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[ 09. Nov 2018 // letzte änderung: 13. Nov 2018 ]

Ereignisse im und ums Mittelmeer - Teil 13

Saving lives is not a crime!

Die Aquarius ist als einziges ziviles Rettungsschiff im zentralen Mittelmeer - doch erneut wird ihr der Flaggenstatus entzogen. Während dessen werden immer mehr Menschen von der Küstenwache Algeriens oder Libyens abgefangen - und zurück gebracht. Im westlichen Mittelmeer gab es bei Schüssen auf Boote mit Migrant*innen mindestens eine Tote - und danach wütende Proteste in Marokko. Meldungen von 21. - 30 September 2018.

 


Sicherheit für Alle! S20 Gegengipfel von 21. – 23. September 2018 in Wien




Im Anschluss an die Proteste gegen den informellen Gipfel der EU-Staats- und Regierungschef*innen in Salzburg gab es einen Gegengipfel der Solidarität und Sicherheit für Alle in Wien mit Workshops, Diskussionen, Zeit für informellen Austausch und mehr.

Beginn des Gegenkongresses war am Freitag, 21. September um 16:00 mit einem Infopoint in der Kunsttankstelle in der Grundsteingasse 45-47, 1160 Wien. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion wurden Perspektiven für ein Europa jenseits von Angst und Abschottung diskutiert, die herrschenden Vorstellungen von Sicherheit in Frage gestellt und über Strategien nachgedacht, um den Widerstand in den Nachbar*innenschaften und darüber hinaus zu organisieren und solidarische und widerständige Städte aufzubauen. Die Diskutant*innen warfen einen Blick auf die desaströsen Konsequenzen der EU-Abschottungspolitik und diskutierten gemeinsam über konkrete Schritte in Richtung eines Europas der Solidarität. Es war eine Interessante Diskussion, in der zuerst einige Projekte vorgestellt wurden, wie die Rettungsmissionen im Mittelmeer und die Arbeit der Sea-Watch, Solidarische Städte, die Lebenssituation von Geflüchteten und Migrant*innen, insbesondere von Frauen. Sichtbar wurde im Rahmen der Diskussion u.a. die Verbindung von Grenzregimen, Rassismus, Sexismus, Ausbeutung und Kapitalismus.



Am Samstag war den ganzen Tag über ein Infopoint am Yppenplatz. In mehreren Locations in der Umgebung fanden Workshops zu unterschiedlichen Themen statt (:: siehe Programm). Am Abend wurde das bereits in Salzburg gehaltene :: Public Hearing zur “Externalisierung des EU-Grenzregimes nach Afrika” von Afrique-Europe-Interact wiederholt. Ein würdiges und starkes Statement im öffentlichen Raum - und des zweiten Tages des Gegenkongresses.



Am Sonntag gab es einen Abschluss im kleineren Rahmen, bei dem über die Workshops des vergangenen Tages reflektiert und über künftige Aktivitäten diskutiert wurden.

Weitere Informationen zum Gegengipfel auf :: safety4all.noblogs.org




Frontex: Macron droht Italien mit Schengen-Ausschluss (21. September 2018)


Auf dem informellen EU-Gipfel in Salzburg hat anscheinend die italienische Regierung Einspruch gegen die EU-Pläne zur massiven Ausweitung der Frontex-Aufgaben erhoben. Nach dem Frontex-Vorschlag der EU-Kommission sollen Frontex-Polizist*innen in Ländern auch gegen den Willen ihrer jeweiligen Regierungen eingesetzt werden dürfen. Die Zahl der Frontex-Polizist*innen soll vervielfacht werden. Frontex soll nach der Aufspürung von Flüchtlingsbooten Anweisungen zum Umgang mit ihnen erteilen können. Nun droht Macron, dass Staaten, die wie Italien die neuen Frontex-Pläne nicht akzeptieren, künftig aus „Schengen“ ausgeschlossen werden müssten.

:: FFM-ONLINE :: La Stampa (21. Sep 2018)


Solidarität ist kein Verbrechen! Sechs tunesische Fischer aus Zarzis werden aus dem Gefängnis entlassen (22. September 2018)


Palermo - Sechs tunesische Fischer wurden Ende August 2018 wegen des Vorwurfs der Schlepperei in Sizilien verhaftet. Seitdem saßen sie in Haft. Sie hatten 14 Menschen aus Seenot gerettet. Nun sind sie frei.

Die zwei Richterkollegien, die gestern und vorgestern am überprüfungsgericht von Palermo den Fall der sechs tunesischen Fischer verhandelten, teilten heute mit, dass Chamseddine B., mit seiner Besatzung Lofti L., Farhat T., Salem B., Bechir E. und Ammar Z. noch am heutigen Tag die Haftanstalt in Agrigento (Sizilien) verlassen und nach Hause zurück kehren dürfen.

Noch nicht geklärt ist, wann der Prozess gegen die sechs Fischer vor dem Gericht in Agrigento beginnen wird.

Zum Fall: Seit dem 30. August 2018 befanden sich der Kapitän eines tunesischen Fischerbootes, Chamseddine B., mit seiner Besatzung im Gefängnis von Agrigento. Ihr Schiff wurde in Licata (Agrigento) festgesetzt. Ihnen wird Schlepperei und Begünstigung illegaler Einwanderung zu Last gelegt, da sie 14 Personen, darunter mindestens drei Minderjährige, aus Seenot retteten. Die Personen befanden sich an Bord eines kleinen Bootes, das auf dem Weg Richtung Lampedusa in Schwierigkeiten geriet und darauf wartete, von der italienischen Küstenwache gerettet zu werden. Die Hilfe kam jedoch nicht und die Fischer entschieden, das Boot in Schlepptau zu nehmen.

Die sechs Fischer taten, was das Seerecht von uns verlangt: Sie halfen 14 Menschen, die sich auf See in Gefahr befanden.

Chamseddine B. und seine fünf Kollegen wurden in Lampedusa wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung in besonders schwerem Falle verhaftet.

Aber es handelt sich nicht um Schlepper – Bourassine und die Fischer aus Zarzis (Tunesien) haben in den vergangenen Jahren viele Menschenleben auf See gerettet und auch viele Tote aus dem Meer geborgen. So erklärte auch einer der Geretteten, dass sie ohne diese Fischer die Fahrt nicht überlebt hätten.

Auch die von Frontex veröffentlichten Videobilder zeigen zum einen, wie die Fischer das Boot abschleppen und zum anderen, dass die Besatzung, bevor sie auf die 14 Migrant*innen traf, ihrer gewöhnlichen Fischertätigkeit nachging.

Am 16. September erhielt der Film „Strange Fish“ von Giulia Bertoluzzi auf dem Mailänder Dokumentarfilmfestival einen Preis – dieser Film zeigt auch die humanitäre Arbeit der Fischerkooperative aus Zarzis, deren Vorsitzender eben jener Chamseddine B. ist.

Zudem wurde die Vereinigung der Fischer aus Zarzis zusammen mit 65 weiteren Organisationen, die sich vor allem für die Rettung von Menschen auf See engagieren, unter dem Titel „Die Rechte des Mittelmeeres – Für die humanitäre Seenotrettung von Migrant*innen“ für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.

Unterstützung erhalten die Fischer von vielen Seiten, am 19. September demonstrierten Fischer, Angehörige, Gewerkschaften und viele mehr in Zarzis für die Freilassung der Fischer. Auch die tunesische Regierung hatte sich für eine sofortige Freilassung an die italienische Regierung gewandt. In vielen Städten in Tunesien, Frankreich und Italien gibt es weitere Solidaritätskundgebungen für die betroffenen Fischer.

Es handelt sich um Fischer und nicht um Schlepper.

