüchtlingen ist die Gesundheitsversorgung mehrfach nur verzögert gewährt oder gänzlich verweigert worden. Im Fall von Mohammad Selah (siehe :: "Wieder fordert die Staatsgewalt ein Todesopfer") führte die Verweigerung eines Krankenscheines zu seinem Tod in einem Essener Krankenhaus. Trotz der akuten Verschlechterung seines Gesundheitszustandes wurde ihm notärztliche Hilfe verweigert. Nur mit Hilfe eines anderen Flüchtlings gelangte er in ein Krankenhaus, in dem er verstarb.
Trennung von Familien durch Abschiebung
Solomon, ein Flüchtling aus Nigeria, lebte in derselben Flüchtlingsunterkunft wie der verstorbene Mohammad Selah. Er hatte ein Kind mit seiner deutschen Freundin. Weil er nach langen Bemühungen nicht das Recht zugesprochen bekam, mit seiner Freundin und seinem Kind zusammenzuziehen und keinen sicheren Aufenthaltsstatus bekam, wurde sein Wut tagtäglich größer. Nach dem er einmal im Heim die Möbeln und die Fenster zerschlug, wurde er tags später am frühen Morgen um fünf Uhr abgeholt und deportiert. Aus Lagos erzählte Solomon seinen Freunden in Remscheid, dass er in Pyjama und Hausschuhen abgeschoben wurde. Er wurde für die Abschiebung mit Medikamenten ruhiggestellt. Er hat bei der Abschiebung nichts gefühlt und wachte erst in Lagos auf. Seine Freundin und Kind leben weiterhin in Remscheid.
Täglicher Polizeirassismus auf der Straße
In der Stadt Remscheid leben nicht viele Flüchtlinge. Sie sind fast alle der Polizei bekannt. Trotzdem kommen schwarze Flüchtlinge abends in Remscheid nicht weiter als 100 Meter. Sobald sie sich in der Stadt bewegen wollen, werden sie von der Polizei kontrolliert und auf Drogenbesitz durchsucht. In der Stadt Remscheid spüren die Flüchtlinge Abweisung, Abweisung und Abweisung. Die Polizeibrutalität bekamen einige Flüchtlinge in der Polizeiwache zu spüren. Sie wurden ausgezogen, geschlagen, erniedrigt.
Ausbeutung der MigrantInnen ohne Papier
Eine Vertreterin von ´Migrante Europe´ war extra aus Niederlanden für die Konferenz angereist. ´Migrante Europe´ ist die Organisation der philippinischen MigrantInnen in Europa. Sie ist die Stimme dieser Menschen und setzt sich für eine demokratische, selbstbestimmte philippinische Gesellschaft ein. Die Referentin berichtete über die Situation der papierlosen migrantischen ArbeiterInnen in Europa. (siehe Rede auf englisch :: Situation of migrant workers in Europe) Diese besitzen keine Ausweispapiere und haben daher auch keinen Aufenthaltstatus. Sie haben keine sozialen Rechte, sind von Bildung, Gesundheitsversorgung, Arbeitslosen- und Rentenversicherung ausgeschlossen. In Holland sind viele in der Agrarwirtschaft beschäftigt. Sie pflücken z.B. Tomaten, Zucchinis, Gurken, Blumen. Sie werden gegeneinander ausgespielt, um die Löhne zu drücken. Die marokkanischen ArbeiterInnen verlieren nun ihre Arbeit, weil die Arbeitgeber aus Osteuropa bereit sind, für 4 bis 5 Euro statt für 7 Euro zu arbeiten. Mittlerweile sind viele Agenturen bei der Einstellung der ArbeiterInnen beteiligt. Diese bekommen von den Arbeitgebern über 5 Euro pro Arbeiter pro Stunde. Also werden die ArbeiterInnen doppelt ausgebeutet und um ihren Lohn gebracht. MigrantInnen ohne staatlich ausgestellte Papiere können ihre Rechte gegenüber ihren Arbeitgebern nicht einfordern, weil sie sofort gefeuert oder denunziert und abgeschoben werden. Sie berichtete von den Philippinischen MigrantInnen in Europa. 85% von ihnen sind Frauen. Die meisten arbeiten im Haushalt.
