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[ 20. Apr 2006 ]

Bericht und Fotos vom Antirassistischen Osterspaziergang in Wien

Antirassistischer Osterspaziergang

Mehr als 70 Menschen nahmen an einer antirassistischen Stationenlesung teil, die an drei Tatorten rassistischer Polizeigewalt, zwei Verwaltungs- und Repressionsstätten des institutionellen Rassismus und beim Marcus Omofuma Denkmal stattfand.

 

Die Stationenlesung nahm ihren Ausgang im Wiener Stadtpark, wo sich im Sommer 2003 ein temporäres Afrikadorf befand. Ebendort wurde :: Seibane Wague in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2003 im Zuge eines Polizeieinsatzes getötet. Schon davor wurde das Afrikadorf :: Opfer eines rassistisch motivierten Brandanschlags, bei dem allerdings keine Menschen zu Schaden kamen. Ein :: weiterer Brand, der einen beträchtlichem Sachschaden nach sich zog, wurde in der Nacht von 22. auf 23. Juli 2003 gelegt.

Fast drei Jahre später versammelten sich am 17. April 2006 in der Stadtparkeinfahrt an der Ampelkreuzung vis-à-vis von Heumarkt/Ecke Reisnerstraße ab 14:00 circa 60 Personen, um an der vom Ersten Wiener Lesetheater initiierten Stationenlesung teilzunehmen. Die Lesung war als Demonstration angemeldet, die gelesenen Texte wurden via Lautsprecherwagen verstärkt.

Gegen 14:56 setzte sich der Demonstrationszug in Bewegung. Vom Stadtpark ging es über den Heumarkt ins Zentrum, wo sich die zweite Lesestation auf der Kreuzung Zedlitzgasse/Stubenbastei befand. Am 31. August 2002 wurde hier der unbewaffnete :: Binali Ilter erschossen. An der Amtshandlung waren vier Polizisten beteiligt. Die Lesenden rekonstruieren die Geschehnisse mit Hilfe von Gedächtnisprotokollen, Gerichtsakten und anderen Berichten. Auch der aktuelle Fall der schweren Mißhandlung des Schubhäftlings :: Bakary J. wurde thematisiert.

Von der Stubenbastei ging es über Seilerstätte, Himmelpfortgasse, Kärntner Straße und Neuer Markt zum Josefsplatz (hinter der Hofburg), wo die Stationenlesung gegen 16:05 ankam. Auf dem Josefsplatz wurde am 11. Januar 2004 :: Nicolai J. von der Polizei im Zuge einer "Amtshandlung" erschossen. Neben diesem Fall wurden im Zuge der Zwischenkundgebung auch die Aussagen der PolizistInnen, SanitäterInnen und des Notarztes im Fall Seibane Wague verlesen.

Über den Michaelaplatz und den so genannten "Heldenplatz" ging es zum Anfang der Mariahilfer Straße, wo sich der :: Omofuma-Stein befindet. Das von der Bildhauerin Ulrike Truger gestaltete Denkmal wurde seit seiner Aufstellung mehrmals beschädigt und mit rassistischen Symbolen beschmiert. Auch am Tag der Stationenlesung war der Sockel der Granitskulptur mit rotem Lack überzogen, wodurch die Hinweistafel, auf der der Zweck des Denkmals erklärt wird, nicht mehr lesbar war. Gegen 16:45 trafen dort noch etwa 56 Menschen mit der Stationenlesung ein, die wie schon an den von TouristInnen stark frequentierten Plätzen in der Innenstadt auch die Aufmerksamkeit von PasantInnen auf sich zog. Die gelesenen Texte beschäftigen sich mit der Abschiebung welche :: Marcus Omofuma am 1. Mai 1999 nicht überlebte sowie der politischen und medialen Debatte in der Zeit danach.

Vorbei an Museumsquartier und Volkstheater zog die Demonstration auf der 2er Linie zum Justizministerium in der Museumstraße 7 (Ecke Neustiftgasse), wo von 17:25 bis 18:05 Texte gelesen werden. Vor dem Justizministerium veringerte sich die TeilnehmerInnenzahl der zu diesem Zeitpunkt bereits vier Stunden andauernden Stationenlesung beträchtlich. Nur mehr etwa 30 Personen zogen im Anschluss vom Justizministerium zur letzten Station vor dem Wiener Landesgericht. In der Ecke Landesgerichtsstraße/Liebiggasse wurde stellvertretend für die in Schubhaft ermordete Menschen Halt gemacht. Thematisiert wurde der Tod von :: Yankuba Ceesay am 4. Oktober 2005 im Polizei-Anhaltezentrum in Linz, der offiziell als "Verkettung unglücklicher Umstände" dargestellt wurde. Ungeklärt blieb auch der Tod von :: Ben Habra Saharaoui, der am 22. Februar 2005 in einer Einzelzelle des Polizeianhaltezentrums Hernalser Gürtel tot aufgefunden wurde.
Neben zahlreichen Berichten über :: Selbstmorde in Schubhaft, wurden auch Protokolle zum Tod :: Edwin Ndupus verlesen, der am 19. August 2004 in der Justizanstalt Krems/Stein starb.

Kurz nach 19:00 endete der offizielle Teil der Kundgebung. Letzte (inoffizielle) Station war das China-Restaurant aus dem ein Großteil des Überwachungsmaterials zur :: Operation Spring stammt. Das obere Stockwerk des Lokals in der Währingerstraße 24, ehemals Chinarestaurant "Willkommen", war Schauplatz des ersten angewandten großen Lausch- und Spähangriffs in Österreich.

Zum Schluss lässt sich sagen, dass die als antirassistischer Osterspaziergang beworbene Stationenlesung ein sehr gelungenen Versuch war, Rassismus in Österreich im großen Umfang zu thematisieren. Die Reaktionen von PassantInnen waren unterschiedlich und reichten von positivem Interesse bis zu verbalen rassistischen Angriffen auf TeilnehmerInnen der Stationenlesung. Einige Leute schlossen sich auch spontan dem Demonstrationszug an und berichteten von eigenen Erfahrungen mit rassistischer Polizeiwillkür.

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