Die anderen Fischer der Vereinigung aus Zarzis schrieben in ihrem Brief an die italienische Botschaft in Tunis:

„Wenn wir auf See auf Schiffbrüchige treffen denken wir nicht an ihre Hautfarbe, ihre Herkunft, ihre Religion, und noch weniger daran, ob die Lega oder die 5-Sterne-Bewegung einverstanden sind oder nicht. Denn wir denken nur daran, Leben zu retten, auch wenn wir dafür unseres geben müssten.“

Am 20. und 21. September fanden nach nunmehr drei Wochen Haft zwei Anhörungen zur Haftprüfung vor dem Überprüfungsgericht in Palermo statt. Während am 20.9. der Fall eines der sechs Fischer verhandelt wurde, verhandelte am 21.9. ein anderes Richterkollegium die Haftprüfung der weiteren fünf Fischer. Zu dieser kuriosen Aufteilung kam es aufgrund der zeitlich unterschiedlich versandten Akten aus Agrigento, wo die Fischer inhaftiert sind und wo ein möglicher Prozess stattfinden wird. Eine Entscheidung ist in den nächsten Tagen, spätestens jedoch am Montag zu erwarten.

Zur Unterstützung reisten Familienmitglieder der Betroffenen, darunter der Bruder des Kapitäns Chamseddine B. und der Sohn eines der Fischer aus Frankreich an. Das Antirassistische Forum Palermo rief am 21.9. zu einer Solidaritätskundgebung vor dem Gericht auf, woraufhin sich spontan circa 30 Personen versammelten und die Freiheit der Fischer forderten. Der Protest wurde von der Presse medial begleitet.

:: Borderline Sizilien (22. Sep 2018)



Rettungseinsatz der Aquarius in zentralen Mittelmeer, 27. Jänner 2018

Die Aquarius rettet elf Menschen und bleibt als einzig verbleibendes Rettungsschiff auf der tödlichsten Fluchtroute im Mittelmeer im Einsatzgebiet (22. September 2018)


Pressemitteilung - Die Aquarius rettete am vergangenen Donnerstag, den 20. September, elf Menschen in internationalen Gewässern vor der Küste Libyens. Die über die Rettung informierten libyschen Behörden reagierten erst zwei Stunden nach der Rettung und forderten die Übergabe der Menschen. SOS MEDITERRANEE stimmte diesem Transfer, der eine Rückführung der Geretteten nach Libyen bedeutet hätte, nicht zu. Dabei beruft sich die Organisation auf geltendes Recht, das für Gerettete einen sicheren Ort zum Anlanden vorsieht. Libyen ist kein sicherer Ort, Menschenrechtsverletzungen sind dort an der Tagesordnung. Die Aquarius bleibt im Rettungsgebiet in Einsatzbereitschaft und ist mit weiteren maritimen Behörden in Kontakt, um die Zuweisung eines sicheren Hafens zu erbitten.

Ein Rettungsteammitglied der Aquarius, gechartert von SOS MEDITERRANEE und gemeinsam mit Ärzte ohne Grenzen betrieben, entdeckt das kleine Fiberglasboot Donnerstagmorgen von der Brücke aus. Alle kompetenten maritimen Behörden wurden umgehend über den Seenotfall informiert. Aufgrund des schlechten Zustands des Bootes wurde sofort gehandelt. Im Fiberglasboot war bereits Wasser eingedrungen und hatte sich mit Treibstoff vermischt, was nicht nur zur Instabilität des Bootes führte, sondern auch zu Hautverätzungen.

„Angesichts der Risiken, denen die Menschen an Bord ausgesetzt waren, mussten diese sofort an Bord der Aquarius gebracht werden. Auch, wenn bis zu diesem Zeitpunkt keine der kontaktierten maritimen Behörden die Koordination des Einsatzes übernommen hatte,“ sagte Nick Romaniuk, SOS MEDITERRANEEs Einsatzleiter an Bord der Aquarius. Nach der Rettung wurde die Aquarius von der italienischen Seenotleitstelle darüber informiert, dass die libysche Seenotleitstelle zuständig sei.

Diese meldete sich erst zwei Stunden nach der Rettung und nannte der Aquarius einen Treffpunkt, an dem die Geretteten an ein libysches Patrouillenboot übergeben werden sollten. Unter Berufung auf internationales Seerecht, die für Gerettete einen sicheren Ort vorsieht, hat die Aquarius diese Möglichkeit abgelehnt und an die libyschen Behörden kommuniziert.

Libysche Häfen können nicht als sicherer Ort eingestuft werden. Mehrere Studien (:: Amnesty International, :: Ärzte ohne Grenzen) haben diese Bewertung, die auch :: Gerettete ohne Ausnahme bezeugen, in letzter Zeit einmal mehr untermauert. Auch die elf Geretteten, die mehrheitlich aus Pakistan stammen, waren in Libyen mehrmonatiger Zwangsarbeit ausgesetzt.

Auch die italienische und die maltesische Seenotleitstelle wurden kontaktiert. Diese verneinten jedoch ihre Zuständigkeit für die Zuweisung eines sicheren Ortes zu einem späteren Zeitpunkt verneinten.

„Während sich die europäischen Regierungschefs zu einem außerordentlichen Gipfel in Salzburg trafen, ohne eine gemeinsame Antwort auf die humanitäre Krise im Mittelmeer zu finden, ist die Aquarius erneut mit dieser Uneinigkeit der EU Politik konfrontiert“, sagte Fréderic Penard, Director of Operations von SOS MEDITERRANEE. „Unsere Mission ist es Menschen zu retten, zu beschützen und zu bezeugen. Auch diese elf Menschen werden wir beschützen, bis ein sicherer Ort von einer kompetenten maritimen Behörde bestimmt wurde,“ ergänzt er.

Die genaue Chronologie der Ereignisse und rechtliche Referenzen sind unter onboard-aquarius.org nachzulesen.

:: SOS Mediterranée (22. Sep 2018)



Die Aquarius bei einer Rettunsmission am 23. September 2018.
(Foto: Maud Veith, SOS Mediteranee)



Boot aus Libyen rief bei Alarm Phone an - von SOS Mediterranée gerettet (23. September 2018)


In der vergangenen Nacht wurde das Alarm Phone von einem Boot in Seenot angerufen. Es kam aus Libyen mit 47 Leuten an Bord, viele davon aus Libyen, sowie aus Syrien, Algerien, Südsudan, Marokko und Palestina. Die Aquarius wurde alarmiert und das Rettungsschiff von SOS Mediterranée konnte die Leute retten. Derzeit befindet sich die Aquarius auf dem Weg Richtung Norden, um einen Ausschiffungshafen zu finden.

:: Watch The Med – Alarmphone @ Facebook (23. Sep 2018)


Italien setzt Panama unter Druck, der Aquarius die Flagge zu entziehen (23. September 2018)

Pressemitteilung - Marseille, Palermo, Genf, Berlin.

SOS MEDITERRANEE und Ärzte ohne Grenzen sind von der Ankündigung der Panamaischen Schifffahrtsbehörde (PMA) erschüttert, der Aquarius, unter offenkundigem wirtschaftlichem und politischem Druck der italienischen Regierung, die Registrierung zu entziehen. Diese Ankündigung verurteilt hunderte Männer, Frauen und Kinder zu Tode, die verzweifelt nach Sicherheit suchen, und stellt für die lebensrettende Seenothilfe der Aquarius einen schweren Rückschlag dar. Die Aquarius ist das einzige verbliebene nichtstaatliche Rettungsschiff im zentralen Mittelmeer. Beide Organisationen fordern die europäischen Regierungen auf, der Aquarius zu erlauben, den Einsatz fortzusetzen. Sie müssen entweder den panamaischen Behörden versichern, dass die Drohungen der italienischen Regierung unbegründet sind, oder der Aquarius sofort eine neue Flagge ermöglichen, unter der das Schiff fahren kann.

