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[ 07. Jan 2009 ]

Zürich: Sans-Papiers gehen. Probleme bleiben. Regierungsrat in der Pflicht!

Demonstration in Zürich am 03. Jan 2009

Sans Papiers setzen sich weiter für ihre Rechte ein, Gespräche mit Parteien werden gesucht. Überblick über die Besetzung der Predigerkirche bzw. der Kirche St. Jakob in Zürich und die Auflösung der Kirchenbesetzung am 07. Jan 2009.

 


Ein kurzer Rückblick


Am Freitag, 19. Dez 2008 haben rund 150 Sans-Papiers und Schweizer AktivistInnen die :: Predigerkirche in Zürich besetzt. Gleichzeitig wurde in Lausanne am Abend des 19. Dez 2008 die Kirche St. Laurent symbolisch besetzt (:: Flugblatt als pdf). Die Besetzungen fanden genau ein Jahr nach der symbolischen Besetzung der Grossmünster-Kirche in Zürich statt, um gegen die :: Verschärfungen im Asyl- und Ausländer_innenrecht zu protestieren, die mit 1. Jan 2008 in der Schweiz in Kraft traten.

Im Laufe des vergangenen Jahres wurde mit mehreren Aktionen gegen die weitere Entrechtung von Menschen protestiert (siehe :: bleiberecht.ch). So fand im September 2008 die :: Kampagne "ohne uns geht nichts - woche der migrant_innen" statt.

Am 19. Dezember 2008 wurde schließlich die Predigerkirche in Zürich besetzt. Die Aktivist_innen organisierten zahlreiche :: Veranstaltungen und konfrontierten die zuständigen Politiker_innen mit ihren Forderungen. Nach einer kraftvollen Demonstration am 03. Jan 2009 mit rund 2.500 solidarischen Menschen zogen die Sans-Papiers der Predigerkirche am 04. Jan weiter in die St. Jakob Kirche, wo ihnen Kirchenasyl angeboten wurde. Nach weiteren Gesprächen mit Politiker_innen ist klar, dass die Forderungen nicht im Sinne der Besetzer_innen umgesetzt werden. Jedoch wird die nach einem :: Gespräch mit Regierungsrat Hollenstein am 05. Jan 2009 versprochene Einsetzung einer "Härtefallkommission" von den Sans-Papiers als Erfolg verstanden.

Die Härtefallregelung sieht vor, dass die Behörden unter gewissen Bedingungen eine Bleiberecht bewilligen kann. Die Sans Papiers beharren darauf, dass die Kommission keine Alibi-Übung sein darf. Sie warten deshalb weiter auf die konkreten Pläne zur Umsetzung einer wirksamen Härtefallkommission. In Bezug auf die im neuen Asyl- und Ausländer_innengesetz geschaffene Härtefallregelung musste der Regierungsrat eingestehen, dass er im Jahr 2008 keinen einzigen Härtefall nach Bern weitergeleitet hat. Damit respektiert der Kanton Zürich und als politischer Verantwortlicher Regierungsrat Hollenstein die auf Bundesebene zusammen mit den Verschärfungen beschlossene Härtefallregelung de facto nicht. Als Erfolg hingegen werten die Sans-Papiers, dass der Regierungsrat sich an der Medienkonferenz bereit erklärte, sämtliche abgelehnten Härtefallgesuche erneut zu prüfen.

Bezüglich der Umsetzung der Nothilfe offerierte Regierungsrat Hollenstein dagegen keine konkreten Kompromisse. Weiterhin werden Menschen also in Notunterkünften, teilweise in Bunkern ohne Tageslicht, leben müssen und erhalten nur die minimalste Nothilfe in Form von Migros-Gutscheinen für täglich Fr. 8.55. Im Gegensatz zu anderen Kantonen sind auch Frauen und Kinder davon nicht ausgenommen. Weiterhin festgehalten wird an der so genannten "Dynamisierung", d.h. am Zwang, dass Nothilfeempfangende jede Woche die Unterkunft wechseln müssen - ohne jedoch Tickets für die Bahn zu erhalten.

In einem Kurzfilm geben zwei Sans-Papiers ihrer Enttäuschung über die mageren Zusagen des Regierungsrats Ausdruck, erklären nochmals ihre Problemlage und äussern sich dazu, wie es weiter gehen soll - zu sehen auf :: bleiberecht.ch.


Erklärung zur Auflösung der Kirchenbesetzung am 07. Jan 2009


Die Sans-Papiers werten die Aktion der letzten 19 Tage als Teilerfolg. Mit der versprochenen Härtefallkommission gibt es ein konkretes Zugeständnis. Auch die Tatsache, dass die Missstände im Zürcher Migrationsamt langsam an die Öffentlichkeit gelangen, ist ein Ergebnis der Kirchenbesetzung. Noch bleibt aber der Alltag der Sans-Papiers unverändert und die Papierlosen werden im Kanton Zürich als Menschen zweiter Klasse behandelt.

Die Vollversammlung der Sans-Papiers hat am Dienstag bis tief in die Nacht über das weitere Vorgehen diskutiert. Eine Mehrheit entschied sich, heute den St. Jakob zu verlassen um den weiteren Kampf für ein menschenwürdiges Leben, für das Recht zu Arbeiten und für einen geregelten Aufenthaltsstatus zu planen. Da sich alle beteiligten Sans-Papiers als Kollektiv verstehen, verlassen sie heute gemeinsam die Kirche.

Die Papierlosen werden sich weiterhin offensiv für ihre Rechte einsetzen. Deshalb fragen die Papierlosen noch diese Woche die Parteien des Kantons Zürich um einen Termine für ein Gespräch an. Mit einer Delegation möchten die Papierlosen die Parteien über ihre Probleme informieren und aufzeigen, dass mit dem heutigen Regime kein menschenwürdiges Leben im Kanton Zürich möglich ist. In den vergangenen Tagen hat sich gezeigt, dass nur wenige Politiker über die Praxis der Nothilfe im Kanton Zürich informiert sind.

Die Sans-Papiers weisen darauf hin, dass in der Umsetzung der Nothilfe keinerlei Verbesserungen erreicht wurden. Weiterhin wird die Nothilfe in Form von Migros-Gutscheinen ausbezahlt (8.50 Franken pro Tag). Viele Asylbewerber müssen wöchentlich die Nothilfezentren wechseln. Diese so genannte Dynamisierung führt zu psychischen Problemen und ist reine Schikane. Für die wöchentliche Reise in die neue Notunterkunft werden keine Zugtickets zur Verfügung gestellt, obwohl gemäss Sozialamtsvorsteher Hofstetter ein Anspruch darauf bestünde. Damit will der Kanton Zürich die Menschen bewusst in die Kriminalität treiben. Diese Praxis könnte Regierungsrat Hollenstein in eigener Kompetenz jederzeit ändern.

Im Jahr 2008 wurde kein einziges Härtefallgesuch vom Kanton Zürich an den Bund weitergeleitet. Regierungsrat Hollenstein versucht die politische Verantwortung von sich zu weisen. Doch die Sans-Papiers betonen, dass er sich nicht länger hinter dem Bund, dem Gesamtregierungsrat oder auch dem Kantonsrat verstecken kann. Denn es handelt sich um einen Verwaltungsakt.

Kein Mensch ist illegal, Bleiberecht jetzt!

Die Sans-Papiers in der St. Jakob-Kirche / Bleiberechts-Kollektiv