Neben der Situation der MigrantInnen ohne Papiere schilderte sie am Beispiel von Prof. José Maria Sison die Einschüchterung und Einschränkung von AktivistInnen und Oppositionellen durch den sogenannten Kampf gegen den Terror. Sie stellte die Kampagne zu seiner Unterstützung vor.
Eine Vertreterin der Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland (YEK-KOM) mit Sitz in Düsseldorf berichtete sowohl über die Situation der KurdInnen in der Türkei als auch hier in Europa. Neben dem Krieg in Kurdistan, der unvermindert von der türkischen Regierung gegen die kurdische Bevölkerung geführt wird, beschrieb sie die Verfolgung kurdischer Menschen hier in Europa. Die meisten erleben bei der Verlängerung ihres Aufenthaltes oder nach der Beantragung der Einbürgerung Probleme und Repressionen vom deutschen Staat, weil sie sich in Vereinen betätigen oder an Demos beteiligen. Der deutsche Staat verletzt somit gegen das demokratische Recht der KurdInnen, die sich nach Frieden und einem selbstbestimmtem Leben sehnen. Mit der Diskussion um die Aufnahme der Türkei in die EU fing die Bundesregierung sogar an, anerkannten kurdischen Flüchtlingen die Pässe zu entziehen, weil der Demokratisierungsprozess zur Verbesserung der Menschenrechtslage in der Türkei führte. Dogan Genc, Vorstandsmitglied des Menschenrechtsvereins IHD (Insanl Haklari Dernegi) zeichnete ein anderes Bild der Menschenrechtsituation in der Türkei als die, die die Bundesregierung und ihre Behörden uns bei Asylverfahren zur Ablehnung der Asylanträge präsentieren. Er stellte den Jahresbericht über die Folgen des systematischen Staatsterrors in der Türkei vor und nannte die Zahlen über illegale Hinrichtungen, Folterungen, Verletzungen und vieles mehr (siehe Jahresbericht IHD 2006). Zudem beschrieb er die Abschottungspolitik der Türkei gegenüber Flüchtlingen aus dem Nahen Osten und Afrika und nannte die Opferzahlen des letzten Jahres.
Zum Abschluss der Konferenz wurde der Film "Nix Passiert - Polizeibrutalität in Wuppertal" gezeigt. Er gibt in Interviews wieder, wie Abraham Habtemariam in Wuppertal von Polizisten nach einer Polizeikontrolle in eine Polizeizelle geschleppt und dort brutal zusammengeschlagen wurde. Übergriffe durch die Polizei werden seit einiger Zeit vermehrt in Wuppertal gegenüber jungen MigrantInnen und Punks verübt.
Im Anschluss begaben sich die BesucherInnen der Konferenz zum Oberbilker Markt, um dort an einer Demonstration durch die Düsseldorfer Innenstadt teilzunehmen. Die rund 70 Protestierenden brachten mit viel Energie und lautstarken Parolen ihre Forderungen auf die Straße. Die Inhalte ihres Protestes stiessen vor allem in den MigrantInnenvierteln auf großen Zuspruch, die sich durch das Victory-Siegeszeichen solidarisch mit dem Protestzug erklärten. Die RednerInnen riefen die Menschen dazu auf, sich für die Rechte der MigrantInnen und Flüchtlinge einzusetzen und nicht wegzusehen. Die Karawane-Tour-Zeitung wurde zahlreich verteilt. Die Demonstration endete mit einer Abschlusskundgebung am Schadowplatz.
Am darauffolgenden Morgen ging es mit der Karawane-Tour weiter zu einer Kundgebung und Gedenkveranstaltung zum gewaltsamen Tod von Dominique Koumadio nach Dortmund.
Dieser Artikel erschien zuerst auf :: thecaravan.org