Am Samstag, den 22. September, war das Aquarius-Team schockiert, als es von der offiziellen Mitteilung an den Eigner des Schiffes, Jasmund Shipping, erfuhr. Die italienischen Behörden hätten die Panamaische Schifffahrtsbehörde (PMA) darin dringend aufgefordert, „Sofortmaßnahmen“ gegen die Aquarius zu ergreifen. In der Mitteilung hieß es: „Leider ist es notwendig, (die Aquarius) aus unserer Registrierung auszuschließen, weil es ein politisches Problem für die panamaische Regierung und die panamaische Flotte darstellt, wenn diese in europäischen Häfen einläuft.“ Diese Nachricht kam trotz der Tatsache, dass die Aquarius alle maritimen Standards und strengen technischen Spezifikationen erfüllt, die der Flaggenstaat Panama fordert.

SOS MEDITERRANEE und Ärzte ohne Grenzen verurteilen die Aktionen als weiteren Beweis dafür, in welchem Ausmaß die italienische Regierung bereit ist, dafür zu sorgen, dass schutzlose Menschen weiterhin auf See sterben und keine Zeugen anwesend sind, um die Toten zu zählen. „Die europäischen Politiker scheinen keine Skrupel zu haben, zunehmend beleidigende und bösartige Taktiken anzuwenden, die auf Kosten von Menschenleben ihren eigenen politischen Interessen dienen„, sagt Karline Kleijer von Ärzte ohne Grenzen, Leiterin der Nothilfe im Mittelmeer. „In den vergangenen zwei Jahren haben europäische Staats- und Regierungschefs behauptet, dass Menschen nicht auf See sterben dürfen, aber gleichzeitig haben sie gefährliche und schlecht informierte Strategien verfolgt, die die humanitäre Krise im zentralen Mittelmeerraum und in Libyen auf neue Tiefstände gebracht haben. Diese Tragödie muss ein Ende haben. Das ist nur möglich, wenn die EU-Regierungen der Aquarius und anderen Such- und Rettungsschiffen erlauben, weiterhin lebensrettende Hilfe zu leisten und dort Zeugen zu sein, wo es so dringend nötig ist.“

Seit Beginn des Jahres sind mehr als 1.250 Menschen bei dem Versuch ertrunken, das zentrale Mittelmeer zu überqueren. Die Wahrscheinlichkeit, die überfahrt nicht zu überleben, ist dieses Jahr dreimal höher als im Jahr 2015. Die tatsächliche Zahl der Toten liegt wahrscheinlich viel höher, da nicht alle Fälle beobachtet oder aufgezeichnet werden. Das Schiffsunglück Anfang September, bei dem schätzungsweise mehr als 100 Menschen ertranken, macht dies deutlich.

Unterdessen fängt die von der EU unterstützte libysche Küstenwache immer mehr Menschen auf See ab und verwehrt den überlebenden das Recht, an einem sicheren Ort an Land zu gehen, wie es das Internationale See- und Flüchtlingsrecht vorsieht. Stattdessen werden sie in die entsetzlichen Bedingungen libyscher Internierungslager zurückgebracht, von denen einige von den aktuellen, schweren Kämpfen in Tripolis betroffen sind.

„Fünf Jahre nach der Tragödie von Lampedusa, als die europäischen Regierungen ‚Nie wieder‘ sagten und Italien seine erste groß angelegte Such- und Rettungsaktion startete, riskieren die Menschen immer noch ihr Leben, um aus Libyen zu flüchten, während die Todeszahlen im zentralen Mittelmeer explodieren,“ sagt Sophie Beau, Vizepräsidentin von SOS Mediterranee. „Europa kann es sich nicht leisten, auf seine Grundwerte zu verzichten.“

Die Nachrichten der panamaischen Schifffahrtsbehörde trafen auf der Aquarius während einer Such- und Rettungsaktion im zentralen Mittelmeer ein. In den vergangenen drei Tagen halfen die Teams zwei Booten in Seenot und haben im Moment 58 überlebende an Bord. Sie müssen dringend an einem sicheren Ort an Land gehen, in Übereinstimmung mit dem internationalen Seerecht. Während des gesamten Einsatzes und bei allen bisherigen Rettungseinsätzen hat die Aquarius die volle Transparenz bewahrt und ist allen Anweisungen aller maritimen Koordinierungszentren und den internationalen maritimen Konventionen nachgekommen.

:: SOS Mediterranée (23. Sep 2018)



Zentrales Mittelmeer, 23. September 2018: Die Ankündigung Panamas, dem einzigen verbliebenen nichtstaatlichen Such- & Rettungsschiff im zentralen Mittelmeer - der Aquarius - die Lizenz zu entziehen, bedroht das Leben hunderter Männer, Frauen & Kinder. (Foto: Maud Veith, SOS Mediterranée)


„Der europäische Grenzgeheimdienst“ (23. September 2018)


Mit EUROSUR verfügt die EU-Kommission über ein mächtiges Grenzüberwachungssystem. Es führt Aufklärungsdaten von Flugzeugen, Drohnen und bald auch Fesselballons zusammen. Aufgrund der Bilder entscheidet ein Frontex-Referat dann über weitere Maßnahmen im „Grenzvorbereich“.

Die EU-Grenzagentur Frontex nimmt eine Reihe neuer Überwachungsmethoden im Mittelmeer in Betrieb. Das schreibt der EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos in :: Antworten auf :: mehrere :: Anfragen der Linken-Abgeordneten Sabine Lösing. Die Fähigkeiten gehören zum :: Grenzüberwachungssystem EUROSUR, das die Europäische Union vor fünf Jahren gestartet hat. Es vernetzt die Zentrale von Frontex in Warschau mit den Grenzbehörden der 28 Mitgliedstaaten. über deren nationale Koordinierungszentren wird Frontex über alle wichtigen Vorkommnisse an den Außengrenzen der Europäischen Union unterrichtet. (...)

Die neuen Fähigkeiten erweitern die Überwachung des Mittelmeers beträchtlich. Auch Frontex rechnet mit deutlich mehr Lageinformationen über Boote von Geflüchteten. Gemäß der :: EUROSUR-Verordnung darf Frontex diese Informationen nicht direkt mit Drittstaaten teilen. Die :: Seeaußengrenzenverordnung schreibt hingegen fest, dass über einen Seenotrettungsfall umgehend die zuständige Leitstelle informiert werden muss.

Mit Unterstützung der Europäischen Union hat Libyen eine Seenotrettungszone :: für die internationalen Gewässer benannt, bis 2020 will Italien eine einsatzbereite Seenotrettungsleitstelle in Tripolis :: einrichten. Perspektivisch soll Libyen sogar als erster Drittstaat :: an EUROSUR angeschlossen werden.

Im jüngsten :: Jahresbericht zur Umsetzung der Seeaußengrenzverordnung bittet Frontex deshalb um grünes Licht, die Koordinaten von Flüchtlingsbooten zukünftig an die libysche Küstenwache zu übermitteln. Die Agentur beruft sich dabei auf das Internationale übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (:: SOLAS-übereinkommen), wonach Kapitäne zu einer solchen Mitteilung verpflichtet seien. Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages :: weisen jedoch darauf hin, dass Kriegsschiffe und Staatsschiffe hiervon ausgenommen sind. Diese Einschätzung wird demnach von einem Referatsleiter im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur geteilt. Frontex-Missionen könnten sich auf diese Ausnahme berufen, „um zu verhindern, dass sensible Informationen ‚unsicheren‘ Empfängern zugänglich werden“. Die libysche Küstenwache gehört zweifellos dazu.

:: netzpolitik.org (23. Sep 2018)


Algerien – Spanien: Hunderte Harragas in wenigen Tagen (24. September 2018)


Seit einigen Wochen herrscht bei der Harragas-Abfahrt aus dem Westen Algeriens Richtung Spanien Hochbetrieb. Die Lokalzeitungen berichten allein in den letzten fünf Tagen von ca. 100 Harragas, die von algerischer oder spanischer Seite aufgebracht wurden. Schätzungen über die Zahl erfolgreicher Passagen von Algerien nach Spanien in den letzten Wochen gibt es nicht. Ähnlich wie in Marokko und in Tunesien wächst eine offen gezeigte Harraga-Bereitschaft in unterschiedlichen sozialen Schichten.

