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[ 11. Jul 2007 ]

Vorführung zum Anschein der Rechtmäßigkeit

Erfahrungsbericht zu den Anhörungen einer "dubiosen Delegation" aus Guinea am 29. November 20005 auf der Hamburger AusländerInnenbehörde.

 

Seit Jahren setzen die Abschiebebehörden in der EU auf sogenannte Sammel- oder Charterabschiebungen. Wie bei jeder Abschiebung muss auch hier das Zielland der Abschiebung sog. "Heimreisezertifikate" ausstellen. Der folgenden Erfahrungsbericht wurde uns als Ergänzung zum Bericht :: 'Wenn Du nicht gehst, dann...' Sammel-abschiebung? zur Veröffentlung geschickt.


Erfahrungsbericht vom 1.Tag der Anhörungen einer dubiosen Delegation aus Guinea


Für den 29.11.05, den ersten Tag der nach der 5. Verschiebung tatsächlich stattfindenden Guinea-Anhörungen in der Hamburger Ausländerbehörde, waren ca. 30 Flüchtlinge - nach eigenen Angaben aus Guinea, Sierra Leone und Burkina Faso kommend - vorgeladen. Die Reihenfolge schien diesmal alphabetisch zu sein: Zuerst standen Leute mit Namen Bah und Barry, d.h. alle Fulla, auf der Liste.

Die Ausländerbehörde war im 1.Stock, wohin die Vorgeladenen nach einiger Wartezeit im Erdgeschoss, geführt wurden, wieder in eine polizeilich überwachte Festung umgewandelt worden. Aber offensichtlich wussten die bewaffneten Polizisten auch nicht recht, was ihre Aufgabe war außer in den Fluren herumzustehen, ihre Schlagstöcke und Pistolen zur Schau zu stellen und sich untereinander über dies und jenes zu unterhalten. Im ersten Raum wurden die Flüchtlinge wieder bis auf die Unterhose nach "gefährlichen Gegenständen" durchsucht. Ich bestand darauf, als Sozialarbeiterin während der Durchsuchung des von mir begleiteten Jugendlichen dabei zu sein, was mir mehrfach untersagt wurde ("Geschlechtertrennung" war eines der Argumente), aber als ich dies nicht beachtete, konnte ich im Raum bleiben. Herr Gaffron, der neue Leiter der Abteilung für "Rückführungen" nach Afrika, bemühte sich, den Anschein der Rechtmäßigkeit der gesamten Veranstaltung zu erwecken. Auf meine Frage nach der Rechtsgrundlage der Durchsuchung wurde ich - mündlich und sogar schriftlich - auf § 15 SOG verwiesen. Als Grundlage der Anhörung diene die Vorladung, die trotz zugegebener Fehler (der Jugendliche hatte z.B. nie angegeben, wie im Schriftstück steht, "BAHer Staatsangehöriger" zu sein) gültig sei. Aus Sicherheitsgründen musste ich meinen Rucksack im Vorraum lassen, wurde aber nicht durchsucht.

Nach weiterem Warten in einem dritten Raum wurden wir zu der Delegation hineingeführt. Drei Herren und eine Dame afrikanischer Herkunft, ein togoischer (!) Dolmetscher, der des öfteren für die Abschiebeabteilung der Ausländerbehörde arbeitet und "Linus" genannt wird, mehrere MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde und einige Polizisten saßen bzw. standen im Raum. Einer der Afrikaner begann, dem Jugendlichen Fragen zu stellen. Ich unterbrach ihn und bat - zunächst auf Deutsch - darum, dass die Delegation sich vorstelle. Da ich die Antwort des offensichtlich als Delegationsleiter fungierenden Herrn verstand, verzichtete ich auf die Dolmetscherleistungen der Behörde und diskutierte selbst auf Französisch mit dem Herrn weiter. Ich bezog mich darauf, dass in einem Presseartikel (taz hamburg vom 28.11.05) erwähnt wurde, dass bei der Delegation ein Mitarbeiter der Botschaft dabei sei und wollte wissen, ob das stimme und wenn ja, wer von ihnen das sei? Der Herr empörte sich über diese Frage. Ob ich nicht wisse, wer er sei? Er sei leitender Beamter des Außenministeriums und ich wisse wohl nicht, dass die Botschaft diesem unterstehe. Er zog ein mehrfarbiges, offensichtlich auf einem Computer ausgedrucktes Papier aus der Tasche und legte es mir vor: Es war ein "Ordre de mission" (Entsendungsauftrag), ausgestellt auf Herrn Faly(?) Keita - dies war auch der Name des Leiters der im März angereisten Delegation aus Guinea. Genaueres konnte ich auf die Schnelle nicht lesen.

