Thematisierung des staatlichen Terrors gegen Flüchtlinge und MigrantInnen - Aufruf zur solidarischen Verteidigung der Grundrechte Hintergrundinformationen
Am 25. Mai 2007 hielt die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen eine Kundgebung in Gedenken an :: Dominique Koumadio in Dortmund ab, der am am 14. April 2006 von der Dortmunder Polizei erschossen wurde. Im Rahmen der Karawane-Tour 2007 sollte das Thema des alltäglichen und staatlich institutionalisierter Rassismus benannt und die Menschen in Dortmund zur Solidarität aufgerufen werden.
An der Kundgebung vor der Reinoldikirche in der Dortmunder Innenstadt nahmen die Initiative in Gedenken an Dominique Koumadio, die Föderation der ArbeitsmigrantInnen aus der Türkei in Deutschland (AGIF), die Linke und die Initiative gegen Rassismus und Ausgrenzung teil.
In ihren Redebeiträgen erinnerten die TourteilnehmerInnen an die Opfer der Staatsgewalt, die durch Polizeibrutalität oder durch das Asylbewerberleistungsgesetz ihr Leben verloren. :: Oury Jalloh, der in einer Dessauer Polizeizelle verbrannt wurde und :: Mohammad Selah wurden in diesem Zusammenhang genannt.
Die Rednerinnen und Redner erzählten über Dominiques Leben und warum er nach Deutschland gekommen war. Sie erinnerten an die acht Millionen Opfer der kongolesischen Bevölkerung unter der Herrschaft Belgiens und ließen die Ermordung des ersten kongolesischen Präsidenten durch einen belgischen Offizier nicht aus. Nach der Ermordung Lumumbas wurde dem General Mobuto die Verwaltung Kongos und die Peitsche für die Unterdrückung der kongoleischen Bevölkerung im Namen des Profits der ehemaligen Kolonialherren übergeben. Die heutigen Auseinandersetzungen sind durch die Konkurrenz der mächtigen Konzerne und Staaten um die für die Industriegesellschaft strategischen Rohstoffe zu erklären. Im Kampf um die Rohstoffe generieren diese Staaten und ihre Handlanger in Kongo einen permanenten Kriegszustand und Unruhen, die täglich Opfer fordern.
Dominique kam mit 14 aus diesem Land. Er kam alleine, weil seine Eltern nicht mehr am Leben waren. Mit 16 stellte er ein Asylantrag und nach sieben Jahren der Unsicherheit und der Ungewissheit erhielt er eine Aufenthaltserlaubnis. Kurz danach wurde er auf der Straße erschossen (Hintergrund weiter unten).
Bekannte von Dominique von der afrikanischen Gemeinschaft in Dortmund erzählten über Dominique und warum es wichtig sei, über diese Themen nicht nur zu sprechen. Sie sagten: "Wir wollen nicht, dass unseren Kinder etwas ähnliches widerfährt."
Die Kundgebung zog viele PassantInnen in Dortmund an, die interessiert zuhörten und uns in unsere Arbeit ermutigten. Die 70 bis 80 TeilnehmerInnen riefen immer wieder "Oury Jalloh, das war Mord! Dominique das war Mord!". Sie forderten die Abschaffung der :: Residenzpflicht und der rassistischen Polizeikontrollen. Sie forderten die Eröffnung eines Verfahrens gegen die Todesschützen von Dominique.
Nach der lauten und lebendigen Kundgebung fuhr der Karawane-Bus Richtung Bayrische Straße. Dort wurden am Baum neben dem Platz, wo Dominique am 14. April 2007 erschossen wurde, Blumen und Bilder von Dominique niedergelegt und Kerzen angezündet. Obwohl nur etwa 30 Personen Dominique gedachten, tauchten nach einigen Minuten zwei Streifenwagen auf, die einen Verantwortlichen für das Gedenken verlangten. Sie wurden von der Einheit der Versammelten abgewiesen, so dass die Gedenkfeier fortgesetzt werden konnte.
Hintergrundinformationen zu Dominiques Tod
Ein Kioskbesitzer hatte die Polizei benachrichtigt, weil Dominique mit einem Messer vor seinem Kioskfenster stand. Als der erste Funkstreifenwagen besetzt mit drei Beamten eintraf, war die Situation nach deren eigenen Angaben nicht bedrohlich. Aus bisher ungeklärten Gründen eskalierte die Situation, ein Polizist tötete Dominique mit zwei schnell hintereinander abgegebenen Schüssen, die ihn ins Bein und ins Herz trafen. Das gegen den Todesschützen eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde von der Dortmunder Staatsanwaltschaft wegen angeblicher Notwehr eingestellt. Notwehr? Obwohl nach übereinstimmenden Aussagen aller ZeugInnen der Abstand zwischen dem Todesschützen und Dominique mehrere Meter betrug. Dominiques Schwester hat Anwälte beauftragt, gegen die Einstellung des Verfahrens Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft einzulegen und forderte gemeinsam mit ihnen auf einer Pressekonferenz am 10.10.2006 die sofortige Anklageerhebung wegen "eines vorsätzlichen Tötungsdelikts". Inzwischen hat nicht nur die Dortmunder Staatsanwaltschaft, sondern auch die Oberstaatsanwaltschaft in Hamm den Fall abgeschlossen. Die Familie und die Anwälte wollen ein Verfahren erzwingen.
Um Dominiques seelischen Zustand und die vieler anderer Kinder zu verstehen, muss mensch die systematische Zerstörung des Lebens durch die bundesdeutsche Politik gegenüber Flüchtlingen verstehen und begreifen, und zwar nicht theoretisch, sondern praktisch. Jeder und jedem sei geraten, in die nächste Flüchtlingsunterkunft zu gehen und sich ein Bild vom Leben dort zu machen, um sich zu vergegenwärtigen, wie die Mühlen des Systems die Menschen in Depression und seelischen Ruin treiben. Die Jahre im Asylverfahren wirken sich besonders nachhaltig auf die Psyche der Kinder und Jugendliche aus. Viele werden durch das Leben in Lager oder Flüchtlingsunterkünften traumatisiert und depressiv. Dies zeigen Untersuchungen aus Skandinavien und unsere Erfahrungen in unseren Umgebungen.
Dieser Bericht erschien zuerst auf :: thecaravan.org (mit Bildern), hier bearbeitet von no-racism.net übernommen.