Die EU erhöht den Druck auf die algerische Regierung, die Migrationskontrollen auszuweiten. Dem diente der Besuch von Kanzlerin Merkel in Algier am 17. September. Die algerische Regierung hatte es bei dem Treffen aber nicht einmal zugelassen, dass über EU-Internierungslager in Algerien – oder in Nachbarländern – gesprochen wurde. In Algerien wächst die Verärgerung über die wachsend restriktive Ausgabe von Schengen-Visa. Hinzu kommen neue Verstimmungen mit der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich.

:: FFM-ONLINE :: Le Quotidien d’Oran (24. Sep 2018)

West-Algerien: 312 Harragas in einem Monat abgefangen - Innerhalb eines Monats hat die algerische Küstenwache im Westen des Landes insgesamt 312 Harragas abgefangen, darunter elf Frauen und 27 Minderjährige. 77 von ihnen wurden gerettet, nachdem ihre Boote bei der Überfahrt auseinandergebrochen waren.

:: FFM-ONLINE :: Le Quotidien d’Oran (24. Sep 2018)


Auf Druck Italiens entzieht Panama der Aquarius die Registrierung - Europa muss handeln (24. Sep 2018)


Mittelmeer/Berlin. Ärzte ohne Grenzen und SOS Mediterranee sind von der Ankündigung der Panamaischen Schifffahrtsbehörde (PMA) erschüttert, der Aquarius die Registrierung zu entziehen, unter offenkundigem wirtschaftlichem und politischem Druck der italienischen Regierung. Diese Ankündigung verurteilt Hunderte Männer, Frauen und Kinder zu Tode, die verzweifelt nach Sicherheit suchen, und stellt für die lebensrettende Seenothilfe der Aquarius einen schweren Rückschlag dar. Die Aquarius ist das einzige verbliebene nichtstaatliche Such- und Rettungsschiff im zentralen Mittelmeer. Beide Organisationen fordern die europäischen Regierungen auf, der Aquarius zu erlauben, den Einsatz fortzusetzen. Sie müssen entweder den panamaischen Behörden versichern, dass die Drohungen der italienischen Regierung unbegründet sind, oder der Aquarius sofort eine neue Flagge zu ermöglichen, unter der das Schiff fahren kann.

Am Samstag, den 22. September, war das Aquarius-Team schockiert, als es von der offiziellen Mitteilung an den Eigner des Schiffes, Jasmund Shipping, erfuhr. Die italienischen Behörden hätten die Panamaische Schifffahrtsbehörde (PMA) darin dringend auf, "Sofortmaßnahmen" gegen die Aquarius zu ergreifen. In der Mitteilung hieß es: „Leider ist es notwendig, (die Aquarius) aus unserer Registrierung auszuschließen, weil dies ein politisches Problem für die panamaische Regierung und die panamaische Flotte darstellt, wenn diese in europäischen Häfen einläuft." Diese Nachricht kam trotz der Tatsache, dass die Aquarius alle maritimen Standards und strengen technischen Spezifikationen erfüllt, die der Flaggenstaat Panama fordert.

SOS Mediterranee und Ärzte ohne Grenzen verurteilen die Aktionen als weiteren Beweis dafür, zu welchem Ausmaß die italienische Regierung bereit ist, dafür zu sorgen, dass schutzlose Menschen weiterhin auf See sterben, und keine Zeugen anwesend sind, um die Toten zu zählen. „Die europäischen Politiker scheinen keine Skrupel zu haben, zunehmend beleidigende und bösartige Taktiken anzuwenden, die auf Kosten von Menschenleben ihren eigenen politischen Interessen dienen", sagt Karline Kleijer von Ärzte ohne Grenzen, Leiterin der Nothilfe im Mittelmeer. „In den vergangenen zwei Jahren haben europäische Staats- und Regierungschefs behauptet, dass Menschen nicht auf See sterben dürfen, aber gleichzeitig haben sie gefährliche und schlecht informierte Strategien verfolgt, die die humanitäre Krise im zentralen Mittelmeerraum und in Libyen auf neue Tiefstände gebracht haben. Diese Tragödie muss ein Ende haben. Das ist nur möglich, wenn die EU-Regierungen der Aquarius und anderen Such- und Rettungsschiffen erlauben, weiterhin lebensrettende Hilfe zu leisten und dort Zeugen zu sein, wo es so dringend nötig ist."

Menschen riskieren noch immer ihr Leben um aus Libyen zu fliehen

Seit Beginn des Jahres sind mehr als 1.250 Menschen bei dem Versuch ertrunken, das zentrale Mittelmeer zu überqueren. Diejenigen, die die überfahrt versuchen, ertrinken dreimal häufiger als diejenigen, die im Jahr 2015 dieselbe Reise unternommen haben. Die tatsächliche Zahl der Toten liegt wahrscheinlich viel höher, da nicht alle Fälle beobachtet oder aufgezeichnet werden. Das Schiffsunglück Anfang September, bei dem schätzungsweise mehr als 100 Menschen ertranken, machte dies deutlich.

Unterdessen fängt die von der EU unterstützte libysche Küstenwache immer mehr Menschen auf See ab und verwehrt den überlebenden das Recht, an einem sicheren Ort auszusteigen, wie es das Internationale See- und Flüchtlingsrecht vorsieht. Stattdessen werden sie in entsetzliche Bedingungen in libysche Internierungslager zurückgebracht, von denen einige von den aktuellen, schweren Kämpfen in Tripolis betroffen sind.

„Fünf Jahre nach der Tragödie von Lampedusa, als die europäischen Regierungen ‚Nie wieder‘ sagten und Italien seine erste groß angelegte Such- und Rettungsaktion startete, riskieren die Menschen immer noch ihr Leben, um aus Libyen zu flüchten, während die Todeszahlen im zentralen Mittelmeer explodieren", sagt Sophie Beau, Vizepräsidentin von SOS Mediterranee. „Europa kann es sich nicht leisten, auf seine Grundwerte zu verzichten."

58 Gerettete an Bord

Die Nachrichten der panamaischen Schifffahrtsbehörde trafen auf der Aquarius während einer Such- und Rettungsaktion im zentralen Mittelmeer ein. In den vergangenen drei Tagen halfen die Teams zwei Booten in Seenot und haben im Moment 58 überlebende an Bord, von denen einige von ihren Erfahrungen auf See und in Libyen sehr erschöpft sind. Sie müssen dringend an einem sicheren Ort an Land gehen, in Übereinstimmung mit dem internationalen Seerecht. Während des gesamten Einsatzes und bei allen bisherigen Rettungseinsätzen hat die Aquarius die volle Transparenz bewahrt und ist allen Anweisungen aller maritimen Koordinierungszentren und den internationalen maritimen Konventionen nachgekommen.

:: Ärzte ohne Grenzen (24. Sep 2018)


Weitere Versuche, die Aquarius loszuwerden. UN darf nicht mehr bei Ankünften in Libyen dabei sein (24. September 2018)


Am 22.September hat die Aquarius, das humanitäre Rettungsschiff, dass von SOS Méditerranée und MSF betrieben wird, von den panamaischen Behörden erfahren, dass ihr erneut die Fahne entzogen wird. Zuvor hatte auch Gibraltar, unter dessen Fahne das Schiff seit Jahren fuhr, einen Rückzieher gemacht.