Der Herr, vermutlich Herr Keita, behauptete, die Delegation sei nur hier zum Schutz ihrer guineischen Landsleute und der Menschenrechte. Ich kam zurück auf die Pressemeldung über die Anwesenheit der Botschaft. Herr Keita war offensichtlich nicht gewohnt, in seinem Redeschwall unterbrochen zu werden, beklagte sich über mangelnden Respekt und forderte von der Ausländerbehörde, dass künftige Begleiter still zu sein hätten. Dann forderte er mich auf, ihm den erwähnten Presseartikel vorzulegen. Ich bedauerte: Der Rucksack, in dem ich eine Kopie des Artikels hatte, war mir ja vor Betreten des Raums abgenommen worden. Dann solle ich ihn holen, forderte Herr Keita mehrfach. Nach einigem Hin und Her holte ein Mitarbeiter der Ausländerbehörde meinen Rucksack aus dem Nebenraum und ich gab Herrn Keita eine Kopie des taz-Artikels. Jetzt forderte er mich auf, ihm den Artikel zu übersetzen. Das sah ich nun nicht als meine Aufgabe und verwies auf den Dolmetscher. Der hatte erstaunlicherweise auch ein Exemplar des Artikels und sagte Herrn Keita zu, ihn ihm später zu übersetzen. Die Delegationsmitglieder stellten jetzt ein paar kurze Fragen an den Jugendlichen (auf Fulla und Französisch), und Herr Keita betonte noch einmal, sie seien ja hier, um die Flüchtlinge zu schützen und ihnen zu helfen. Ich fragte, ob das bedeute, dass er dem Jugendlichen dazu verhelfen wolle, in Deutschland zu bleiben? Herr Keita antwortete, ja, er könne hierbleiben.... Dann beendeten wir das eher an absurdes Theater erinnernde Gespräch. Ob bzw. wann und von wem dem Jugendlichen Reisepapiere ausgestellt werden, ist unklar.

Etwas später begleitete ich einen Guineer, der nächste Woche - nach Jahren des juristischen Kampfs - aufgrund seiner schweren Krankheit eine sechsmonatige Aufenthaltserlaubnis bekommen soll. Ich verzichtete auf Diskussionen mit der Delegation, und die stellte nur ein paar Fragen (auf Fulla) nach Herkunftsort, Eltern, Arbeit bzw. Schulbesuch und Gesundheitszustand des Vorgeladenen, und Herr Keita beendete dann sehr schnell das "Interview" mit dem Rat, der junge Mann solle weiter zur Schule gehen und seine Krankheit kurieren.

Den von der Ausländerbehörde als Bedingung für einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland verlangten guineischen Pass erhält der Flüchtling trotz Identifizierung als Guineer von der Delegation nicht. Diese Abteilung der Ausländerbehörde (und damit auch die von ihr eingeladene Delegation) sei nur für "Rückführungen" zuständig. Um einen Pass zu bekommen, müsse der Guineer zur Botschaft nach Berlin fahren und mit einem Papier von denen in Guinea einen Pass beantragen. Nur dort dürften Pässe ausgestellt werden. Ähnliche Auskunft erhielt eine Rechtsanwältin, die einen Mandanten begleitete, der aufgrund eines gemeinsamen Kindes mit einer Deutschen ein Aufenthaltsrecht hat.

Die Delegation aus Guinea fungiert für die Ausländerbehörde also ganz klar nur als Abschiebehelfer. Da - trotz gegenteiliger Aussagen des Behördenleiters Bornhöft in der taz - die Botschaft nicht beteiligt ist und sowohl die rechtliche als auch die fachliche Legitimation dieser Damen und Herren, Menschen als GuineerInnen zu identifizieren und die Erstellung von Reisepapieren zu veranlassen, weiter mehr als fraglich ist, bleibt die Bezeichnung "dubiose Delegation" zutreffend und Proteste sind mehr als gerechtfertigt. An den folgenden Tagen sind deshalb Mahnwachen vor der Ausländerbehörde (Amsinckstr. 28) angemeldet, zu denen der Flüchtlingsrat Hamburg Betroffene, UnterstützerInnen und Presse aufruft. Wir fordern weiterhin die sofortige Abreise der Delegation, das Ende solcher Anhörungen, Stopp der Abschiebungen und ein Bleiberecht für alle Flüchtlinge.


Hintergrundinformationen und Kontakt
über www.fluechtlingsrat-hamburg.de
oder Telefon 040-431587, mobil: 0173-4108642
bzw. vor Ort im Café Exil, Spaldingstr. 41, Tel. 040-2368216