:: SOS Méditerranée und MSF schreiben in einer Presseerklärung vom 23.09.2018, dass der Entzug der Flagge politische Gründe habe. So habe der Besitzer des Schiffes folgende Erläuterungen aus Panama erhalten: Es sei „leider unumgänglich, dass [die Aquarius] aus unserem Register ausgetragen wird, da ihr Verbleiben ein politisches Problem für die Regierung und für die panamaische Flotte, die sich in europäische Hafen begibt, darstellen würde.“ Die Aquarius hatte :: in der Nacht zum 23.9. 47 Menschen nach aus Seenot gerettet, nachdem sie vom :: Alarm Phone über den Notfall erfahren hatten. :: Salvini bestritt, etwas mit dem Flaggenentzug zu tun zu haben, er kenne ja nicht einmal die Vorwahl Panamas, ließ er über Twitter verlauten. :: Es sei doch klar, dass niemand dieses Schiff unter Flagge haben wolle, dass Beihilfe zur illegalen Einreise leiste und die Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache verweigere. Laut :: Missing Migrants (IOM) ist die Zahl der bestätigten Toten im Mittelmeer seit Jahresbeginn indes auf 1260 gestiegen und weitere Tote sind zu befürchten, da kein Schiff mehr retten und einen italienischen (oder anderen) Hafen anlaufen darf. Derweil lassen die Nachrichten aus Libyen Schlimmes befürchten. So berichtete die Huffington Post, dass Premierminister al-Serraj seine Teilnahme an der UN-Generalversammlung aus Sicherheitsgründen absagen musste: Wenn er seinen Bunker verlasse und versuche, den Flughafen zu erreichen, riskiere er sein Leben. Gefangener in Tripolis. Auch der italienische Außenminister Enzo Moavero Milanesi äußerte sich in Rom gestern zu den Vorfällen in Libyen: „Der Waffenstillstand in Libyen wird durch die anhaltende Rückkehr von Zusammenstößen mit den Opfern untergraben. Das Hauptinteresse gilt der Stabilisierung Libyens", und in diesem Sinne "sprechen wir mit der von der internationalen Gemeinschaft anerkannten Regierung, aber wir müssen auch mit anderen sprechen". Und der erste der "Anderen" ist der starke Mann der Cyrenaica: General Khalifa Haftar. "Man könne auch einen Krieg gewinnen, so Milanesi bezugnehmend auf die Absetzung Gaddafis, „aber wenn man keine klare politische Strategie, keine gemeinsame Vision der Zukunft hat, ist das Risiko Chaos und eine Situation der Instabilität, die Europa und Italien Sorgen bereiten muss....". Zudem wird der UN seit letzter Woche der :: Zugang zu den offiziellen 18 Haftzentren für Migrant*innen verweigert (in die vielen inoffiziellen lager durften sie eh nicht). Auch bei den Ankünften dürfen sie nicht mehr in den Häfen zugegen sein. Es besteht also keinerlei Kontrolle mehr über die Situation der Menschen. Das ist also das Land, in das die Geflüchteten zurückgebracht werden sollen.

Auf einem :: Kongress von Rechtsphilosoph*innen und –soziolog*innen in Bergamo beschlossen diese auf den Fall der Diciotti (siehe vorherige Salvini-Updates) zu reagieren. Die Italienische Gesellschaft für Rechtsphilosophie protestiert mit einem Appell an Premierminister Conte und den Präsidenten der Republik Mattarella gegen die Rechtsverletzungen und möchte damit "Unzufriedenheit und Besorgnis über die Verwaltung von Migrant*innen und Asylbewerber*innen durch die Regierung zum Ausdruck bringen, die mit dem Militärschiff Diciotti nach Catania gekommen sind und dieses erst nach neun Tagen verlassen durften". So hießt es in dem Appell: "Die zahlreichen und schwerwiegenden Verstöße gegen das Völkerrecht, gegen die Garantien des italienischen Strafrechts, gegen die Verfassung und gegen das humanitäre Recht, die durch den vermeintlichen Willen der Mehrheit der Italiener*innen gerechtfertigt sind, untergraben die Rechtsstaatlichkeit und stehen im Widerspruch zu der grundlegenden kantischen Maxime, dass der Mensch immer als Zweck und nie einfach als Mittel behandelt werden muss". Salavini habe geäußert, im Namen aller Italiener*innen gehandelt zu haben. Vielleicht, so die Präsidentin der Gesellschaft, Clara Faralli, im Namen von vielen, doch ganz sicher nicht im Namen der Rechtsphilosoph*innen.

Positive Nachricht des Wochenendes ist die Freilassung der sechs tunesischen Fischer, die seit Ende August in Agrigento (Sizilien) wegen der Rettung von 14 Migrant*innen aus einem nicht mehr fahrtüchtigen Boot im Gefängnis saßen. Zum Fall lesen Sie bitte hier.

Am heutigen Montag hat der italienische Ministerrat dem neuen Gesetzesentwurf Salvinis zur Migration zugestimmt. Nun liegt es am Staatspräsidenten, diesen abzuzeichnen oder nicht. Dieses neue Gesetz verschärft die Aufenthaltsbedingungen im Namen der angeblichen Sicherheit (GeflüchteteR = Sicherheitsproblem) massiv. Wir werden darüber in unserem nächsten Italiennewsletter berichten.

Aus dem :: Tagebuch der Geschehnisse im zentralen Mittelmeer von borderline-europe.


Italien: Salvinis Dekret der Asylrechtsverschärfungen (24. September 2018)


Am 24. September 2018 winkte der Ministerrat den neuen Gesetzesentwurf zu „Sicherheit und Migration“ von Innenminister Matteo Salvini durch. Er enthält repressive Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit und schränkt die Asyl- und Migrationsrechte enorm ein.

überblick von borderline-europe :: auf no-racism.net lesen


Marokkanisches Kriegsschiff schießt auf Harragas – mindestens eine Tote (25. September 2018)


Am Nachmittag des 25.09.2018 haben in der Meerenge von Gibraltar Soldaten eines großen marokkanischen Kriegsschiffs mit Schnellfeuergewehren auf ein Boot mit marokkanischen Harragas geschossen. Am Abend starb eine der Verletzten. Eine schwerverletzte Person wurde in der Nacht zur Operation nach Rabat geflogen. Andere Verletzte liegen derzeit im Krankenhaus von M’diq. Bei den Harragas soll es sich um Marokkaner*innen gehandelt haben; das Schnellboot fuhr ein Spanier. Seit mehreren Wochen verbreiten sich in Marokko selbstgedrehte Videos erfolgreicher Harragas, die den Kontrollen auf dem Meer und an der spanischen Küste erfolgreich ausgewichen sind. FFM-Online berichtete. Gestern und vorgestern sollen sich an den Stränden bei Tanger und Tetouan viele Menschen versammelt haben, die auf günstige Passage-Gelegenheiten warteten. Am 24.09. hatte ein marokkanisches Kriegsschiff, begleitet von Schnellbooten der Gendarmerie, ein Boot in die Flucht geschlagen, das abfahrbereite Marokkaner*innen an einem Strand aufnehmen wollte.

:: FFM-ONLINE :: France 24 (25. Sep 2018)


„Flüchtlinge dürfen in Malta an Land“ (25. September 2018)


Nachdem SOS Méditerranée zuvor Frankreich um Erlaubnis gebeten hatte, die Flüchtlinge dort an Land bringen zu können, darf die Aquarius nun in den Hafen von Valletta, Malta einlaufen. Voraussetzung war, dass Portugal, Spanien und Frankreich der Umverteilung der 58 Migrant*innen zugestimmt haben, die nun dort an Land gehen.

:: FFM-ONLINE :: Zeit Online (25. Sep 2018)


Aquarius: EU-Aufteilung der Geretteten über Malta (25. September 2018)


Nach den ersten Absagen der Aufnahme der 58 geretteten Boat-people der Aquarius 2 (SOS Méditerranée / MSF) in jedwedes EU-Land und dem Entzug der Panama-Flagge auf Druck der italienischen Regierung hatte sich das Rettungsschiff nach Norden Richtung Marseille auf den Weg gemacht. Allerdings führten mehrfache SOS-Fälle das Schiff zurück in die von Libyen beanspruchte SAR-Zone. Da weder die sogenannte libysche Küstenwache noch die italienische Seenotrettungsstelle IMRCC die nötigen Informationen besorgten oder gar die anstehenden Rettungen koordinierten, musste die Aquarius die Meeresgegend wieder verlassen. Nachdem Portugal die Aufnahme eines Teils der Geretteten zugesagt hat, haben weitere EU-Staaten ebenfalls Aufnahmen angekündigt. Malta wird die Geretteten in internationalen Gewässern für den Weitertransport übernehmen.

:: FFM-ONLINE :: Huffington Post (25. Sep 2018)


Ad hoc Lösung für 58 Geflüchtete an Bord der Aquarius – wegen schlechten Wetters verzögert sich jedoch die Übergabe an ein maltesisches Schiff (26. September 2018)


1. Wir begrüßen die Entscheidung Maltas und Frankreichs für eine koordinierte europäische ad-hoc Lösung für die 58 überlebenden. Die 58 überlebenden der zwei Rettungseinsätze, die sich gerade an Bord der Aquarius befinden, werden in internationalen Gewässern an ein maltesisches Schiff übergeben werden. Entsprechend der Informationen, die von der maltesischen Regierung veröffentlicht wurden, werden die überlebenden in Malta an Land gehen und auf vier Länder der Europäischen Union verteilt werden. Wir haben keine Informationen darüber, in welche Länder die Menschen kommen werden.

2. Die 58 überlebenden werden an einem sicheren Ort an Land gehen, wo ihr Recht auf Schutz gewährleistet ist. Unter den 58 überlebenden sind viele libysche Familien. Außerdem unbegleitete Minderjährige aus Pakistan, Kinder, eine schwangere Frau. Alle sind vor der Gewalt und den Zusammenstößen in Libyen geflüchtet. Es gibt keine medizinischen Notfälle, doch das internationale Recht ist hier sehr klar: Menschen, die auf See gerettet wurden, müssen schnellstmöglich an einem sicheren Ort an Land gehen können. Die Übergabe an ein maltesisches Schiff erlaubt das und kann in diesem dramatischen Kontext als die „beste Lösung“ angesehen werden.

3. Diese „Ad-hoc Antwort“ zeigt, dass eine koordinierte, europäische Antwort möglich sein kann: Wir wiederholen unsere Forderung nach einem nachhaltigen und vorausschauenden europäischen Mechanismus für die Rettungen auf See und die Anlandung von Geretteten an einem sicheren Hafen.

4. Nachdem die Menschen auf ein maltesisches Schiff übergeben werden konnten, wird es der Aquarius möglich sein, den Kurs Richtung Marseille fortzusetzen. Wir haben keine Neuigkeiten in Bezug auf die Flaggenfrage seit die panamaischen maritimen Behörden den Schiffseigner kontaktierten haben. Wir haben keine spezifischen Anfragen an einzelne Staaten gestellt, begrüßen jedoch jede konkrete und ernsthafte Lösung, die es der Aquarius ermöglicht den lebensrettenden Einsatz im Mittelmeer fortzusetzen.

5. Wir werden unseren Einsatz fortsetzen solange Menschen ihr Leben auf See riskieren und keine ausreichenden Rettungskapazitäten vorhanden sind, um sie zu retten.

:: SOS Mediterranée (26. Sep 2018)




Libyen: 116 Boat-people vor Zuwara abgefangen (26. September 2018)


:: FFM-ONLINE :: The Libya Observer (26. Sep 2018)


Algerien: Verwandte verschwundener Harragas schließen sich zusammen (26. September 2018)


Verwandte von 15 Harragas, die vor einem Jahr östlich von Algier aufgebrochen sind, haben sich auf der Suche nach ihrer Angehörigen zusammengeschlossen. Sie haben 48 Stunden nach Abfahrt der Harragas noch Anrufe von ihnen erhalten, ohne aber mit ihnen sprechen zu können. Algerische Behörden weigern sich, die Telefondaten auszuwerten. Unterschiedliche Annahmen zum Verschwinden kursieren.

:: FFM-ONLINE :: El Watan (26. Sep 2018)


Warum hat das marokkanische Kriegsschiff nicht auf den Spanier geschossen? (26. September 2018)


Am 25.09.2018 hat ein großes marokkanisches Kriegsschiff in der Meerenge von Gibraltar mit einem oder mehreren Schnellfeuergewehren auf ein Flüchtlingsboot geschossen, auf dem sich 25 Marokkaner*innen aus der Region Tanger-Tetouan befanden, neben dem spanischen Steuermann. In der offiziellen marokkanischen Erklärung der Marine habe man auf den Steuermann gezielt. Tödlich getroffen wurde hingegen die marokkanische Universitätsstudentin Hayat B. Weitere Schüsse verletzten einen Passagier so schwer, dass sein Arm amputiert werden musste, sowie zwei andere Passagiere. Warum, so fragt Omar Naji von der Menschenrechtsorganisation AMDH Nador, wurde nicht der spanische Steuermann von den Schüssen getroffen, obwohl er am besten sichtbar gewesen ist? Abgeschreckt werden sollten die Marokkaner*innen, die derzeit auf eine überfahrt nach Spanien warten. Die Spanier, die offensichtlich mit Schnellbooten wie diesem Flüchtlingsboot den Drogenhandel in der Meerenge von Gibraltar betreiben, sind nicht das Ziel der Abschreckung. Gegen die überlebenden wird wegen ungenehmigter Ausreise ermittelt; sie werden im Krankenhaus von M’diq Fnideq und in umliegenden Kommissariaten hochsicherheitsmässig abgeschirmt. Kontaktaufnahmen und Gespräche seien nicht möglich, berichten NGO-Mitarbeiter*innen.

:: FFM-ONLINE :: Yabiladi (26. Sep 2018)


Hayat Belkacem, auf Flucht übers Meer von marokkanischen Soldaten erschossen (26. September 2018)


Am 25. September haben Marines eines großen marokkanischen Kriegsschiffs in der Meerenge von Gibraltar anscheinend mit Schnellfeuergewehren auf ein Flüchtlingsboot geschossen. Hayat Belkacem, 22-jährige Jura-Studentin aus Tétuan, starb unter den Schüssen. Einem anderen Bootsflüchtling musste nach Schussverletzungen der Arm amputiert werden, zwei Weitere sind verletzt.

Hayat Belkacem kommt aus einer sehr armen Familie aus Tétouan. Ihre Mutter arbeitet in der Fischverarbeitung, ihr Vater ist arbeitslos, sie hat Geschwister. Angesichts der wachsenden Armutsprobleme ihrer Familie hat sie sich auf den Weg zu ihrer Tante in Europa gemacht, um Geld zu verdienen und ihren Verwandten zu helfen. Heute zirkulieren zahlreiche Youtoube Videos, sie dokumentieren die Lage ihrer Familie und das Leben von Hayat Belkacem. Die Menschenrechtsorganisation AMDH Nador sagt: „Die Rolle Marokkos als Gendarm [Europas] hat unerträgliche Ausmaße angenommen: Junge Leute umzubringen, die die Armut verlassen wollen.“

Die EU hatte vor wenigen Tagen den marokkanischen Staat mit weiteren Geldspritzen für die Emigrationsbekämpfung unterstützt. Hayat Belkacem ist die dritte Tote, die der kriminalisierten Ausreise aus Marokko in diesen Wochen zum Opfer fällt. Zwei Geflüchtete im Transit haben marokkanische Paramilitärs nach einer Razzia in Nordmarokko auf der Abschiebung nach Südmarokko umgebracht.

:: FFM-ONLINE :: eldiario.es (26. Sep 2018)


Malta verlangt von Sea-Eye Ende der Rettungseinsätze (26. September 2018)


Das Sea-Eye Schiff Seefuchs, das seit drei Monaten in Malta festgehalten wird, dar den Hafen von Valetta nur verlassen, wenn die NGO vorher eine Erklärung abgibt, dass sich die Organisation nicht mehr an Rettungsmissionen in der SAR beteiligt.

:: FFM-ONLINE :: Zeit Online (26. Sep 2018)


Flüchtlinge in Libyen: Retter*innen und Beobachter*innen unerwünscht (27. September 2018)


Nachdem dem Rettungsschiff „Aquarius 2“ – offenbar auf Druck der italienischen Regierung – die Zulassung entzogen wurde, ist kein privates Rettungsschiff mehr im zentralen Mittelmeer aktiv. Es gibt auch keine unabhängigen Stellen mehr, die die Situation vor der Küste Libyens beobachten könnten. Währenddessen eskaliert der Bürger*innenkrieg an Land: Verfeindete Milizen liefern sich Straßenschlachten in Tripolis. Die UN warnen, dass sich die Situation für Flüchtlinge dort dramatisch verschärft.

:: FFM-ONLINE :: ARD Monitor (27. Sep 2018)



Seebrücke Nürnberg


SPD-Delegation besucht Sea-Watch 3 (28. September 2018)


Am 26. und 27.09. besuchte eine SPD Delegation die Sea-Watch 3, um sich ein eigenes Bild von der Lage auf Malta zu machen. Dort wird das Schiff seit Juli ohne rechtliche Begründung festgehalten, während das Aufklärungsflugzeug Moonbird bereits seit Ende Mai keine Rettungsflüge mehr machen darf.

Das politische Machtspiel, das dafür verantwortlich ist, wurde für dieÖffentlichkeit spätestens am Mittwoch augenfällig: Die maltesische Regierung teilte der NGO Sea-Eye mit, ihr Schiff dürfe nur wieder auslaufen, wenn die Organisation eine offizielle Erklärung abgäbe, nie wieder Seenotrettung zu betreiben.
„Wir sind schockiert über die aktuelle Situation. Das Festhalten der Sea-Watch 3 auf Malta ist ganz klar rechtswidrig. Die EU darf nicht einfach akzeptieren, dass Menschen auf dem Mittelmeer sterben. Sie muss sofort handeln und sich zu unseren europäischen Werten bekennen. Als Sozialdemokraten im Europäischen Parlament hat die S&D Group deshalb die Seenotrettungsorganisationen für den Sacharow-Preis vorgeschlagen. Diese symbolische Unterstützung zeigt, dass Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten aus verschiedenen Ländern hinter den Seenotretter*innen stehen„, sagte Dr. Dietmar Köster, Mitglied des LIBE-Ausschuss im Europäischen Parlament.

„Ich hoffe, dass unser Besuch dazu beiträgt, dass Europa aufwacht. Die Sozialdemokratie muss ihren sozialdemokratischen Werten gerecht werden, das wird gerade bei der Seenotrettung offensichtlich. Zu einem Europa der Solidarität gehört auch eine menschenrechtskonforme Migrationspolitik.“ sagt Sozialdemokratin Hilde Mattheis, Mitglied des Bundestages.

„Während ein Land im Ausnahmezustand und im Bürgerkrieg weiterhin dafür bezahlt wird, dass es mit der sogenannten Libyschen Küstenwache die Menschen davon abhält zu fliehen, eröffnet die marokkanische Küstenwache das Feuer auf ein Flüchtlingsboot und tötet eine Frau. Was sind das für Zustände, die auch die deutsche Regierung unkommentiert hinnimmt?”, sagt Johannes Bayer, Vorstandsmitglied von Sea-Watch. “Wir laden auch weiterhin interessierte Politiker*innen ein, mit uns in Austausch zu treten und sich vor Ort über die Situation zu informieren. Eine nächste Delegation ist bereits für Ende Oktober geplant. Wir wollen Leben retten. Und Politiker*innen sollten uns dabei unterstützen.”

:: Sea-Watch.org (28. Sep 2018)



Foto :: sea-eye.org

Umkämpftes Mittelmeer - Die Kriminalisierung privater Seenotrettung (28. September 2018)


Private Rettungsorganisationen werden an die Kette gelegt. Mitten im Krimi um das Schiff "Aquarius" startet Frontex die überwachung mit Drohnen und will die Koordinaten von Flüchtlingsbooten an Libyen übergeben.

Die libysche Küstenwache wird zum Türsteher der Europäischen Union aufgebaut. Bald soll die Truppe Aufklärungsdaten von Frontex erhalten, um Boote mit Geflüchteten möglichst noch in Küstengewässern zu stoppen. Die Informationen könnten von Langstreckendrohnen stammen, mit denen die Grenzagentur seit Ende September im Rahmen eines Pilotprojekts zur Nutzung von militärischen Drohnen das Mittelmeer überwacht. (Mehr zum Ausbau der überwachung im original Artikel auf :: Telepolis)

Neben dem massiven Ausbau der überwachung durch Frontex und die Marinen der EU-Staaten wird vor allem in den Aufbau der "libyschen Küstenwache" investiert. So bezahlt die Europäische Kommission Leitstellen zur Seenotrettung in Libyen. Vom italienischen Innenministerium werden für 46 Millionen Euro - Geld von der Europäischen Kommission - zwei Lagezentren für Sicherheitsbehörden in Tripolis eingerichtet. Die Boote und Schiffe der libyschen Küstenwache wurden von Italien und der EU zur Verfügung gestellt bzw. finanziert. Und mit eben diesen Booten macht die "libysche Seenotrettung" genau das, was europäischen Organisationen bzw. Küstenwachen ebenso wie bspw. Handelsschiffen nach geltendem Recht nicht erlaubt wird: Die Flüchtenden und Migrierenden werden abgefangen und zurück nach Libyen gebracht - und nicht wie vorgeschrieben in einen sicheren Hafen.

Kriminalisierung privater Retter*innen

Während die Kooperation mit Libyen technisch und organisatorisch vorangetrieben wird, legen die EU-Mitgliedstaaten private Seenotretter*innen an die Kette. Seit der Beschlagnahme der "Iuventa" des deutschen Vereins Jugend Rettet e.V. im August 2017 und Ermittlungen gegen Mitglieder der Crew werden alle Nichtregierungsorganisationen, die mit Schiffen und Aufklärungsflugzeugen im Mittelmeer unterwegs sind, juristisch verfolgt.

Am 2. Juli 2018 wurde die "Sea Watch 3" von Sea-Watch e.V. im Hafen von Valletta/ Malta festgesetzt, nachdem die Hafenbehörde zur Untersuchung des niederländischen Flaggenstatus die Ausfahrt verweigert. Eine Registrierung in Staaten wie den Niederlanden ist nötig wegen des restriktiven deutschen Schiffsregisters.

Private Rettungsorganisationen können ihre Schiffe in Deutschland nur als Sportboot oder als kommerzielle Schiffsklasse zulassen, dies gilt beispielsweise für Fähren oder Passagierschiffe. Zuletzt hatte der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages :: bestätigt, dass es in Deutschland keine Möglichkeit zur Registrierung von Seenotrettungsschiffen gibt.

Auch das Schiff "Sea Watch 2", das mittlerweile vom deutschen Verein Mission Lifeline übernommen und in "Lifeline" umbenannt wurde, ist in Valletta/ Malta festgesetzt. Der Kapitän Claus-Peter Reisch hatte sich geweigert, Geflüchtete an die sogenannte libysche Küstenwache zu übergeben. Gegen Reisch wird jetzt in Malta wegen der angeblich fragwürdigen Registrierung des Schiffes in den Niederlanden verhandelt.

Schließlich ist auch der deutsche :: Sea-Eye e.V. von der Kriminalisierung betroffen. Der Verein betrieb unter niederländischer Flagge die "Seefuchs", die ebenfalls in Malta :: am Auslaufen gehindert wird.

Repressalien gelten auch Suchflugzeugen, die von den Organisationen seit letztem Jahr im Mittelmeer genutzt werden. Mit der Schweizer humanitären Piloteninitiative (HPI) betreibt Sea-Watch e.V. die "Moon Bird". Das kleine Aufklärungsflugzeug wurde seit Mai :: mehrfach am Fliegen gehindert, da angeblich die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften überprüft werden musste.

Im Juli entschieden die maltesischen Behörden, dass die "Moon Bird" nur noch starten darf, wenn sie zur Hilfe bei der Seenotrettung von einem Staat angefordert wurde. Eine weitere Organisation, Pilotes Volontaires, betreibt mit Sea-Watch e.V. von Lampedusa aus die "Colibri". Seit dieser Woche hat das Suchflugzeug die Seenotrettungszone jedoch :: für Wartungsarbeiten verlassen.

Entziehung des Flaggenstatus - Absage vom Vatikan

Als letztes privates Schiff ist derzeit die "Aquarius" von SOS Mediterranée im zentralen Mittelmeer unterwegs. Die medizinische Versorgung sowie das medizinische Personal stellt dabei die Organisation Ärzte ohne Grenzen. Nach der Rettung von 58 Menschen von einem Schlauchboot dümpelt die "Aquarius" vor Malta und wartet auf Anweisungen der Behörden, wo die Geretteten von Bord gehen sollen.

Auch SOS Mediterranée hat Ärger mit dem Flaggenstatus ihres Schiffes. Nachdem zunächst Gibraltar die Flagge wegen der Nutzung des Schiffes zur Seenotrettung entzog, wich die Organisation nach Panama aus. Vermutlich auf Druck der Europäischen Union will jetzt auch das mittelamerikanische Land der "Aquarius" :: die Flagge wegnehmen. Dies wäre aber erst möglich, nachdem das Schiff einen Hafen angelaufen hat. Dadurch wird das Warten vor der maltesischen Küste zum :: Krimi.

Das Ende für die private Seenotrettung ist jedenfalls noch nicht besiegelt. Die britische Organisation Refugee Rescue betreibt eine Seenotrettungsmission in Lesbos/ Griechenland. Sie nutzt dafür das Schiff "Mo Chara". Die baskische Organisation :: Maydayterraneo sammelt Spenden für ein Schiff zum Betrieb im zentralen Mittelmeer. Die spanische Organisation :: Proactiva Open Arms, die auf Hoher See vor Libyen mit den Schiffen "Open Arms" und "Astral" kreuzte, will nach der Verfolgung durch die italienische Justiz jetzt in der Straße von Gibraltar aktiv werden.

Womöglich gelingt es auch den mit juristischen Spitzfindigkeiten verfolgten Nichtregierungsorganisationen, einen anderen Staat für die Registrierung ihrer Schiffe zu finden. Ein solches Schiffsregister wird seit 1951 unter anderem beim Vatikan geführt.

Seit dessen Einrichtung sind laut der katholischen Presseagentur keine Schiffe bekannt, die je :: unter vatikanischer Flagge fuhren. Einen Antrag für die "Lifeline" hat der Kirchenstaat jetzt abgelehnt, weil das Schiff "keine tatsächliche Beziehung zum Vatikanstaat" habe. Man wolle aber für die Besatzung beten. (Matthias Monroy, gekürzt und bearbeitet von no-racism.net)

:: Telepolis (28. September 2018), hier bearbeitet von no-racism.net.


Marokko, Tetouan: Unruhen nach Schüssen auf Boat-people (29. September 2018)


Nachdem Soldaten eines großen Kriegsschiffs in der Meerenge von Gibraltar auf ein marokkanisches Flüchtlingsboot geschossen und eine 22-Jährige aus Tetouan tödlich trafen, haben gestern Nachmittag und Abend Jugendliche in Tetouan demonstriert und sind zu Riots übergegangen. Unter ihnen waren Linke und Fußballfans, aus Trauer in Schwarz gekleidet. Sie riefen „Wir rächen dich, Hayat“ und Parolen gegen den marokkanischen Staat. Heute hat die Polizei Demonstranten zum Verhör vorgeladen. Für die kommenden Tage werden Demonstrationen auch in anderen Landesteilen vorausgesagt.

:: FFM-ONLINE (mit Videos) :: Telquel (29. Sep 2018)


Was ist aus der Hightech Überwachung SIVE der spanischen Küste geworden? (30. September 2018)


Eines der teuersten Dispositive der Festung Europa wird bald 20 Jahre alt. Das Sistema Integrado de Vigilancia Exterior besteht aus einer Kette von hochgelegenen Türmen und Radaranlagen entlang der spanischen Südküste und der Küsten der Kanarischen Inseln. Optische und elektronische Signale ermöglichen das Erkennen von Flüchtlingsbooten noch am marokkanischen Strand der Meerenge von Gibraltar und über weite küstennahe Meeresregionen. Angesichts der steigenden Zahl der Mittelmeerpassagen Richtung Spanien wird selten die Frage aufgeworfen, was aus dem SIVE geworden ist. Die Guardia Civil, die SIVE betreibt, gibt an, dass es nicht mehr genug Personal gibt, um die gelieferten Daten in Echtzeit auszuwerten. Angesichts von Bootsflüchtlingen, die nach Ankunft nicht abgeschoben werden können, müsste sich SIVE eigentlich in ein Dispositiv der Seenotrettung verwandeln.

:: FFM-ONLINE :: Las Provincias (30. Sep 2018)
Rückblick :: Flucht in die Festung Europa (01. Jan 2004)


Malta: Boat-people der Aquarius können endlich an Land (30. September 2018)


Vor einer Woche hatte die Aquarius 58 Boat-people gerettet. Wegen des schlechten Wetters musste ihre übergabe auf ein Schiff der maltesischen Küstenwache immer wieder verschoben werden. Nun konnten sie endlich in Valetta an Land gehen. In den nächsten Tagen sollen die Migrant*innen auf Frankreich, Spanien, Portugal und Deutschland verteilt werden.

:: FFM-ONLINE :: La Repubblica (30. Sep 2018) :: Der Standard (30. Sep 2018)


Zehntausende auf We'll Come United Parade in Hamburg (29. September 2018)


In Hamburg beteiligten sich auf einer bundesweit organisierten Demonstration am 29. September um die 30.000 Menschen. Sie demonstrierten gemeinsam gegen Rassismus, für einen bundesweiten Abschiebestopp, sichere Fluchtwege und gleiche Rechte für alle.



"Es kamen 30.000 von überall und für viele war das wie eine kurze Erlösung: Wir sind viele und wir können aufeinander zählen. Es gab ein Truckballett, Schmierstraßen, Funkenmariechen, eine Promenade, Buskonvois, drei Bühnen und unendlich viele Ideen auf Wagen, Schildern, Transparenten und Körpern. Aber viel wichtiger ist: Der Samstag war ein Versprechen und eine Verabredung. Die Gesellschaft der Vielen wird sich schützen und verteidigen. In ihrem Zentrum stehen diejenigen, die auf ihre Familien und auf ihre Rechte warten, diejenigen die ausgeschlossen, entrechtet, ausgebeutet und angegriffen werden. Der Aufstand der Solidarität gegen den Rassismus von AfD, Nazis, Behörden und Europas Regierungen ist ein schöner Aufstand." (:: We'll Come United @ Facebook (30. Sep 2018))



Die Demonstrierenden forderten unter anderem, dass Hamburg zu einem sicheren Hafen für geflüchtete und gerettete Menschen erklärt wird. Des Weiteren zählten ein bundesweiter Abschiebestopp, sichere Fluchtwege sowie das Recht auf Schutz, Migration und Asyl für alle Menschen zu den Forderungen. Deutschland sei ein Einwanderungsland, Migration lasse sich nicht aufhalten. Die zivile Seenotrettung im Mittelmeer dürfe nicht kriminalisiert werden. "Es ist ein Aufstand der Solidarität und ein Tag des Widerstands (...) Das Problem heißt nicht Migration, das Problem heißt Rassismus." (:: borderline-europe)




An der antirassistischen Parade in Hamburg beteiligten sich viele, die sich in den vergangenen drei Monaten u.a. im Rahmen der Seebrücke für Seenotrettung, sichere Häfen und Bewegungsfreiheit einsetzten. Weiterhin gibt es fast täglich Proteste vor allem in Deutschland. Doch in mehreren Ecken Europas fanden bereits Seebrücke-Aktionen statt. Eine übersicht der Proteste Ende September / Anfang Oktober 2018 gibt es hier: